22. März 2020   Aktuell

4. November 1989: Die gescheiterte Revolution

Quelle: Telepolis, 05.11.2019

 

Was wäre gewesen, wenn die DDR-Opposition gesiegt hätte?

Es ist natürlich immer problematisch, wenn man Ereignisse danach befragt, was gewesen wäre, wenn an einem bestimmten Datum die gesellschaftliche Entwicklung anders verlaufen wäre. Doch der 4. November 1989 ist so ein Datum, an dem wir diese Frage stellen.

Vor 30 Jahren, es war ein Samstag, protestierte ca. eine halbe Million Menschen in Ostberlin für eine sozialistische DDR.

Der schönste Tag der DDR

An diesem Tag war die DDR-Opposition auf der Straße. Es waren die Menschen, die gegen die autoritäre SED-Herrschaft die Prinzipien einforderten, die die DDR propagandistisch vor sich hertrug.

Die Menschen forderten eine antifaschistische, sozialistische und ökologische DDR. Nicht nur für Jens Reich war der 4. November 1989 der "schönste Tag der DDR".

Hätte die DDR-Oppositionsbewegung gesiegt, dann wäre vielleicht der 4. November heute Feiertag.

Auf jeden Fall wäre er ein besonderer Erinnerungstag. Doch das ist nicht der Fall. Lediglich zum 30ten Jahrestag gab es einige künstlerische Aktivitäten. Dass der 9. November und der 3. Oktober die zentralen Daten des DDR-Umbruchs wurden, ist ein Zeichen für die Niederlage der DDR-Opposition.

Das ganze staatsoffizielle Gerede von der friedlichen Revolution soll davon ablenken.

Doch tatsächlich wurde die soziale Bewegung der DDR-Opposition gekapert vom BRD-Parteien- und vom westdeutschen Staatsapparat. Deshalb kam es zur Wiedervereinigung, dem Anschluss der DDR an die BRD. Der 3. Oktober ist die zynische Feier des Sieges über die DDR-Opposition. Man kann es auch so ausdrücken: Mit dem 3. Oktober war der Sieg der Konterrevolution perfekt, besiegt war die DDR-Opposition, für die der 4. November ein Höhepunkt ihrer Arbeit der Wochen und Monate davor gewesen ist.

Denn schon vorher zeichnete sich ab, dass es mit der autoritären DDR-Herrschaft nicht mehr weitergeht. Bis in die kleinsten Orte hatten sich Oppositionsgruppen gegründet und sie machten Pläne für die Lösung ganz vieler Probleme, die sich in der DDR angesammelt hatten, die aber auch für die BRD aktuell waren. Hierin liegt auch der Grund, warum auf den "schönsten Tag der DDR" der konterrevolutionäre Gegenschlag folgte. Denn ein Erfolg der linken DDR-Opposition hätte auch die Verhältnisse in der BRD angetastet.

Vielleicht wären auch dort Menschen neugierig geworden, was die Geheimdienste "West" so an Daten sammeln und hätten auch mal kollektiv die Akten durchgesehen? Vielleicht hätten dort auch mehr Menschen Lust auf einen Sozialismus von unten bekommen?

SED-Nomenklatura und Westparteien gegen die DDR-Opposition

Das durfte nicht sein und so setzte die Revanche ein. Ein ganz wichtiges Datum dafür war der 9. November, der Tag der Maueröffnung. Das klingt im ersten Moment paradox. Doch das liegt nur daran, weil dieses Datum staatsoffiziell zum Befreiungsakt hochstilisiert wurde und noch immer wird.

Selbst im wöchentlichen Fragebogen in der linksliberalen Wochenzeitung Freitag lautet eine Frage: "Haben Sie geweint, als die Mauer fiel?" Nicht wenige DDR-Oppositionelle könnten diese Frage bejahen. Doch die Tränen galten nicht der Wiederauferstehung Deutschlands, sondern dem Ende des Traums von einer linken DDR. Denn fast allen war klar, dass mit der Maueröffnung das Ende der DDR kommen wird und dass all die vielen Konzepte für eine andere DDR, die in den Wochen davor ausgearbeitet worden waren, obsolet geworden sind.

