03. Juni 2015   Aktuell

EU-Mitgliedstaaten erweitern Sicherheitszusammenarbeit mit USA – De Maizière trifft Heimatschutz zum warm-up in Sachsen

Auf ihrem heutigen Ministertreffen in Riga wollen die EU und die USA die Ausweitung ihrer Kooperation in Sicherheitsfragen unterzeichnen.

Dies geht aus einem Dokument hervor, das entsprechende Schlussfolgerungen zur Zusammenarbeit im Bereich der „Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ entwirft. Mit dieser Phrase hatte die EU im vergangenen Jahrzehnt zahlreiche neue Maßnahmen übertitelt. Hierzu gehörte auch die engere Anbindung an die USA, die vor allem unter deutscher EU-Präsidentschaft 2007 entscheidende Fortschritte machte.

Vorausgegangen waren mehrere Treffen und Beratungen der Mitgliedstaaten, aber auch der Kommission und des Auswärtigen Dienstes der Europäischen Union. Ein „Treffen hoher Beamter“ der EU und der USA hatte im Februar erste Entwürfe vorgelegt, eine Ratsarbeitsgruppe hatte im März die Position einzelner Mitgliedstaaten eingepflegt. Allerdings ist unklar, ob die USA in letzter Minute Änderungen einfordern.

Wenig Fortschritt beim Datenschutz

Bereits vor sechs Jahren hatten die EU und die USA eine solche Absichtserklärung unterzeichnet. Damals ging es um die Themen Migration, Drogenhandel, Finanzermittlungen und Cyberkriminalität. Das Abkommen von 2009 blieb allerdings vage was die Umsetzung der Maßnahmen betraf. Genannt wurde aber die Zusammenarbeit mit der EU-Polizeiagentur Europol, die seitdem tatsächlich in den genannten Gebieten vorangekommen ist. US-Behörden erhalten etwa Finanzdaten aus europäischen Überweisungen,

die Weitergabe wird von Europol koordiniert und kontrolliert. Die Grenzpolizei der USA ist an einem neuen Lagezentrum von Eurpol zur Verhinderung von Migration über das Mittelmeer beteiligt. Auch im Bereich der Internetkriminalität wurde die Kooperation seit 2009 ausgeweitet.

In der erneuerten Erklärung werden nun einzelne Maßnahmen benannt. An erster Stelle (des Dokuments, nicht der Prioritäten!) steht der Abschluß eines EU-US-Datenschutzabkommens. Es soll eigentlich für alle polizeilichen transatlantischen Zusammenarbeitsformen gelten. Die Der Vorschlag für ein solches Abkommen war allerdings bereits in der Erklärung von 2009 enthalten. Schwung erhielten die Verhandlungen erst durch die Veröffentlichungen der Snowden-Dokumente.

Einen größeren Raum nimmt die Kooperation gegen „Terrorismus und gewalttätigen Extremismus“ ein. Dabei geht es insbesondere um das Internet. Die Sicherheitsbehörden wollen die Internetdienstleister hierzu mehr in die Pflicht nehmen („Increase all aspects of engagement and cooperation with the Communication Service Providers“). Dabei handelt es sich aber um eine Grauzone, denn die Anbieter kommen ihren Verpflichtungen zur Löschung oder Sperrung inkriminierter Accounts und Videos gewöhnlich nach. Den EU-InnenministerInnen reicht das nicht: Europol startet in vier Wochen eine Meldestelle für unerwünschte Internetinhalte, die zunächst auf „islamistischen Terrorismus“ beschränkt ist. Diskutiert wird, auch Webseiten zur Unterstützung unerwünschter Fluchthilfe über das Mittelmeer auf diese Weise stillzulegen.


