13. August 2018   Aktuell

Verschobene Maßstäbe - was gestern böse war ...

Beitrag: Roswitha Engelke

Üble Rhetorik  verschiebt in Trippelschritten das Wertesystem jedes Einzelnen (Harald Welzer)

Quelle:


Im Englischen gibt es dafür den Begriff: shifting base line. Ein Syndrom, das ein Phänomen verzerrter und eingeschränkter Wahrnehmung von Wandel bezeichnet, simpel ausgedrückt: Was wir gestern böse hielten, halten wir heute für gut.

Halten wir Rückschau in die heutige Politk unserer Gesellschaft.

Schlagworte wie

Präventive und innovative Polizeiarbeit, Polizeiaufgabengesetz, Obergrenze, HARTZ-IV-Abzocker, Flüchtlingskrise, "humanitäre" Entwicklungshilfe, Leih- und Zeitarbeit, Auslandseinsätze der BW zur Sicherung unserer Demokratie ...

sind in unser alltägliches Denken eingesickert und kaum jemand ist noch interessiert daran,  was tatsächlich dahintersteckt. Denn Menschen halten immer exakt jenen Zustand ihrer Umwelt für den "richtigen/normalen", der mit ihrer aktuellen Lebensauffassung zusammenfällt. (Welzer)

Ich greife einige Beispiele heraus, die sich in das Denken unserer Gesellschaft als durchaus positiv integriert haben und trotzdem paradox bleiben:

Umweltbewusstes Autofahren

Ist es nicht sehr umweltbewusst, mit Rapsöl Auto zu fahren? Wer denkt dabei an das Abholzen von Regenwäldern und neuerdings an Landgrabbing, um den Anbau von riesigen Rapsfeldern in Entwicklungsländern zu ermöglichen? Wer denkt dabei daran, dass für unser umweltbewusstes Autofahren vielen Bauern Sambias das Ackerland genommen wird und damit die Möglichkeit sich zu ernähren? Sie flüchten, um nicht zu verhungern.

Schon sind wir in der Flüchtlingskrise angelangt. Bleiben wir dabei.

Es kümmert nur noch wenige, dass flüchtende Menschen im Mittelmeer auf Grund von Gesetzen nicht aus Seenot gerettet werden dürfen und ertrinken müssen. Für viele von uns ist das sogar richtig, so bleiben unsere Arbeitsplätze gesichert! Vor Jahren ein unglaubliches Denken.

Wer denkt  an Ressourcenklau, wenn es um Militäreinsätze in Afrika geht? Man will doch nur die Welt von  Diktatoren säubern und die Demokratie in unserem Land sichern. Dass nebenher das Völkerrecht gebrochen wird, ist dabei völlig nebensächlich. Dass Städte in Afrika bombardiert und gesunde Infrastrukturen zerstört werden, Menschen getötet und moralische Grenzen überschritten werden wird von der Masse unserer Politiker befürwortet. Noch vor wenigen Jahren in der Gesellschaft undenkbar. Für die Waffenindustrie allerdings eine wundervolle Entwicklung. -

  

Das Polizeiaufgabengesetz

Bei näherem Hinsehen schützt es nicht, wie durch die Politik behauptet, unsere Demokratie, es schützt uns auch nicht vor Terroristen, es nimmt uns nur die Grundrechte und stellt  einen Anschlag auf unsere Demokratie dar. Wenn aufgrund eines bloßen Verdachtes Menschen auf unbestsimmte Zeit ins Gefängnis gebracht werden können, hat das nichts mehr mit innovativer Polizeiarbeit zu tun.

Jeder Bürger, der seine kontroverse politische Meinung öffentlich macht, kann ohne Prozess als möglicher Terrorist auf unbestimmte Zeit in Gewahrsam genommen werden.

Das erfreut vielleicht einen Innenminister.

Die Leih- und Zeitarbeit / Minijobs

Leih- und Zeitarbeit ist eine einzige Umgehung des Tarifschutzgesetzes. -

Wir erinnern uns? Minijobs waren einst, im selben Umfang wie heute, Schülerjobs oder Jobs für Studenten. - Dass heute ArbeitnehmerInnen damit sich (und evtl. eine Familie) über die "Runden" bringen müssen, ist eine Schande. Aber eine hervorragende Situation für Unternehmer.

Hartz-IV

Wer hat im Zusammenhang mit Arbeitsuchenden in HARTZ IV nicht schon gehört: Diese Sozialschmarotzer ... wenn diese Menschen wüßten, unter welchen Bedingungen HARTZ-IV-Bezieher und ihre Familien leben müssen, sie würden beschämt das Maul halten.

Was sich unter dem Entwurf des 10. Gesetzes zur Änderung des II. Sozialgesetzbuches (SGB II) verbirgt und bei der Bundesregierung unter „10. SGB II-ÄndG – Teilhabechancengesetz“ geführt wird, ist nichts anderes als per Gesetz verordnete Zwangsarbeit für Hartz IV Bedürftige. Was denken wieder viele: Richtig so, Zwangsarbeit muss her ...

 

Wer sorgt dafür, dass wie oben geschrieben in Trippelschritten unser Weltbild verändert wird? Dass, viele mit dem Leid anderer gut zurecht kommen? Zu allererst Lobbyisten. Aus einfachsten kapitalorientierten Gründen beeinflussen sie die Politik. Die schafft (aus den gleichen Gründen?) gefällige Gesetze und beeinflusst überdies die Bürger, indem sie mit Hilfe der Medien alle Maßnahmen, auch die unmenschlichen, für notwendig erklären läßt.

Kann man sich dagegen wehren?

Das ist nicht einfach, denn als Mitglied einer Gesellschaft ist man stets auch Teil einer sich verändernden sozialen Umgebung. Nur eine bewusste, direkte politische Auseinandersetzung ist ein gutes Mittel dagegen, das scheinbar Normalgewordene in den Bereich des Unnormalen zurückzuholen (Welzer) oder anders, nicht zum Mitläufer und damit zum Mitschuldigen zu werden.

 

 

 

 

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