So hat nicht zum ersten Mal ein Teil der DDR-Nomenklatura den BRD-Eliten in die Hände gespielt bei der Verhinderung einer sozialistischen DDR. Ob es ein bewusstes Zusammenspiel gegeben hat, oder ob die plan- und konzeptlose Grenzöffnung vom 9. November 1989 nur objektiv den BRD-Eliten in die Hände spielte, mag geklärt werden, wenn auch diese Akten mal allen zugänglich sind. Tatsächlich aber gab diese Art der Maueröffnung den BRD-Organen die Möglichkeit, sich in die DDR, einen damals noch souveränen Staat, einzumischen und der DDR-Opposition die Grenzen aufzuzeigen.

Diese konnte nur machtlos mit ansehen, wie ein Beschluss des Runden Tisches ignoriert wurde, der den Westparteien Wahlkampf in der DDR verboten hat. Stattdessen bastelte die Union an ihrer Allianz für Deutschland. Das war nicht nur dem Namenskürzel nach eine Blaupause für die AfD. Mit der Deutschen Sozialen Union war eine nach rechts weit offene Partei Teil des Bündnisses.

Das passte ganz zum Konzept der BRD-Eliten. Mit einer Mischung aus Nationalismus und Angst vor dem wirtschaftlichen Chaos wurde das Klima geschaffen, das einem Großteil der DDR-Bevölkerung suggerierte, eine Wiedervereinigung sei der einzige Ausweg. Denn es ist ein Mythos, wenn heute behauptet wird, es hätte in der DDR-Bevölkerung immer schon den großen Wunsch nach Wiedervereinigung gegeben und nur einige weltfremde Oppositionelle wollten eine linke DDR behalten.

Es gibt viele Umfragen, die noch im September und Oktober 1989 große Mehrheiten für eine eigenständige DDR ergaben. Erst nach der Maueröffnung kippte diese Stimmung.

Damals bediente man sich des Deutschnationalismus und die Allianz für Deutschland sorgte dafür, dass die Aufmärsche ab November 1989 wie frühe Vorgänger von Pegida aussahen.

Feindbilder waren Migranten und Linke, wobei die Menschen gemeint waren, die am 4. November auf die Straße gegangen sind.

Zwischen Euphorie und Angst

Die Journalistin Jutta Voigt hatte damals beschrieben, wie sich die Straße veränderte. Sie war 1989 als Besucherin des Dokfestivals in Leipzig und beschrieb, was sie erlebte. 30 Jahre später wird der Text in der Wochenzeitung Freitag erneut veröffentlicht.

Ich bin in Leipzig, der Stadt der friedlichen Revolution, deren Ruf "Wir sind das Volk" innerhalb weniger Wochen legendär wurde, international. Hier sind am mutigsten Reformen gefordert worden, Demokratie, Abschaffung des stalinistisch geprägten Sozialismus, eine bessere DDR. Ausländische Filmemacher sind angereist voller Bewunderung. Zwei Tage nach Beginn des internationalen Festivals hatte ein Trupp junger Männer vor dem Capitol gestanden und "Ausländer raus" gebrüllt. Das kommt vielleicht in den besten Demokratien vor, für mich war es ein Schock.

Jutta Voigt, Wochenzeitung Freitag

Dann beschreibt sie, wie sich die Szenen auf der Straße veränderten:

Auch die Montagsdemo war anders. Jeder Redner, der nur im Ansatz eine links von der Mitte liegende Meinung formulieren wollte, wurde vom Podium gepfiffen, der von der "Böhlener Plattform" ebenso wie der aus Heidelberg, der zu bedenken gab, dass eine Wiedervereinigung Schattenseiten haben könnte. Die Stimmung war deutschnational. Schwarz-rot-goldene Fahnen mit Vereinigungsparolen, schwarz-rot-goldene Regenschirme mit dem schwarzen Wort "Deutschland". Applaus für den Redner, der den "Karl-Marx-Platz, früher Augustusplatz", in "Platz der Freiheit" umbenennen wollte, und für jenen, der den Friedensnobelpreis für Leipzig forderte. (...) "Demonstration bis zur Einheit der Nation" stand auf Transparenten, und: "Auf Wiedersehen, Ihr Roten Brüder, niemals wählen wir Euch wieder." Forderungen nach Umweltschutz oder Losungen gegen Neonazis waren in den Hintergrund geraten. Die Wirklichkeit auf der Straße hatte die Leinwand lange überholt. Das Material, das eben noch als aktuell galt, war schon historisch.

