Seilschaften - Verschwörungstheorien?
Beitrag: Diether Dehm: Verschwörungs-Theorie? Jedenfalls Verbindungs-Praxis!
BGH gibt ZDF-Sendung "Die Anstalt" Recht
Am 10. Januar unterwarf der Bundesgerichtshof die Klage der "ZEIT", die solche Aussagen in der ZDF-"Anstalt" verbieten lassen wollte, welche Verbindungen der "ZEIT"-Spitze zu kriegsorientierten Lobbyisten sowie Geheimorganisationen aufgeführt hatten. Dies Urteil ist nun ein Etappensieg für Meinungsfreiheit, investigative Satire, aber auch für die Macher dieser kostbaren ZDF-Sendung*.
Auch die lesenswert kritische "ZEIT" wird fürderhin mit weiteren kritischen Vorbehalten ihrer eigenen LeserInnen zu rechnen haben.
Bereits 1998 hatte Erich Schmidt-Eenboom auf die Verbindungen des Geheimdiensts BND zur Spitze der "ZEIT" und anderen linksliberalen Medien hingewiesen**. Auch damals klagte "DIE ZEIT" vergeblich.
Das Totschlagargument "Verschwörungstheorie" dürfte in Zukunft nun noch weniger wahllos verwendbar sein.
* Als "Die Anstalt" am 11.02.2014 die faschistische Durchsetzung des Maidan-Aufstandes aufgedeckt und einen rosagrünlichen Aufschrei losgetreten hatte schrieb ich für Reiner Kröhnert als Angela Merkel (!) die Parodie unter dem satirischen Titel "Verbietet die Anstalt!" - auf Weltnetz.tv mit vielen hunderttausend Zugriffen. Kurz darauf gab es diverse Forderungen, ans ZdF, die Sendung abzusetzen. Satire ist der Realität oft näher als Ausgewogenheit.
**Undercover. Wie der BND die deutschen Medien steuert (1998, Kiepenheuer)
Die ZDF-Satire darf weiter behaupten, ein Herausgeber und ein Journalist von Die Zeit hätten Verbindungen zu Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Eine Lektion im Umgang mit Satire, zeigt Markus Kompa.
dazu Legal Tribune Online vom 10.01.2017
Die Satire-Sendung "Die Anstalt" thematisierte in der Ausgabe vom 29. April 2014 die mangelhafte Unabhängigkeit politischer Journalisten, deren Zeitungen "so etwas wie die Lokalausgaben der Nato-Pressestelle" seien.
So kritisierten die Satiriker vor dem Hintergrund der Krim-Krise die Verstrickungen namhafter, scheinbar objektiver Blattmacher wie etwa Zeit-Herausgeber Josef Joffe, der Mitglied in zahlreichen Lobby-Organisationen mit Nähe zur US-Politik sei. Die Zeit erscheine deshalb nur einmal pro Woche, weil Joffe wegen seiner zahlreichen anderen Aktivitäten nicht mehr zum Schreiben käme. Ihren Kommentar "die recherchieren da nicht, die sind da Mitglieder, Beiräte, Vorstände" illustrierten die Satiriker mit einem Schaubild, das in Nahaufnahme allerdings nur einen sehr kurzen Moment zu sehen und damit zur Gänze kaum aufzunehmen war.
Joffe ./. ZDF
Die Graphik symbolisierte entsprechende Lobby-Organisationen, von denen acht mit jeweils einer Linie mit einem Foto von Joffe verbunden waren – ein bildlich darstellte Netzwerk.
Joffe bestritt bzw. relativierte einige dieser Mitgliedschaften und erwirkte schließlich in zweiter Instanz eine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen das ZDF wegen der Darstellung der Mitgliedschaft in acht Lobby-Organisationen.
Das Landgericht (LG) Hamburg hob das Verbot auf und wies die Klage ab. Zwar seien nur sieben der acht Linien zu Organisationen etc. nachvollziehbar, jedoch sei zu berücksichtigen, dass Joffe auch in anderen vergleichbaren Organisationen Mitglied sei, die nicht genannt seien, so dass die Grundaussage eines dichten Netzwerkes zutreffe.
