17. Oktober 2011   Aktuell

Schuldenkrise oder Vermögenskrise?

Von Ulrich Engelke, 16.10.2011

Alle Welt redet über die Schuldenkrise. Sie soll ja jetzt daran schuld sein, dass Staaten zunehmend in die Gefahr der Insolvenz geraten.

Zunächst eine Anmerkung. Es waren im wesentlichen die Ratingagenturen, die den Verbriefungen von Schrottpapieren Topbonitäten verpaßten. Die sich daraus entwickelnde Bankenkrise wurde von den Staaten aufgefangen und führte zu der gegenwärtigen Schuldenkrise.

Doch halt! Schuldenkrise ist nur die halbe Wahrheit.

Mit gleichem Recht könnte man behaupten, wir hätten eine Vermögenskrise. Das wäre dann aber auch nur die halbe Wahrheit. Zusammengenommen stimmt's zu einhundert Prozent. Wie das?

Die Zusammenhänge sind frappierend einfach. Doch alle sogenannten Finanzexperten sind offensichtlich nicht in der Lage, diese zu erkennen. Auf deren Meinung sollte man also tunlichst pfeifen. Offensichtlich gibt es zumindest keine - in der Öffentlichkeit präsente - logisch denkende Fachleute mehr.

Die angesprochenen Zusammenhänge sollen jetzt erklärt werden.

Stellen Sie sich vor, Sie besäßen eine griechische Staatsanleihe. Dann würde diese Staatsanleihe Ihr Geldvermögen (oder einen Teil desselben) darstellen. Der griechische Staat hätte dann allerdings Schulden bei Ihnen. Ihrem Geldvermögen stünde in diesem Fall eine exakt gleich große Verbindlichkeit (Schulden des griechischen Staates) gegenüber. Addiert ergeben Ihr Vermögen und Verbindlichkeit merkwürdigerweise tatsächlich NULL.

Das war einfach. Jetzt betrachten wir ein Geldvermögen, das in Form einer Anlage (Sparbuch) bei der Bank hinterlegt ist. Dies Geld ist an die Bank verliehen und Sie erhalten sogar Zinsen. In diesem Fall hat jetzt die Bank Schulden bei Ihnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Bank Ihr Geld weiter verleiht. Dann hat eben jemand Anderer die Schulden bei Ihnen. Das ändert nichts.

Und wieder ergibt die Summe Ihres Geldvermögens und die Verbindlichkeit der Bank bei Ihnen zusammengenommen die Zahl NULL.

Jetzt sind wir der vollen Wahrheit beträchtlich auf den Pelz gerückt. Merke: Geldvermögen und Schulden bedingen sich immer exakt gegenseitig. Da bleibt kein Cent übrig. Wenn also behauptet wird, die Staatsschulden seien zu groß, dann wissen wir jetzt, dass die Vermögen ebenfalls zu groß sein müssen, denn sie sind das exakte Spiegelbild der Schulden. Geldvermögen werden also immer durch Schulden gegengebucht. Im übrigen wissen Sie jetzt mehr als der übliche Bundestagsabgeordnete und die meisten der sogenannten Finanzexperten.

Und jetzt erkläre mal einer von den sogenannten Finanzexperten, wie man Staatsschulden reduzieren will, ohne die entsprechenden Vermögen zu reduzieren. Na ja, könnte man sagen. Verschieben wir doch jetzt die Schulden einfach auf den Bürger oder die Wirtschaft. Es ist aber zu befürchten, dass weder Bürger noch Wirtschaft über die entsprechende Bonität verfügen. Und wie soll das außerdem praktisch ablaufen? Bei dem Gefasel von Reduzierung von Staatsschulden handelt es sich solange um groben Unfug, solange nicht Geldvermögen und gegeneinander aufgelöst werden.

In dem Zusammenhang sollten wir uns einmal die aktuelle Politik ansehen. Da werden Schuldenbremsen installiert und auf der anderen Seite tut man alles, damit die Geldvermögen weiter wachsen. In Fachkreisen nennt man so etwas die "Quadratur des Kreises". Und mit diesem Unfug präsentieren sich dann vor allen Dingen die Finanzexperten aus der Politik mit stolz geschwellter Brust. Privatisierungen tun ihr übriges, denn daraus entstehen natürlich weitere Geldvermögen und natürlich entsprechende Schulden in der Gegenbuchung. Privatisierungen verschärfen folglich die Probleme. Eigentlich wäre es immer das Beste, wenn alle Einnahmen wieder ausgegeben werden, damit sie wieder zu Einnahmen für den nächsten in der Kette werden. Dann wäre der Geldkreislauf geschlossen. Aber das versteht niemand mehr. Außer Ihnen jetzt, wenn sie soweit gelesen haben.

Zum Schluß dieser hoffentlich auch etwas kurzweiligen Erläuterung bitte ich nur noch eine Überlegung gemeinsam mit mir anzustellen und zwar diese: Schulden lassen sich nur reduzieren, wenn man die entsprechenden Geldvermögen reduziert.

Mit anderen Worten: wir brauchen endlich eine Steuerpolitik, die große Geldvermögen abschöpft. Anderenfalls fliegt uns das Finanzsystem eines Tages "um die Ohren". Kurz davor sind wir schon; es ist eine Minute vor Zwölf. Ich wünsche Ihnen eine Gute Nacht!




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