Jutta Voigt, Wochenzeitung Freitag

Die Journalistin beschreibt hier ähnliche Szenen, wie sie auch von jungen Antifaschisten in der Oppositionszeitschrift telegraph veröffentlicht wurden. Dort heißt es Ende November 1989:

Aber es ist nicht mehr die gewohnte Leipziger Demo: überall Deutschlandfahnen, Transparente wie "Wiedervereinigung jetzt", "Weizsäcker - Präsident aller Deutschen", "Einigkeit und Recht und Freiheit". Während der Ansprachen verdichtet sich das Gefühl, unter die REPs geraten zu sein. Auf die wenigen klaren Absagen an die Wiedervereinigung (SDP Vereinigte Linke) ein Mensch aus Heidelberg)(!) folgen Pfiffe und der Schlachtruf "Deutschland einig Vaterland" in Fußballstadionmanier. Selbst als ein Redner notwendige gute Nachbarschaft mit unseren polnischen und tschechischen Freunden fordert, wird er ausgepfiffen - diese Ausländerfeindlichkeit bekam Nahrung durch staatliche Stimmungsmache in der DDR in den letzten Tagen.. Nur vereinzelt andere Plakate: "Gegen Aufkauf der DDR durch die BRD- kein viertes Reich".

Aus der DDR-Oppositions-Zeitschrift telegraph, Nr.9/89, vom 29. November 1989

Gemeinsam mit SED-Dissidenten

Jutta Voigt beschreibt, wie ein Teil der Festivalbesucher auf den rechten Turn bei den Demos reagierte:

Etliche der Festivalteilnehmer hatten die Demonstration erlebt. Irritiert versammelten sie sich zwei Tage später vor dem Kino, um gemeinsam zu einer Kundgebung zu gehen, zu der die SED aufgerufen hatte. "Vaterland ist abgebrannt, wir wollen unser eigenes Land", stand auf einem langen weißen Tuch. "Volksverräter", schrien drei Männer vom Straßenrand. Die Veranstaltung auf dem Dimitroffplatz war ein Trauerspiel anderer Art. Das Defizit an wirklich neuem Denken manifestierte sich in einer Sprache, die so festgefahren ist, dass sie den Weg zu den Leuten nicht mehr schafft. "Zwischen Euphorie und Angst bin ich", bemerkte jemand, der im Festivaltreff vor mir in der Buffet-Schlange stand, "zwischen Euphorie und Angst".

Jutta Voigt, Wochenzeitung Freitag

Der Riss in der SED

Hier wird deutlich, warum die BRD-Eliten auf den 4. November mit Nationalismus und Wiedervereinigungsrhetorik reagierten. Am 4. November zeigte sich, dass es auch in der SED einen Riss gab. An diesen Tag demonstrierten auch viele Basismitglieder der SED, ja sogar Teile des Mittelbaus. Auch dort hatte es eine Bewegung von Kommunisten und Sozialisten gegeben, die mit dem stalinistischen Erbe aufräumen wollten.

Das wäre sicher ein schmerzhafter und schwerer Kampf geworden. Aber es zeigte sich nicht nur am 4. November. Selbst unter der stalinistischen Überformung gab es noch den Restbestand einer Utopie, wie sie in der Internationale formuliert ist. Das lag sicher auch daran, weil in der DDR der Stalinismus sich nie so flächendeckend durchsetzte wie in der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten.

Vor allem die Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, die nach 1945 beim Aufbau des Sozialismus in der DDR entschieden, hatten diese Utopie nicht ganz vergessen und auch ihre Söhne und Töchter weitergegeben.

Basisdemokratie in Aktion

Der Filmemacher Thomas Heise ist ein solcher Nachkomme. Er kommt aus einer Familie, für die der Antifaschismus auch in der DDR maßgeblich war. Sie rieben sich immer wieder an der autoritären Parteistruktur der SED, eine Flucht in die BRD war aber für sie kein Thema. In seinem jüngsten Film Heimat ist ein Raum auf Zeit bringt Heise in der Länge von über 3 Stunden die unabgegoltenen Utopien der DDR zur Sprache.

