01. März 2019   Aktuell

Rechtsfragen zur Anerkennung des Interimspräsidenten in Venenzuela - die Bundesregierung befindet sich völkerrechtlich auf dünnem Eis

Beitrag: Roswitha Engelke

Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zu Rechtsfragen des Interimspräsidenten Guaidó

Heike Hänsel: „Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes zeigt, dass sich die Bundesregierung nicht nur völkerrechtlich auf dünnem Eis bewegt, sondern mit ihrer Anerkennung des selbsternannten Präsidenten Venezuelas, Juan Guaidó, auch gegen bisherige Praxis der deutschen Aussenpolitik verstösst, nur Staaten aber nicht Regierungen anzuerkennen.

Dies ist ein weitreichender, gefährlicher Tabubruch und laut Gutachten auch eine völkerrechtlich fragwürdige Einmischung in innere Angelegenheiten Venezuelas, denn die Bundesregierung positioniert sich in einer strittigen Frage des venezolanischen Verfassungsrechts völlig einseitig.

Auch die weitreichenden US-Sanktionen mit dem Ziel des Regime Change sind nach OAS-Charta (*) verboten.

Die Bundesregierung hat sich mit dieser Anerkennungspolitik zum Komplizen der US-Regime-Change-Politik gemacht und vorschnell jede Möglichkeit verspielt als glaubwürdige Vermittlerin in Venezuela zu einer politischen Lösung beizutragen.“

Zur Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung bzgl. Rechtsfragen Venezuela

 

 

Unter anderem heißt es in der Ausarbeitung, Zitat 1:

"Die Anerkennung des Oppositionspolitikers Guaidó als venezolanischen Interimspräsidenten stellt in gewisser Weise eine Abkehr von der bisherigen Anerkennungspraxis der Bundesrepublik Deutschland dar. Bislang war es jahrelange deutsche Staatspraxis, lediglich Staaten anzuerkennen und keine Regierungen oder Präsidenten."

Zu den Wirtschaftssanktionen, Zitat 2:

"Man kann  nicht einfach ohne Rechtsgrund ausländisches Staatseigentum beschlagnahmen, insbesondere dann nicht, wenn die Wirtschaft des Staates davon abhängt", sagt Ambos. Vedder Ergänzt: "Wenn Sanktionen eingesetzt werden, um einen Regimewechsel zu erreichen, so ist das eine völkerrechtswidrige Intervention."

Völkerrechtliche Anerkennung des Interimspräsidenten im Lichte des venezolanischen Verfassungsrechts, Zitat 3:

... Guaidó stützt sich indes auf die - in Art. 233 Abs. 1 der Verfassung als "Hinderungsgrund" normierte - gerichtlich verfügte Entmachtung / Absetzung (span.: Destitución) des Prsädenten Maduro vom 29. Oktober 2018, in welcher der Oberste Gerichtshof Maduro auf Grundlage von Artikel 233 der Verfassung als abgesetzt erklärte und befand, es bestehe ein "institutionelles Vakuum", ..." Zitatende

Gutachten hier: 190215_WD 2-017-19_Rechtsfragen Venezuela

Problematisch erscheint indes,

1. dass das am 29. Oktober 2018 gegen Präsident Maduro ergangene Urteil durch einen Obersten Gerichtshof (Tribunal Supremo de Justicia de Venenzuela) gefällt wurde, der seit 2017 im Exil tagt.

Die 33 Obersten Richter dieses "Exilgerichtshofes" wurden im Juli 2017 durch die von venezolanischen Oppositionsparteien dominierten Nationalversammlung - deren Präsident Guadió ist - gewählt. Nach Konfrontationen mit der Regierung Maduro flohen die Richter ins Exil, u. a. nach Panama, Chile, Kolumbien und in die USA. Im Oktober 2017 erhielten die exilierten Richter am Sitz der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) in Washington ein Büro.

Dieses Gericht wird von der Regierung Maduros nicht anerkannt und seine Entscheidungen auch nicht umgesetzt.

2. Der Artikel 233 der venezolanischen Verfassung, auf den sich Guaidó bezieht, ist auf Grund der Regierungs- und Verfassungskrise bislang nicht ins Werk gesetzt worden.

Mit dem Verweis auf Art. 233 positioniert sich Deutschland in einer strittigen Frage des venezolanischen Verfassungsrechts und verstößt damit auf den Grundsatz der "Nichteinmischung in die inneren Angelegenheit eines anderen Staates. Das ist völkerrechtlich ebenso fragwürdig wie die vorzeitige Anerkennung eines Opposiotionspolitikers als Interimspräsidenten. ...


Das Vorpreschen von Außenminister Maas, als einer der Ersten, die Guaidó anerkannt haben, zeigt, dass unser ehemaliger Justizminister und jetziger Außenminister  Verfassungen fremder Länder missachtet und sich wenig um das Völkerrecht schert.

Er sollte zurücktreten. (R.Engelke)

News, Quelle: amerika21   Venezuela und Russland verstärken ihre Kooperation

 

(*) OAS, (Menschenrechts)organisation Amerikanischer Staaten
Die vier Grundsätze der OAS sind Demokratie, Menschenrechte, Sicherheit und Entwicklung.
In Artikel 1 der OAS-Charta steht als Ziel der Organisation «an order of peace and justice, to promote their solidarity, to strengthen their collaboration, and to defend their sovereignty, their territorial integrity, and their independence»

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