Wieder Flüchtlingsunglück vor Lampedusa
Zeitonline, 19.04.2015
Es ist das wohl größte Flüchtlingsunglück im Mittelmeer: Ein Boot mit mehr als 700 Flüchtlingen an Bord ist gekentert. Die UN befürchten, dass fast alle ertrunken sind. Bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer sind nach UN-Angaben erneut Hunderte Flüchtlinge ums Leben gekommen. Etwa 700 Menschen würden vermisst, sagte Carlotta Sami, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, dem TV-Sender RAInews24. Es handle sich möglicherweise um "eine der größten Tragödien im Mittelmeer".
Das Schiff kenterte demnach rund 110 Kilometer vor der libyschen Küste, 28 Passagiere wurden von der Besatzung eines Handelsschiffes gerettet. Der UNHCR-Sprecherin zufolge gibt es wohl keine weiteren Überlebenden. Die Geretteten hätten berichtet, dass mehr als 700 Menschen an Bord waren. Italiens Küstenwache und Marine suchten mit Booten und Hubschraubern am Unglücksort vor der libyschen Küste nach Überlebenden. Rettungskräfte haben 21 Leichen aus dem Mittelmeer geborgen.
Ersten Erkenntnissen zufolge ging um Mitternacht ein Notruf bei der italienischen Küstenwache ein, die daraufhin einen portugiesischen Handelsfrachter zu der Unglücksstelle dirigierte. Beim Anblick des Schiffs hätten sich vermutlich die Passagiere auf dem Fischkutter auf eine Seite gedrängt und das etwa 30 Meter lange Boot so zum Kentern gebracht. Über die Herkunft der Menschen an Bord war zunächst nichts bekannt.
Mehr als 1.000 Tote in zehn Tagen
"Wenn sich die Bilanz dieser erneuten Tragödie bestätigen sollte, sind in den vergangenen zehn Tagen mehr als 1.000 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen", sagte die UNHCR-Sprecherin. In dieser Woche war bereits ein Boot mit etwa 400 Menschen vor der libyschen Küste gekentert, nur wenige sollen überlebt haben. Auf ihrem Weg von der afrikanischen Küste über das Mittelmeer in die EU kommen jedes Jahr Tausende Flüchtlinge ums Leben. Die allermeisten von ihnen ertrinken, weil ihre überladenen Schiffe kentern.
Das jetzige Unglück könnte das Ausmaß der Katastrophe von Lampedusa 2013 noch übertreffen, sagte ein UNHCR-Sprecher in Genf. Im Oktober 2013 waren vor der italienischen Mittelmeerinsel mindestens 366 vor allem aus Somalia und Eritrea stammende Flüchtlinge ertrunken, als ihr Boot Feuer fing und kenterte.