Es ist ein Film, in dem es eben nicht um die DDR-Dauerbrenner Stasi und Mauer geht. Hier sieht man Menschen, die täglich an den Zuständen in der DDR leiden, gerade, weil sie sie erhalten wollen. So könnte man sagen, Thomas Heise hat hier auch einen Film produziert, der den Protagonisten des 4. November Gerechtigkeit wiederfahren lässt.

Bereits vor 10 Jahren zeigte Heise in seinem Film "Material" in einer Episode, wie die SED-Basis auf dem Parteitag im Dezember 1989 den Aufstand gegen die stalinistischen Strukturen wagt. Wir sehen aufgewühlte Delegierte, teilweise sehr alt, die nicht fassen können, was aus dem Traum von einer Sache, für die sie gelebt und gelitten haben, geworden ist.

Wir sehen auch eine Basisdemokratie in Aktion, wenn die SED-Basis an dem kalten Dezembertag 1989 vor dem Parteitagsgebäude Rechenschaft fordert. Die lange unnahbare Führung musste vor den Türen Rede und Antwort stehen. Hier hätte sich eine Kooperation zwischen linken DDR-Oppositionellen und kritischer SED-Basis entwickeln können. Das war eine Tendenz des 4. November, die die BRD-Eliten nun verhindern wollte.

Daher wurden die Oppositionsdemonstrationen immer mehr zum Spießrutenlaufen für die "Wandlitzkinder", wie von rechter Seite die linken DDR-Oppositionellen gescholten wurden, die oft Kinder und Enkel von SED-Funktionären waren. Auch ihnen lässt Heises neuester Film Gerechtigkeit widerfahren. Er ist einer der wenigen, der Brechts Mahnung An die Nachgeborenen künstlerisch umsetzt:

Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit
Der ihr entronnen seid.

Bert Brecht, An die Nachgeborenen

Zweierlei Gedenken

Einen Höhepunkt im Film "Heimat ist ein Raum auf Zeit" markieren 20 Minuten, in denen Deportationslisten Wiener Jüdinnen und Juden gezeigt werden, die in die NS-Vernichtungslager geschickt werden sollten. Darunter sind einige seiner Vorfahren. Die Überlebenden gehörten zu denen, die in der SED eine neue Gesellschaft aufbauen wollten.

Hätte sich die DDR-Opposition durchgesetzt, dann wäre der 4. November ein wichtiger Gedenktag geworden. Es war auch der Tag, als vor 101 Jahren die Novemberrevolution eigentlich begann. An diesem Tag strömten die in Rostock und Lübeck erfolgreichen Matrosen in andere Teile Deutschlands, um den Aufstand zu verbreiten. Als er am 9. November Berlin erreichte, hatten in vielen anderen Städten bereits Arbeiter- und Soldatenräte die Macht übernommen.

Dann wäre der 4. November die Fortsetzung dieser Bewegung geworden. Denn es gibt eine Verbindung zwischen den Räteaufstand 1918 und der Gründung der DDR. Gebrochen zwar und deformiert durch die stalinistische Konterrevolution versuchte die DDR das umzusetzen, was sich der linke Flügel der Räte 1918 schon auf die Fahnen geschrieben hatte. Auch er sah sein Ziel nicht in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung, sondern in einer Räterepublik.

Am 9. November 1918 wurden von der SPD, die mit den gerade gestürzten alten Gewalten kooperierte, die Weichen für die blutige Unterdrückung der Rätebewegung gestellt. Tausende Ermordete im Frühjahr und Sommer 1919 in verschiedenen Teilen Deutschlands sicherten die alten Eigentumsverhältnisse ab. Die DDR war mit dem Anspruch angetreten, die unerfüllten Forderungen der Räte doch noch umzusetzen.

Wenn die DDR-Opposition gesiegt hätte, wäre mit dem 4. November auch der passende Gedenktag datiert: der Tag, an dem 1918 die Revolution sich ausbreitete. Der 9. November ist somit ein Tag der doppelten Niederlage geworden. 1918 kamen an diesem Tag die Kräfte an die Macht, die bald gegen die Revolution blutig vorgehen sollten. Und 1989 war es der Tag, als die DDR-Opposition ausgebremst wurde. Stattdessen kam die friedliche Revolution, d.h. die Übergabe der DDR an die BRD ohne nennenswerten Widerstand.