Die persönlichkeitsrechtliche Relevanz für einen Unterlassungsanspruch werde nicht erreicht, da die geringe Abweichung den sozialen Geltungsanspruch nur unwesentlich mindere bzw. dies für den TV-Zuschauer kaum wahrnehmbar sei. Zudem sei der Charakter als Satire-Sendungen zu berücksichtigen, der Polemik zulasse.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg verbot die Satire jedoch wieder. Anders als das Landgericht erkannte der Senat nur sechs Linien zu Lobby-Organisationen an, da die Mitgliedschaft Joffes im deutsch-amerikanischen Eliten-Netzwerk Atlantikbrücke e.V. 2008 beendet worden sei. Die verfälschende Darstellung weiche von der Wahrheit nicht nur so geringfügig ab, dass sie nicht geeignet wäre, den sozialen Geltungsanspruch des Klägers zu beeinträchtigen. Auch der Umstand, dass die Behauptung im Rahmen einer Satiresendung aufgestellt wird, rechtfertigte insoweit keine andere Sichtweise. Dass die auf dem Schaubild gezeichneten Linien entgegen den Erklärungen der Darsteller nicht die Anzahl der Verbindungen wiedergeben solle, werde für den Zuschauer nicht erkennbar.
Bittner ./. ZDF
Ähnlich lief es für Joffes Kollegen Jochen Bittner. Der Journalist der Zeit ließ durch das Landgericht Hamburg die Behauptung untersagen, er sei Mitglied, Beirat oder Vorstand von drei Organisationen auf jener Schautafel gewesen.
Am OLG Hamburg wurde dann dem ZDF außerdem die Behauptung verboten, Bittner habe eine Rede für Gauck geschrieben, über die er dann positiv berichtet habe. Tatsächlich geschrieben hatte die Rede der Direktor des German Marshall Fund of the United States Thomas Kleine-Brockhoff. Mit diesem hatte Bittner zuvor allerdings sehr wohl an einem "offenen Ideenpapier" mitgewirkt – diesen Interessenkonflikt legte die Zeit erst nachträglich offen.
2/2: BGH: Verbotene Äußerungen so gar nicht gefallen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob beide Urteile nun auf und stellte sich auf die Seite der Satire. Das OLG Hamburg habe den angegriffenen Äußerungen schon einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen.
Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts hätten die Kabarettisten dem BGH zufolge die angegriffenen Aussagen gar nicht getätigt, so dass sie auch nicht hätten verboten werden können Bundesgerichtshof, Urt. v. 10.01.2017, Az, VI ZR 561/15, VI ZR 562/15).
Zur Erfassung des Aussagegehalts müsse eine Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist, so der VI. Zivilsenat am Dienstag. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags seien zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden. Bei einem satirischen Fernsehbeitrag komme es darauf an, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt.
Auf dieser Grundlage sieht der Senat in dem Beitrag der Anstalt im Wesentlichen nur die Aussage, es bestünden Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen. Diese Aussage sei, so die Mitteilung aus Karlsruhe knapp, zutreffend.
Schlechte Hamburger Tradition
Das ZDF begrüßte die Entscheidungen des BGH. "Die Urteile unterstreichen den besonderen Stellenwert der Satirefreiheit und sichern den Gestaltungsspielraum, auf den die Satire im öffentlichen Diskurs zwingend angewiesen ist", kommentierte ein Sprecher des Senders gegenber LTO.
Äußerungen und Aussagen hineinzuinterpretieren, die so tatsächlich gar nicht getätigt wurden, hat an den Hamburger Gerichten eine zweifelhafte Tradition. Nicht zufällig suchte sich Erdoğans Rechtsanwalt das LG Hamburg als Gerichtsort für seinen Prozess gegen Satiriker Böhmermann aus.
Der BGH kritisiert seit über einem Jahrzehnt die Kollegen an der Alster für Haarspaltereien und das Ausblenden des Gesamtzusammenhangs, in dem eine Äußerung fällt. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts bewerten eine in Hamburg schematisch zulasten der Pressefreiheit vorgenommene Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als "verfassungsrechtlich bedenkliche Verkürzung" (Urt. v. 09.03.2010, Az. 1 BvR 1891/05).
Klagen namhafter Journalisten gegen Medien, und damit die eigene Branche, sind extrem selten. Zuletzt blamierte sich Helmut Markwort am BGH, der eine Pflicht zur redaktionellen Nachrecherche von Interviews forderte. Insbesondere gegenüber Kabarettisten lassen es allenfalls Kirchenfürsten an Souveränität fehlen – oder neuerdings türkische Präsidenten.
Der Autor Markus Kompa ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Köln. Als Autor publiziert er zu Presserecht, Politik und Geheimdiensten.