17. September 2020   Aktuell

40 Jahre unterlassene Aufklärung. Und jetzt das

Quelle: die WeltNazi-Terror ist nicht gerade die Paradedisziplin deutscher Ermittlungsbehörden

Martin U.K. Lengemann.

40 Jahre nach dem blutigsten Terroranschlag der bundesdeutschen Geschichte und rund sechs Jahre nach der Wiederaufnahme der Ermittlungen gab der Generalbundesanwalt am Dienstagabend deren Einstellung bekannt. Es hätten sich, so heißt es in einer Pressemitteilung, „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung weiterer Personen als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen an der Tat des bei dem Anschlag ums Leben gekommenen Gundolf Köhler ergeben“ – weder auf Beteiligte aus der Wehrsportgruppe Hoffmann, zu der Köhler Kontakte hatte, noch „sogenannter Stay-behind-Organisationen westlicher Nachrichtendienste“.

Das Oktoberfestattentat bleibt genauso unaufgeklärt, wie Angela Merkels Versprechen nach einer vollständigen Aufklärung des NSU-Komplexes uneingelöst geblieben ist. Nazi-Terror ist nicht gerade die Paradedisziplin deutscher Ermittlungsbehörden.

 

Weniger sarkastisch formuliert: Dieses Ergebnis ist das letzte Glied einer Verkettung von Skandalen. Der erste und folgenreichste: dass die Ermittler sich sofort – und womöglich auch auf Druck des damaligen bayerischen CSU-Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß – auf die These vom unpolitischen, verwirrten Einzeltäter festlegten und dessen rechtsextreme Motivation und die vielen Hinweise auf Komplizen systematisch ignorierten. Der zweite: dass es erst der unermüdlichen Bemühungen des Opferanwalts Werner Dietrich und des BR-Journalisten Ulrich Chaussy sowie Politiker der SPD und der Grünen bedurfte, die 1982 eingestellten Ermittlungen wiederaufzunehmen. Und jetzt das.

Nun zeigt sich die Qualität eines Rechtsstaates im Umgang mit seinen Feinden. Womöglich hätten die späten Ermittlungen nicht zu einer Verurteilung etwaiger Mittäter führen können. Doch Beweise, Zeugenaussagen und Indizien abschließend zu beurteilen ist Sache der Gerichte, nicht der Ermittlungsbehörden. Die Bundesanwaltschaft muss sich vorwerfen lassen, eine gerichtliche Aufarbeitung nicht einmal versucht zu haben – vielleicht auch deshalb, weil ein neuer Prozess das damalige Staatsversagen offengelegt hätte.

Immerhin hat die Bundesanwaltschaft 40 Jahre danach (!) das Oktoberfestattentat als rechtsextremistischen Terrorakt eingestuft.

Das eröffnet die Möglichkeit, den Opfern endlich eine Entschädigung zu zahlen. Und noch etwas können die Bundeskanzlerin und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder tun: Sie können die Überlebenden und die Angehörigen der Ermordeten um Verzeihung für die unterlassene Aufklärung bitten. Wenigstens das.

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