Piraterie - Briten kapern iranischen Tanker aufgrund von Vermutungen
Beitrag: Roswitha Engelke
Quellen:
Briten glauben eine "moralische Pflicht" zu haben, die an Gesetze nicht gebunden ist. Weht der Jolly Roger in "merry old England" wieder?
Die britische Marine hat in Gibraltar einen Öltanker auf dem Weg nach Syrien wegen des Verdachts illegaler Öllieferungen aus dem Iran an Syrien geentert. Das Schiff fuhr unter der Flagge Panamas. Mithilfe frisch erlassener Sanktionsvorschriften entschied ein Gericht in Gibraltar nun, den Kapitän und den Ersten Offizier festzunehmen und das Schiff bis mindestens 21. Juli festzuhalten. Wohlgemerkt: Unter dem Vorwurf, dass Schiff habe den syrischen Hafen Baniyas im Mittelmeer anlaufen wollen. (Telepolis)
Da keine definitive Rechtsgrundlage vorliegt, die das Festhalten des Öltankers und seiner Besatzung gestatten, handelt es sich hier aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Fall von Piraterie. Oder simpel ausgedrückt, GB zimmert an Gründen, die ein kriegerisches "Eingreifen" gegen den Iran rechtfertigen und ermöglichen sollen. In der Meerenge von Hormus hat Britannien bereits zwei Kriegsschiffe liegen, die angeblich die Sicherheit der internationalen Schifffahrt garantieren sollen.
Die misslungene Skripalintrige gegen Russland scheint von der britischen Regierung vergessen zu sein. Man gibt sich wieder locker und bricht zu neuen Taten auf.
Der Iran bezeichnete das Vorgehen der britischen Behörden als Akt der "Piraterie" und warnte, dies werde "nicht ohne Folgen" bleiben. "Falls die Briten sich von den USA beeinflussen und auf gefährliche Spielchen einlassen wollen, raten wir ihnen, dies lieber nicht zu tun", sagte Irans Außenamtssprecher Abbas Mussawi.
Der Iran bestreitet zudem, dass der Tanker nach Syrien wollte. Der Tanker Grace 1 sei zu groß, um in syrische Häfen einzulaufen. Wohin der Tanker stattdessen fahren sollte, sagte Mussawi nicht. Der Iran sehe sich aber auch nicht an die EU-Sanktionen gegen Syrien gebunden. -
Im Zusammenhang mit der Festsetzung des iranischen Öltankers durch die britische Marine, prüft Spanien die Verletzung seiner Souveränität
Der spanische Außenminister Josep Borrell sagte, die Festsetzung des Tankschiffes sei auf eine Bitte der USA an Großbritannien erfolgt. Spanien prüfe den Fall. Untersucht werde, ob dadurch die Souveränität seines Landes beeinträchtigt worden sei. Gibraltar am Südzipfel Spaniens steht seit 1713 unter britischer Souveränität. Das Gebiet wird aber von Spanien beansprucht, das Land erkennt zudem die Gewässer um Gibraltar nicht als britisch an.
Kürzlich war von einem Vertreter Irans die Klage zu lesen, dass die Sanktionen gegen Ölexporte immer schwieriger zu umgehen seien. Das mag ein Grund dafür sein, dass der Tanker Grace 1 den langen Weg um Afrika herum machte, um nach Syrien zu fahren, wie es AP berichtet. Nach deren Informationen hat der Tanker "wahrscheinlich" 2 Millionen Fass Rohöl geladen, die aus Iran stammen sollen und zu einer Raffinerie in der Umgebung des syrischen Mittelmeerhafen Banyias geliefert werden sollten.
Das sind, wie ersichtlich, eine Menge Annahmen.
Sicher ist bis dato, dass der Tanker, der unter der Flagge Panamas fährt, gestern von britischen Marinesoldaten der Royal Marines, unterstützt von Polizei- und Zollkräften Gibraltars, geentert wurde. Der Tanker sitzt in Gibraltar fest, die iranische Regierung ist empört. Es ist nicht der erste Fall der Beschlagnahme eines iranische Tankers, was Grund zur Annahme gibt, dass es auch bei der Grace 1 zu Verzögerungen kommt wie bei der Happiness 1, die in Saudi-Arabien festsitzt und nicht herausgegeben wird.
Iran: "Das ist Piraterie"
Die erste diplomatische Reaktion aus Iran war die Einbestellung des britischen Botschafters, dem laut der iranischen Nachrichtenagentur IRNA erklärt wurde, dass man die Aktion der britischen Royal Marines als illegal einstuft und auf Herausgabe des Tankers drängt. Die Rede ist von Piraterie.