Auch eine Niederlage der Westlinken

Nicht nur die linke DDR-Opposition auch die Westlinke erlitt 1989 eine Niederlage, von der sie sich bis heute nicht erholt hat. War sie 1989 weitgehend Zaungast der Ereignisse, wurde sie später mit wenigen Ausnahmen zu der Kraft, die die Wiedervereinigung nun noch besonders abfeiert und völlig unkritisch die offizielle Sprachregelung von der friedlichen Revolution benutzt.

So kehrte 1989 mancher ehemalige Linker "heim ins deutsche Reich", wollte die schon tote DDR noch einmal beerdigen und hatte bald auch kein Problem mehr, dass deutsche Soldaten wieder überall in der Welt mitmischen. Und immer, wenn staatliche Gedenktage ins Haus stehen, streuen sich Ex-Linke Asche aufs Haupt und lamentieren, die Linke hätte 1989 nicht noch lauter für die Wiedervereinigung getrommelt. Stefan Reinecke ist in der Taz mit seinen Kommentar Geistiges Kleingärtnertum" aktuell nur der lauteste Trommler.

Die westdeutsche Linke versagte komplett: moralisch, analytisch und politisch. Moralisch gab es keine Rechtfertigung dafür, dem DDR-Volk, das sich gerade befreit hatte, vorzuschreiben, in welchem Staat es zu leben hatte. Warum sollte Selbstbestimmung in Tibet und der Westsahara gelten, aber nicht zwischen Rostock und Görlitz? Zudem hatte die DDR laut Grundgesetz-Artikel 23 misslicherweise das Recht, der Bundesrepublik beizutreten.

Stefan Reinecke, Taz

Allein, dass sich Reinecke auf den revanchistischen Grundgesetz-Artikel 23 beruft, den viele Linke vor 1989 mit Recht bekämpften, zeigt, dass hier kritisiert wird, dass die Linke nicht schon vor mehr als 30 Jahren die nationale Karte gezogen hat.

Das politische Versagen der Linken im Westen

Reinecke wiederholt hier nur, was die FAZ, Bild und Co. schon immer behaupteten:

Nach dem 9. November zeigte sich das geistige Kleingärtnertum der politischen Linken. Sie war fasziniert von Revolten gegen Autokraten - in dem Moment, in dem eine Revolution vor ihrer Haustür passierte, war sie schnell irgendwie beleidigt. Eine Epoche ging zu Ende. Die radikale Linke nahm übel, weil die Ossis genau das wollten, was sie ablehnte: Parlamentarismus und Kapitalismus.

Stefan Reinecke, Taz

Das Gerede von den Ossis, die eigentlich den Kapitalismus wollten, unterschlägt eben, wie sie nach dem 4. November durch die Allianz für Deutschland auf die nationale Linie gebracht werden mussten. Rechte aller Couleur waren Bündnispartner.

Ja, ein großer Teil der Linken in der BRD hat 1989 moralisch versagt, aber ganz anders, als Reinecke denkt.

Sie hat versagt, weil sie die linke DDR-Opposition nach dem 4. November nicht stärker unterstützte. Sie hat versagt, weil sie nicht einmal versuchte, die Staatsapparate der BRD daran zu hindern, sich in der DDR breit zu machen. Wo waren die Demonstrationen und Blockaden, als die BRD-Parteien gegen den Entschluss des Runden Tisches die DDR mit ihrer Propaganda überschwemmten?

Wo blieben die Versuche, die Ideen des 4. November auch in der BRD zu verbreiten? Warum wurden nicht auch dort die Verfassungsschutzämter und andere Organe der Datensammlung belagert? Hier liegt das politische Versagen der BRD-Linken. Sie gehört zu den Verlieren. Der Aufstieg der Rechten ist nur die logische Folge der gescheiterten Revolution vor 30 Jahren.

Die Frage, was wäre aus der BRD geworden wäre, wenn die DDR-Opposition gesiegt hätte, ist nicht minder interessant.

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