Mehr Datentausch mit den USA gefordert

Die EU und die USA wollen auch mehr auf Dienste der Polizeiorganisation Interpol zurückgreifen. Nach dem Absturz des malaysischen Flugzeuges MH370 konnte Interpol durchsetzen, dass die Abfrage ihrer Datenbanken bei EU-Grenzkontrollen verpflichtend wird. Zur Bekämpfung von „islamistischem Terrorismus“ sollen die EU-Mitgliedstaaten auch mehr Gebrauch von einer „Foreign Fighter Cell“ bei Interpol machen. Der neue Interpol-Präsident ist der frühere BKA-Vize Jürgen Stock. Auf einer Konferenz kündigte er kürzlich an, den Informationsaustausch unter den 190 Interpol-Mitgliedern weiter auszubauen.

Ein weiterer Punkt des Abkommens betrifft die Kooperation mit dem „U.S. Terrorist Screening Centre“. Das Zentrum ist verantwortlich für die sogenannten „No Fly-Listen“, mit denen einzelnen Personen die Einreise in bzw. Transitflüge über die USA untersagt wird. Zur Durchsetzung dieser Flugverbote haben die US-Heimatschutzbehörden Personal an die großen europäischen Flughäfen (darunter auch Frankfurt/ Main) abgeordnet. Auch die EU will Flüge aus „Risikodestinationen“ vermehrt kontrollieren, das Bundeskriminalamt erarbeitet bei Europol derzeit entsprechende Risikomerkmale.

Der EU-US-Gipfel in Riga schließt direkt an das Treffen der G6-Staaten an, das diesmal unter deutschem Vorsitz im Schloß Moritzburg bei Dresden stattfindet. Die G6 sind ein Gremium der InnenministerInnen der sechs einwohnerstärksten EU-Mitgliedstaaten (Deutschland, Spanien, Italien, Großbritannien, Frankreich, Polen). Das informelle Treffen hatte sich der damalige deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble ausgedacht. Schäuble war es auch, der dafür sorgte dass die USA an dem Stammtisch der sechs großen EU-Staaten teilnimmt.

In Sachsen sind die USA heute durch die Justizministerin Loretta Lynch und den US-Heimatschutzminister Jeh Johnson vertreten. Das ist nicht immer so, mitunter schicken die Ministerien lediglich StaatssekretärInnen. Das mag an dem Gipfel in Riga liegen, wohin die beiden MinisterInnen morgen weiterreisen.
„Gefährlicher als die Snowden-Enthüllungen“

Inhalte der G6-Treffen werden gewöhnlich nicht bekannt. Das Bundesinnenministerium verlautbart allerdings vorab auf seiner Webseite, dass das Stelldichein mit den US-Ministern im Schatten des NSA-Ausschusses stattfindet.

Kürzlich bedauerte bereits der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans -Georg Maaßen, „dass die Amerikaner zögerlicher werden“ mit der Zulieferung von Informationen und Technik. Zu den Gründen hatte der US-Geheimdienstdirektor James Clapper laut einem Bericht der Bild-Zeitung erklärt, es würden geheime Unterlagen kontinuierlich an die Medien geben, weshalb sich die USA beim Schutz eingestufter Dokumente nicht mehr auf die Deutschen verlassen könne. Dies sei laut Clapper „gefährlicher als die Snowden-Enthüllungen“.

Als erste Folge seien deshalb gemeinsame Projekte und geplante Kooperationen mit dem BND gestoppt worden. Die USA überlegten demnach auch, Überwachungsmaßnahmen wie in Bad Aibling an andere Geheimdienste zu übertragen. Andere Medien hatten berichtet, dass nicht näher benannte Treffen europäischer Geheimdienste bereits ohne den BND stattfinden würden.

Laut dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) könnte nach dem Kanzleramt auch das Innenministerium vom Groll der US-Regierung betroffen sein. Zwar sei die „Zusammenarbeit mit den USA bei der Terrorabwehr“ im Bereich der Polizei und der Inlandsgeheimdienste „gegenwärtig nicht eingeschränkt“. Weiter heißt es:

    Es gibt allerdings Sorgen, dass sich das ändern könnte. […] Wenn geheime Unterlagen auf dem Markt verkauft oder dargeboten werden, dann gefährdet das die Zusammenarbeit.

Quelle: Netzpolitik.org

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