28. Juni 2017   Aktuell

Nichts zu danken: Helmut Kohl war nicht nur zufällig korrupt - Erinnernde Anmerkungen von Werner Rügemer

 

 

Lügen, Gedächtnislücken und leere Versprechungen. Der Altkanzler verstand sich als Dienstleister für Konzerne und Investoren: In der Pfalz, Deutschland und Europa. Er diente den USA und sie halfen ihm

In den Würdigungen zum Tod des Alt-Bundeskanzlers taucht „die Spendenaffäre“ routinemäßig als missliches Vergehen Helmut Kohls zum Ende der Amtszeit auf. Die Angelegenheit soll durch die angeblich historischen, ja welthistorischen Verdienste Kohls für die Wiedervereinigung und den Aufbau der Europäischen Union relativiert werden.

Dabei wird mit der “Flick-Affäre” ein wesentlich größerer Skandal ausgeblendet, der schon am Anfang seiner Amtszeit für Wirbel sorgte. Bei näherer Betrachtung zeigt sich: Korruption, Lobbyismus und Klientel-Politik für die Reichen und Mächtigen sind keine Ausrutscher sondern gehören seit ihrer Gründung zum System der CDU.


Unternehmensbespendung der CDU von Anfang an

Kohls letzte „Spenden-Affäre“ war eine Ansammlung harter facts. Sie kamen ans Licht, als Kohl 1998 die Wahl verloren hatte und die Loyalitäten nach vier Regierungsperioden sich auflösten. Über mindestens ein Jahrzehnt hatte der CDU-Vorsitzende und Bundeskanzler, so hatte sich herausgestellt, schwarze Kassen mit Unternehmensspenden gefüllt und mit Zahlungen daraus innerparteiliche Machtkämpfe geregelt. Briefkastenfirmen und Nummernkonten in der Schweiz gehörten zum „System Kohl“. Wegen eines von Kohl behaupteten „Ehrenwortes“, das er den Spendern gegeben habe, nannte er deren Namen nicht. Die CDU musste dafür Strafe zahlen, Kohl blieb straffrei. Mafia auf deutsch-christlich.

Ein Chemie-Lobbyist aus der Pfalz

Doch Spenden, Unternehmens-Spenden für die CDU, legale wie illegale, waren von Beginn an routinemäßige Praxis des Unternehmens-Lobbyisten. Die einzige berufliche Tätigkeit des jungen Politchristen außerhalb des Polit-Business bestand in einer Referenten-Tätigkeit für den Landesverband Rheinland-Pfalz der Chemischen Industrie. Sie dauerte ein Jahrzehnt lang und prägte ihn lebenslang. Konkret bedeutete das: Lobbyismus für die in Kohls pfälzischer Heimat alles dominierende BASF – das größte Chemie-Unternehmen der Welt mit Sitz in Ludwigshafen, in dessen Vorort Oggersheim Kohl wohnte.

Sein Arbeitgeber bezahlte Kohl nicht nur für seine Referententätigkeit, sondern förderte auch seinen gleichzeitigen und aufwendigen Aufstieg in der Landes-CDU. So wurde er 1969 Ministerpräsident und blieb dies bis zu seinem Aufstieg auf die Bundesebene 1976. Im etwas abgeschiedenen Rheinland-Pfalz residierte die Staatspolitische Vereinigung e.V. Dahinter verbarg sich eine Filiale der zentralen Kölner Waschanlage für Unternehmensspenden, die an die Regierungsparteien gingen. Die rheinland-pfälzische Filiale war besonders ergiebig, denn sie hatte besonderen Schutz. Kohls Staatskanzlei hatte die Finanzämter im Griff, die Spenden flossen heimlich, illegal, gezielt und steuerbegünstigt.

Gleichzeitig verband den Ministerpräsidenten Kohl, der in der CDU beharrlich aufstrebte, eine besonders enge Freundschaft mit einem gewissen Herbert Batliner. Der war Ex-Präsident des Staatsgerichtshofes des kleinen Fürstentums Liechtenstein und dessen größter Organisator von Briefkastenfirmen für Steuerhinterzieher und Parteibespender aus der Bundesrepublik. Bei kumpelhaften Bergwanderungen in den fürstlichen Bergen vertieften die beiden Freunde ihre persönlichen und finanziellen Beziehungen, ohne dass die CIA mithören sollte.


Flick: Die viel größere „Spenden-Affäre“

In den jetzigen Würdigungen wurde zwar pflichtgemäß und zugleich großherzig verzeihend auf „die Spenden-Affäre“ hingewiesen, als ob es nur diese eine gegeben hätte. Vergessen wurde ebenso großherzig eine viel größere Spenden-„Affäre“. Sie erschütterte mit Beginn der Kanzlerschaft Kohls ab 1982 das politische Leben der Bundesrepublik. Es war die Flick-„Affäre“. Tatsächlich ist der Begriff verharmlosend: Es ging um knallharte Wirtschaftskriminalität und Kohl erwies sich als unbelehrbarer Wiederholungstäter mit hoher krimineller Energie.

Es stellte sich heraus, dass der Flick-Konzern seinen Verkauf von Daimler-Benz-Aktien an die Deutsche Bank von der Bundesregierung gern als „volkswirtschaftlich förderlich“ eingestuft sehen wollte. Das bedeutete einen Steuervorteil von 986 Millionen DM. Dafür zahlte Flick heimlich und illegal an Mitglieder der Bundesregierung. (am 23.6.2016 geändert:) Das Meiste bekam der Bundestagspräsident Rainer Barzel (CDU), gefolgt von Franz-Josef Strauß (CSU) und Hans-Dietrich Genscher (FDP). Aber auch der CDU-Chef ging nicht leer aus: Helmut Kohl kassierte persönlich 565.000 – peanuts für Flick, viel für Kohl. Die zuständigen Wirtschafts- und Finanzminister Otto Graf Lambsdorff und Hans Friderichs von der FDP bekamen jeweils die Hälfte.

Sich durch Schmiergeld Vorteile erkaufen – seit Gründungskanzler Konrad Adenauer konnten Unternehmer sich solche berechtigten Hoffnungen machen.

Suche

 
 
 

Rosa Luxemburg Stiftung

 

Besucherzähler

Heute5
Gestern11
Woche41
Monat136
Insgesamt88049
 

Anmeldung