DIE LINKE. punktete in Hamburg
Quelle: junge welt
Katja Kipping ist der Triumph zu gönnen. »Wir können auch im Westen stärkste Partei sein, Danke "
St. Pauli" twitterte die Linke-Vorsitzende am Sonntag Abend.
Tatsächlich wurde die Partei im alternativ geprägten Stadtteil St. Pauli mit 28,4 Prozent der Stimmen Wahlsieger, auch wenn es während der am Montag noch fortdauernden Auszählung nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD aussah.
Der Erfolg der Linken bei der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft ist auch insgesamt beachtlich. Etwa 10.000 Stimmen konnte sie im Vergleich zu 2011 in der Stadt hinzugewinnen, obwohl die Wahlbeteiligung niedrig war.
Keine andere Partei, sieht man von der erstmals angetretenen rechtspopulistischen AfD ab, konnte derartige Zuwächse verbuchen. Woher kamen diese Stimmen? Glaubt man den Demoskopen, die die sogenannte Wählerwanderung berechnen, haben 3.000 bisherige Nichtwähler für Die Linke ihre Kreuzchen gemacht, jeweils 4.000 kamen von Grünen und SPD, etwa 1.000 Wähler verlor die Linkspartei aber auch an die AfD. Bemerkenswert ist auch, dass Die Linke die einzige unter den bereits 2011 angetretenen Parteien ist, die nahezu keine Sympathisanten als desillusionierte Nichtwähler zurückließ. Von den bisherigen SPD-Anhängern wandten sich immerhin zirka 12.000 ab, etwa 8.000 Wähler der CDU gingen nicht zur Wahl.
Getrennt nach Altersgruppen fällt auf, dass Linke-Wähler der Hansestadt überdurchschnittlich jung sind. Die 16- bis 24jährigen stimmten sogar mit zwölf Prozent für Die Linke. Bei 60jährigen und Älteren sind es nur noch fünf Prozent. Im Osten ist zwar für die Partei insgesamt sehr viel mehr zu holen, der Altersdurchschnitt ist allerdings weitaus höher. Wenig überraschend ist, dass viele Arbeiter und Erwerbslose ihre Stimmen gaben. Und Katja Kippings Charakterisierung Hamburgs am Sonntagabend als »sozial gespaltene Stadt« schlägt sich auch im Ergebnis nieder. In ärmeren Gebieten mit hohem Migrantenanteil wie dem Wahlkreis zwei (Billstedt-Wilhelmsburg-Finkenwerder) kommt die Linke auf zweistellige Prozentzahlen, während sie im reichen Blankenese nur knapp die Fünfprozenthürde knackt. Doch selbst hier gab es anderthalb Prozentpunkte mehr im Vergleich zu 2011.
»Unsere Zielvorstellungen wurden weit übertroffen«, freute sich Linke-Spitzenkandidatin Dora Heyenn am Montag in der Parteizentrale, dem Berliner Karl-Liebknecht-Haus. Sie führt das Ergebnis auch darauf zurück, »klipp und klar« gesagt zu haben, dass es für die Linke nur die Opposition als Option gebe. Die SPD vertritt in ihren Augen einen Kurs, der teils rechts der CDU ist. Als Beispiel führt sie die massenhafte Abschiebung von Romafamilien an, die kurz vor Jahreswechsel die Stadt verlassen mussten. »Da waren Kinder dabei, die in Hamburg geboren wurden, manche Familienmitglieder lebten schon 20 Jahre in der Stadt«, sagte Heyenn. Olaf Scholz, der alte und neue Erste Bürgermeister, sei »Architekt der Agenda 2010«. »Es ist ein No Go, mit ihm zu koalieren.« Während die anderen Parteien auf einen inhaltsleeren Wahlkampf setzten, hatte Die Linke in Hamburg kontroverse Themen für sich besetzt. Zum Beispiel ging es um Rüstungsexporte, die über den Hamburger Hafen abgewickelt werden, Armut in großen Teilen der Bevölkerung oder etwa die verbreitete Wohnungsnot. Auf die Begeisterung der Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger stieß auch die Vorgehensweise der Hamburger Genossen, für ihre Ziele zu werben – »aufsuchenden Wahlkampf«, nannte es Dora Heyenn. Bewusst sei man in sozialen Brennpunkten von Tür zu Tür gegangen, habe jedes Hochhaus abgeklappert. Kipping will das anderen Landesverbänden weiterempfehlen. Für die Parteichefin war auch wahlentscheidend, dass kurz vor der Abstimmung nicht wieder »Aufregerthemen aus der Bundespartei« lanciert wurden. Am 10. Mai wird in Bremen gewählt. Es wird sich zeigen, ob die Linke im benachbarten Stadtstaat ähnlich erfolgreich sein wird.