Die zweite Reaktion fand außerhalb der diplomatischen Kanäle statt. Mohsen Rezaei, ein General in führender Stellung bei den Revolutionsgarden (IRGC) und Mitglied des iranischen Schlichtungsrates, drohte mit einer Vergeltungsaktion: "Wenn Großbritannien den iranischen Öltanker nicht freigibt, dann ist es Pflicht der iranischen Behörden ihrerseits eine erwidernde Aktion durchzuführen und einen britischen Öltanker zu beschlagnahmen."
Wie immer ist bei Übersetzungen aus dem Farsi Vorsicht geboten; die Drohung, seinerseits einen britischen Öltanker zu beschlagnahmen, wird aber in dieser Form vom englischsprachigen Medium Press TV übermittelt, das von der iranischen Regierung finanziert wird.
Herkunft und Bestimmungsort
Der Bericht der iranischen Nachrichtenagentur erwähnt am Ende mit Bezug auf Aussagen spanischer Behörden, dass der Tanker iranisches Öl geladen habe und auf Anweisung der USA geentert und beschlagnahmt worden sei. Ein Dementi, dass es sich nicht um iranisches Öl handelt, ist dem nicht angefügt. Nach Reuters ist diese Frage auch gelöst. Dort zitiert man den Sprecher des iranischen Außenministers Abbas Mousawi mit der Aussage, dass das Rohöl aus Iran stamme.
Anscheinend will man dort aber der Aussage nicht völlig trauen. Denn man fügt dem bei, dass das Öl laut Schiffsdokumenten aus dem benachbarten Irak stamme, aber "Tracking Daten", die von der Nachrichtenagentur eingesehen wurden, nahelegen würden, dass das Öl an einem iranischen Hafen geladen wurde.
Die Behörden in Gibraltar wollten laut AP die Herkunft der Ladung nicht bestätigen. Die Nachrichtenagentur verweist auf die Publikation Lloyd's List, die diese Woche bereits berichtet habe, dass der Tanker mit iranischem Öl beladen war. Im AP-Bericht ist auch zu erfahren, dass der Tanker laut einer UN-Liste der Grace Tankers Ltd gehört, die in Singapur sitzt. Angeblich wurde die Besatzung zu Herkunft und Ziel der Ladung befragt.
Die Herkunft des Öls wie auch die Behauptung, dass der Bestimmungshafen in Syrien liege - wie sie der Chief Minister von Gibraltar äußerte: "Wir haben Grund zur Annahme, dass Grace 1 das Öl nach Banyias liefern wollte" - , sind nicht die einzigen schwierigen Punkte.
Streit über rechtliche Grundlagen
Iran bringt vor, dass sich der Tanker in internationalen Gewässern bewegt habe, weswegen Großbritannien kein Recht gehabt habe, außerhalb seines Hoheitsgebietes "einseitige EU-Sanktionen" gegen andere Länder durchzusetzen. Man habe Dokumente vorgelegt, die beweisen, dass der Tanker eine legale Route befuhr.
Dazu kommt der Streit zwischen Spanien und Großbritannien über Gibraltar, der sich auch in diesem Fall zeigt. Während Quellen aus dem britischen Verteidigungsministerium nämlich laut Guardian - wenig glaubhaft - behaupten, dass die britischen Marinesoldaten unter den Orders der Polizeibehörden in Gibraltar agiert hätten und die Spezialkräfte nur technische Expertise zum Möver des Enterns (über Hubschrauber) gegeben hätten, machte der spanische Außenminister Joseph Borrell öffentlich deutlich, dass der Tanker aufgrund einer Bitte der USA beschlagnahmt wurde.
Das britische Außenministerium machte geltend, dass es eine legale und moralische Pflicht habe, um jedes Schiff, das nach Syrien fährt und gegen die EU-Sanktionen verstößt, sicherzustellen. Vom Schiff gesendete Signale, die anzeigten, dass es sich in Gewässern von Gibraltar befindet, hätten dann die Möglichkeit zur Beschlagnahme gegeben.
Vorgeschichte
Die Royal Marines ("Piraten" nach Lesart russischer Medien) hatten Tanker-Aktionen im Juni geübt. Der lange Weg der Grace 1, die den Suezkanal vermied, legt nahe, dass die Operation nicht spontan erfolgte, sondern vorbereitet war.
Zur Vorgeschichte gehört auch, dass die syrische Raffinerien in Baniyas in der jüngsten Vergangenheit mit "mysteriösen Explosionen" an Pipelines konfrontiert waren, just einen Tag, bevor sich ein mit iranischem Öl beladenes Schiff näherte.
Gestern wurde die Aussage des iranischen Geheimdienstministers übermittelt, wonach Gespräche zwischen Iran und den USA vielleicht möglich wären, aber nur, wenn die USA die Sanktionen zuerst wieder aufheben, aber niemals "unter Druck". (Thomas Pany)