29. Dezember 2019   Aktuell

Proteste weltweit gegen soziale Ungleichheit und rechte Politik

 

 

In Italien formiert sich der Protest gegen den Rechtspopulisten und früheren Innenminister Matteo Salvini.

Seit Wochen bringt die sogenannte Sardinen-Bewegung Tausende in verschiedenen Orten des Landes auf die Straße. 40.000 waren es nach Veranstalter-Angaben am Samstag in Florenz. Am gestrigen Sonntag versammelten sich trotz strömenden Regens 30.000 Menschen auf dem Mailänder Domplatz. Und wie schon in den vergangenen beiden Wochen in Bologna, wo die Sardinen von einem Tag auf den anderen aufgetaucht waren, dann in Modena, Palermo, Reggio Emilia, Rimini, Parma, Florenz, kamen die Menschen mit bunten Fischen aus Pappkarton. Schulter an Schulter sangen sie das Partisanenlied "Bella Ciao". Sie lasen aus dem italienischen Grundgesetz und plädierten für eine Politik des Anstandes, ohne Hetze, ohne Ausgrenzung.

 

 

Proteste in Chile


 

Sicherheitskräfte sollen vergewaltigt, gefoltert und getötet haben: In einem Bericht über Proteste gegen Chiles Regierung wirft die UNO  der Armee und der Polizei Menschenrechtsverletzungen vor. Und die Auseinandersetzungen gehen weiter.

Stand: 29.12.2019 10:27 Uhr

Chile steht 2020 vor einem historischen Umbruch: Das Land schreibt seine Verfassung neu. Das neoliberale System könnte abgeschafft werden. Wie bewerten Beobachter den Prozess?

Von Marie-Kristin Boese, SWR

Mitte Dezember, Santiago de Chile. Tausende Demonstranten stimmen "El pueblo unido" an - "das Volk vereint". Das Lied war einst Hymne des Widerstands gegen die Pinochet-Diktatur. Gut 30 Jahre später geht es wieder um etwas Großes: Die Demonstranten wollen den langen Schatten der Diktatur loswerden und die Verfassung aus Pinochet-Zeiten neu schreiben. 2020 könnte für das südamerikanische Land ein Jahr des Umbruchs werden: Weg vom neoliberalen System, hin zu etwas Neuem, womöglich mit Signalwirkung für die gesamte Region.

Die Proteste wurden durch höhere Ticketpreise ausgelöst. Die Konflikte schwelten aber schon länger.

Chiles Proteste entzündete sich am Anstieg der Metro-Preise. Das ist nur scheinbar eine Kleinigkeit, es geht um Grundsätzliches: Viele Chilenen brauchen den Nahverkehr, um überhaupt zur Arbeit zu kommen, wo sie gerade mal den Mindestlohn von etwa 450 Euro verdienen.

Der Protest richtete sich bald gegen das neoliberale System im Ganzen, gegen das Mantra von "mehr Markt und weniger Staat".

Die extreme Kluft zwischen Arm und Reich bringt in Chile Menschen aller Altersgruppen auf die Barrikaden. Im Nachbarland Argentinien herrscht angespannte Ruhe vor dem Sturm. Am Sonntag ist Wahltag und es wird abgerechnet.

Seit Freitag vergangener Woche herrscht in Chile Ausnahmezustand. Auslöser der Proteste war eine relativ moderate Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr. Aber inzwischen geht es um viel mehr, wie die Studentin Natalia Cevedo erklärt:

„Die Proteste gehen weiter, denn auch wenn die Erhöhungen der Ticketpreise zurückgenommen wurde, hier geht es um all die Themen, die wir seit langem reklamieren: die hohen Studiengebühren, der schlechte und ungleiche Zugang zu Bildung und Gesundheit, die niedrigen Renten und Pensionen. 

Bildung, Gesundheit, Rente – alles privatisiert

Präsident Sebastián Piñeras sprach anfangs von „Krieg“ und schickte das Militär auf die Straße. Dann machte er plötzlich Zugeständnisse und versprach in einer Panikreaktion eine 20-preozentige Erhöhung des Mindestlohns und der Rente. Eine devote Entschuldigung an alle Chileninnen und Chilenen folgte.

Aber es ist wohl zu spät. Die Proteste reißen nicht ab und werden von einem breiten Bündnis in der Bevölkerung getragen. In keinem anderen OECD-Land ist die Kluft zwischen arm und reich derart extrem. Das will vor allem die junge Generation nicht mehr hinnehmen. Die hat im Gegensatz zu den Älteren keine Angst – sie kennen die Militärdiktatur nur noch aus Erzählungen. 

 

 

 

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