Die SPD lag bei der Wahl mit 45,7 Prozent deutlich unter ihrem Ergebnis der Bürgerschaftswahl von 2011 (48,4 Prozent). Trotzdem wird bereits jetzt wieder die berüchtigte »K-Frage« gestellt, Olaf Scholz als neuer Kanzlerkandidat für 2017 gehandelt. Die CDU setzte unter Spitzenkandidat Dietrich Wersich ihren Abwärtstrend fort und schnitt mit 15,9 Prozent (2011: 21,9 Prozent) so schlecht wie nie in Hamburg ab. Bundesweit ist es ihr schwächstes Landesergebnis seit 1959. Wersich sprach von einer »herben Enttäuschung«. Die Grünen legten mit 12,2 Prozent leicht zu (2011: 11,2 Prozent). Einer ihrer beiden Spitzenkandidaten, Jens Kerstan, brachte seine Partei sogleich für die Regierungskoalition ins Spiel: »Wir werden hart verhandeln und sind dann zuverlässige Partner.« Olaf Scholz erwartet allerdings Unterwürfigkeit, schließlich ist auch die FDP nicht abgeneigt. Er rechne nicht damit, »dass bei den Grünen jemand Vabanque spielt und unangemessene Vorstellungen davon hat, was das Wahlergebnis ermöglicht«. Streitpunkte der potentiellen Koalitionäre: die Olympiabewerbung für 2024, die Elbvertiefung und die Nahverkehrspolitik.
Ergebnisse und Wählerwanderung
Die CDU hat bei ihrer Wahlniederlage in Hamburg an fast alle anderen Parteien Stimmen verloren. Die mit 9.000 Wählern größte Gruppe wechselte zur FDP, wie ein Vergleich des Forschungsinstituts Infratest dimap mit der Wahl 2011 zeigt. Ähnlich stark profitierten die regierende SPD und die neu in die Bürgerschaft eingezogene AfD vom Einbruch der CDU: Sie gewannen jeweils 8.000 ehemalige CDU-Wähler. Verluste musste aber auch die SPD hinnehmen: Der Zuwachs von der CDU konnte die Abwanderung ehemaliger SPD-Wähler zu anderen Parteien nicht ausgleichen. Allein 7.000 einstige SPD-Anhänger machten ihr Kreuz bei der AfD und trugen dazu bei, dass die Sozialdemokraten jetzt auf einen Koalitionspartner angewiesen sind. Die rechte AfD mobilisierte 8.000 Nichtwähler und 9.000 Wähler von Parteien, die 2011 nicht ins Parlament gekommen waren. Geringer fiel ihr Zuwachs aus FDP (4.000), Grünen und Linken (je 1.000) aus. Die FDP profitierte von ehemaligen CDU-Wählern. Nachdem der Wiedereinzug der »Liberalen« in die Bürgerschaft lange auf der Kippe gestanden hatte, wechselten 9.000 CDU-Wähler zur FDP. Die Altersstruktur der Wähler zeigt, dass SPD und CDU ihren größten Rückhalt bei den über 60jährigen haben. Linke und Grüne punkten vor allem unter Wählern bis zu diesem Alter. FDP und AfD dagegen haben in nahezu allen Altersgruppen eine annähernd gleich starke Klientel. Allerdings: In der FDP ist der Anteil der Wähler über 70 besonders hoch. (dpa/jW)