16. November 2018   Aktuell

Das Bundesland Sachsen Vollprofi in Sammelabschiebungen und blind für die Realität in Afghanistan

Beitrag von:

Thomas Nowotny
83071 Stephanskirchen, Deutschland

Trauer und Zorn ...

16. Nov. 2018 — 

In einer symbolische Aktion der Gruppe Protest LEJ legten sich zahlreiche Demonstranten am Flughafen Leipzig/Halle auf den Boden - im Gedenken an die Menschen, die täglich Opfer von bewaffneten Kämpfen und Anschlägen werden.
Die Leipziger Volkszeitung berichtete:
Etwa 200 Menschen protestierten am Dienstagabend gegen eine Sammelabschiebung vom Flughafen Leipzig/Halle nach Afghanistan. Dafür hatten sich die Demonstranten zunächst am Willy-Brandt-Platz vor dem Leipziger Hauptbahnhof zu einer Kundgebung getroffen und seien dann gemeinsam zum Flughafen gefahren, erklärte Mark Gärtner, Sprecher des sächsischen Flüchtlingsrats. Dort stießen weitere Demonstranten hinzu, die aus Halle angereist waren.]

Der Sächsische Flüchtlingsrat hatte im Vorfeld dieser Sammelabschiebung kritisiert, dass es am Abflugsort, dem Flughafen Leipzig/Halle, eine Abschiebungsbeobachtung fehle, die „Grundrechtsverstöße und unrechte Abschiebungen“ verhindern könne (hier die gesamte Stellungnahme mehrerer Organisationen).
Das sächsische Innenministerium wies diese Forderung umgehend zurück: „Sachsen sieht keine Notwendigkeit für eine separate Beobachtungsstelle am Flughafen“, sagte ein Sprecher. Betroffene erhielten auf Wunsch eine seelsorgerische Betreuung.


Dass es juristische Fragen geben könnte, scheint dem sächsischen Innenministerium nicht in den Sinn zu kommen. Und seelsorgerische Betreuung durch die Ev. Landeskirche?
Pro Asyl kritisierte den bevorstehenden Abschiebeflug als „konsequente Weigerung der Verantwortlichen, die Realität in Afghanistan zur Kenntnis zu nehmen“. Mit einer Abschiebung schicke die Bundesregierung Menschen in Lebensgefahr.


Der 18. deutsche Sammelabschiebeflug nach Afghanistan aus Deutschland landete am Mittwochmorgen, 14.11.2018, in Kabul. Das Bundesinnenministerium teilte mit, es seien 42 Abgeschobenen an Bord gewesen.
Damit erhöht sich die Anzahl der nach Afghanistan seit Dezember 2016 aus Deutschland abgeschobenen Afghanen auf 425, alles Männer.
Sprach das BMI anfangs von zehn „Haftfällen“, teilte es später mit, es seien 17 Personen „mit strafrechtlich rechtskräftigen Verurteilungen“ auf dem Flug gewesen. Es hätten sich „Bayern, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Baden-Württemberg, das Saarland, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Hessen beteiligt“, meldet dpa. Das Saarland beteiligte sich erstmals. Berlin und Brandenburg werden Rot-Rot-Grün bzw Rot-Rot regiert.
Nach Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrats saßen mindestens zwölf Afghanen aus Bayern, darunter sieben aus Schwaben, auf dem heute in Kabul angekommenen Abschiebeflieger. Einer davon war, wie der Bayerische Rundfunk berichtete, Aman Mohammadi, der bereits 16 Monate in einem Elektrobetrieb in Aitrang im Ostallgäu gearbeitet hatte, im Ort gut integriert war, sein eigenes Geld verdiente, Steuern zahlte, eine eigene Wohnung und eine Arbeitserlaubnis bis Ende 2019 hatte.
Der schwäbische Handwerkskammer-Präsident Rauch ist empört über diese Praxis. (..) „Es kann nicht sein, dass wir in soziale Arbeit investieren, in Integration, und dann holt man uns diese Menschen aus der Arbeit weg und schiebt sie ab“, so der HWK-Präsident im Interview mit dem BR in Kempten. Rauch fordert eine klare Linie von der Politik und Rechtssicherheit für die Betriebe: „Wenn wir heute Menschen haben, die einen gesicherten Arbeitsplatz haben, die sich nichts zu Schulden kommen lassen, die in Betrieben ein wenig unser Fachkräfteproblem lindern können, dann können wir nicht diese Menschen abschieben oder zurück in ihr Heimatland schicken.“
Mohammadi sei
… derzeit allein in der afghanischen Hauptstadt unterwegs und hat lediglich 50 Euro in der Tasche. Alle Versuche, seine Familie in seinem Heimatort zu erreichen, seien bislang erfolglos gewesen, weil die Familie inzwischen ihr Haus verlassen musste.


Die Süddeutsche Zeitung berichtete von zwei weiteren Fällen, in denen humanitäre Erwägungen offensichtlich über Bord geworfen wurden:
Gefährlich wird es nun indessen für einen weiteren Afghanen, der im Großraum München festgenommen worden war und daraufhin im Abschiebeflieger saß. „Er hat in Afghanistan vier Jahre lang für die US-Armee gearbeitet, ein Bruder von ihm ist deswegen von den Taliban ermordet worden“, teilte der Bayerische Flüchtlingsrat in einer Stellungnahme mit. „Um diesen Menschen muss man sich jetzt wirklich Sorgen machen“, sagte Stephan Dünnwald, einer der Sprecher des Flüchtlingsrats. Nach der Landung in Kabul habe der Afghane seinem bayerischen Unterstützer am Telefon mitgeteilt, er bange nun um sein Leben.
Hart traf es aber auch jenen jungen Mann, der am Dienstag in der Früh im niederbayerischen Vilsbiburg verhaftet worden war. Er hatte als Schüler einer Berufsintegrationsklasse schon erfolgreich ein Praktikum in einem Hotel absolviert. Am kommenden Dienstag sollte er in der Universitätsklinik Regensburg zu einer für ihn dringlich gebotenen Operation erscheinen. „Ohne die“, so sagte Dünnwald, „droht ihm nach Auskunft der Uniklinik Regensburg bald die völlige Taubheit“. Es sei nicht zu erwarten, dass der nun mittellos dastehende Flüchtling in Afghanistan noch die Möglichkeit habe, diese Behandlung durchführen zu lassen. Das Abschieben solcher Menschen sei „herzlos“.
Aus Baden-Württemberg seien zwei Straftäter und ein sogenannter Mitwirkungsverweigerer bei Identitätsfeststellung dabei gewesen, so ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwoch in Stuttgart auf Anfrage. An Bord befanden sich laut Angaben des sächsischen Innenministeriums auch drei Personen, die sich zuvor in Sachsen aufgehalten hatten.

(Danke wie immer an Thomas Ruttig für die gute Zusammenstellung:
https://thruttig.wordpress.com/2018/11/14/deutscher-abschiebeflug-nr-18-mit-ca-40-menschen-in-kabul-eingetroffen/ )

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