06. November 2015   Aktuell

... denn wir haben kein Recht auf Demokratie auf Ewigkeit ... (Merkel)

Beitrag: Daniel Josten, Europabüro Sabine Lösing, MdEP

1. Geheime Polizeieinsätze - Eine schwere Bürde für Hamburgs Demokratie

2. Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (Fraktion DIE LINKE) vom 27.08.15 in dieser Sache

In seiner gestrigen Sitzung befasste sich der Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft mit dem Einsatz der Hamburger Polizistin Maria B., als verdeckte Ermittlerin in verschiedenen linken sozio-politischen Zusammenhängen von Sommer 2008 bis Ende 2012.

Unter anderem nahm die Beamtin unter ihrer Tarnidentität im September 2009 am "No Border Camp" in Brüssel teil und war in diesem Zusammenhang gemeinsam mit anderen AktivistInnen zu einem Gespräch mit Abgeordneten der Fraktion GUE/NGL eingeladen.

Sie wurde damals aus unbekannten Gründen vom Sicherheitspersonal im Eingangsbereich des Europäischen Parlaments aufgehalten und in einer Herrentoilette isoliert, wogegen die GUE/NGL-Europaabgeordneten anschließend massiv protestierten, da sie darin eine ungerechtfertigte Repression und demütigende Behandlung einer vermeintlichen Aktivistin sahen.

Die Europaabgeordneten Sabine Lösing und Fabio De Masi hatten, nach der Enttarnung der Beamtin, Anfang September 2015 eine Anfrage an den Hamburger Innensenator Neumann geschrieben, ob der Einsatz gegen Abgeordnete des Europäischen Parlaments im Auftrag der Hamburger Polizei und mit Billigung der Innenbehörde erfolgte. Da den beiden Abgeordneten nach mittlerweile zwei Monaten keine Antwort auf diese Anfrage zuging, nahm Sabine Lösing gestern als Zuschauerin an der Selbstbefassung des Innenausschusses teil.

Dazu erklärt Sabine Lösing:


"Eine Vertreterin der Hamburger Polizei bestritt, dass es einen Auftrag gegeben habe, in den Räumen des Europäischen Parlaments zu ermitteln. Die Beamtin habe nur vorgegeben, die Abgeordneten besuchen zu wollen. Im Eingangsbereich habe sich Maria B. dem Sicherheitspersonal als Polizistin zu erkennen gegeben und mit diesen - innerhalb von Sekunden - spontan einen Eklat inszeniert, angeblich um ihre Tarnung nicht zu gefährden. Diese Darstellung erscheint mir jedoch im hohen Maße unglaubwürdig und es bleiben viele Fragen zu den Umständen des Einsatzes offen.

Es blieb jedoch nicht die einzige Ungereimtheit in den Darstellungen der Hamburger Polizei, die häufig nur Ausflüchten glichen, und jeglichen Aufklärungswillen vermissen ließen. So wurde mehrfach beteuert, dass der rund vierjährige Einsatz der verdeckten Ermittlerin in Hamburg und im europäischen Ausland in Übereinstimmung mit geltendem Recht erfolgt sei, da es um die Abwehr von Gefahren und die Verhütung schwerwiegender Verbrechen gegangen sei.

Warum aber beispielsweise eine Kritik an der "Internationalen Bauausstellung" in Hamburg-Wilhelmsburg durch gentrifizierungskritische Initiativen, gegen die sich der verdeckte Einsatz der Polizeibeamtin unter anderem richtete, ein schweres Verbrechen erwarten ließe, konnte nicht geklärt werden. Wird die Hamburger Innenbehörde in dieser Logik auch Kritik an Hamburgs Olympiabewerbung als ein drohendes Verbrechen sehen, das schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte von BürgerInnen erlauben soll?

Auch die Legitimierung des Hamburger LKAs, unter zu Zuhilfenahme von Maria B.s Emailkonto, für mehrere Jahre nach Beendigung des verdeckten Einsatzes hunderte Emails einer Hamburger Initiative und deren Mitglieder zu sammeln und zu analysieren, konnte nicht schlüssig hergeleitet werden.

Es wurde zudem erschreckend deutlich, dass betroffene BürgerInnen laut Auffassung der Hamburger Polizei trotz entsprechender Rechtsvorschriften keinerlei Anspruch besitzen nach Beendigung der Maßnahme über diese informiert zu werden. So werden sie jeder Möglichkeiten beraubt, sich gerichtlich gegen eine derartige Bespitzelung zu wehren. Dieses Vorgehen der Polizei wurde durch den anwesenden Hamburger Datenschutzbeauftragten vehement in Frage gestellt.
 
Abschließend lässt der lange Zeitraum der verdeckten Ermittlung und das tiefe Eindringen von Maria B. in Strukturen, Zusammenhänge und vorgebliche Freundschaften vermuten, dass es hier eben nicht um die Abwehr konkreter Gefahren, sondern um das massive Ausspionieren linker, oppositioneller Zusammenhänge ging. Dazu ist eine Polizeibeamtin aber nicht legitimiert. Im Gegensatz zu Beteuerungen von Senator Neumann scheint die Hamburger Polizei wenig auf die Lehren aus den dunklen Phasen deutscher Vergangenheit zu geben. Es entsteht der Eindruck, dass die "politische" Polizei in Hamburg rechtliche Vorschriften zum Schutz der BürgerInnen nach eigenem Gutdünken ignoriert, und dies so auch fortsetzen möchte. Eine schwere Bürde für die Hamburger Demokratie."

2. DIE LINKE Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert eine schnelle und umfassende Aufklärung und stellt erste Schriftliche Kleine Anfrage.
Betr.: Fragen zum Fall der verdeckt ermittelnden Beamtin Maria B. (I)
Erneut wurde bekannt, dass eine Polizeibeamtin über Jahre in linken Strukturen verdeckt ermittelte. Die Polizei hat dies inzwischen bestätigt. Gegen die Beamtin werden schwerwiegende Vorwürfe erhoben. U.a. habe sie sich an Aktivitäten im Ausland beteiligt, häufig Privatwohnungen besucht, mindestens ein sexuelles Verhältnis eingegangen und an strafrechtlich relevanten Aktivitäten teilgenommen.
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