Rassismus innerhalb staatlicher Strukturen
Es ist ein wirklich seltener Vorgang, der nicht weniger als die Integrität des Rechtsstaats in Frage stellt: Zwei Staatsanwälte der Staatsschutz-Abteilung, die in der andauernden extrem rechten Anschlagsserie von Berlin-Neukölln ermitteln, sind wegen des Verdachts auf Befangenheit versetzt worden.
Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen in der über 70 Anschläge umfassenden und seit 2016 andauernden Anschlagsserie und rollt diese noch einmal komplett neu auf. Ein Staatsanwalt habe sich in einer Vernehmung eines der Hauptverdächtigen als AfD-nah geoutet.
Der Verdacht ist ungeheuerlich und erklärt rückblickend doch so einiges, wenn er sich bewahrheiten sollte: halbherzige Ermittlungen gegen die örtlich bekannten tatverdächtigen Neonazis, ewig dauernde Auswertungen von unverschlüsselten Festplatten, nicht gewarnte Opfer, obwohl die Behörden Hinweise auf die Planung von Anschlägen hatten, Treffen von LKA-Beamten mit Neonazis in einer rechten Szenekneipe in Neukölln und erwiesene Verbindungen zu einem Neuköllner Polizisten. Und dann haben wir noch nicht einmal über die unaufgeklärte Ermordung von Burak Bektaş in Neukölln im Jahr 2012 geredet, wo es ebenso Hinweise auf eine rechte Tat gibt.
All diese Fälle sowie zahlreiche Hinweise auf institutionellen Rassismus innerhalb von Behörden belegen immer wieder die Notwendigkeit der Black-Lives-Matter-Proteste der vergangenen Monate.
Es braucht endlich unabhängige Ermittlungsinstanzen, die Rassismus innerhalb staatlicher Strukturen unabhängig untersuchen können.
Denn auf eigene Faust schafft es die Exekutive nicht und in Neukölln offenbar nicht einmal die Judikative, strukturellen Rassismus in den Griff zu bekommen.
Auch in Neukölln hat erst die Fachaufsichtsbeschwerde einer Opfer-Anwältin dazu geführt, dass die mutmaßliche AfD-Nähe des leitenden Staatsanwalts bekannt geworden ist.
Bekannt ist der Mann in der linken Szene schon länger. Und wenn sich die Vorwürfe erhärten sollten, ist es auch mit einer Versetzung nicht getan. (*) Quelle: TAZ
(* Anmerkung der Administratorin: Der Mann ist nicht "in" der linken Szene länger bekannt, sondern der linken Szene länger bekannt, das ist ein Unterschied!)
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Eine Anwältin ist in Akten auf eine brisante Aussage gestoßen, die Generalstaatsanwaltschaft zieht alle Ermittlungsverfahren zu einer rechtsextremen Anschlagserie in Berlin-Neukölln an sich. Lief in der Berliner Justiz jahrelang etwas schief? Es soll nahe liegen, dass dieStaatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft einem Beschuldigten in dem Neukölln-Verfahren signalisierte, er habe nichts zu befürchten, der Staatsanwalt stehe auf seiner Seite. Das wurde LTO aus Kreisen der Justiz bestätigt. ... (Quelle: Legal Tribune Online) von Dr. Markus Sehl
Generalstaatsanwaltschaft übernimmt in Neukölln
Nach Jahren blockierter Aufklärung könnte nun Bewegung in den Komplex kommen. Die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers hatte am Mittwoch bekanntgegeben, sämtliche Ermittlungsverfahren zu übernehmen, in denen es um Straftaten gegen Menschen gehe, die sich in Berlin-Neukölln gegen Rechtsextremismus engagierten. Grund ist der Verdacht, dass zwei Staatsanwälte, die beide für die Ermittlungen der rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln zuständig waren, möglicherweise befangen gewesen sein sollen, wie es in einer Pressemitteilung heißt. ,,,
... Die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus will den Vorgang im kommenden Rechtsausschuss behandeln. Es gelte unter anderem zu klären, wie diese Aussage des Überwachten so lange übersehen werden konnte, teilte der Justizexperte Sebastian Schlüsselburg dazu mit. (Quelle: Neues Deutschland, Klaudia Krieg)