03. Januar 2021   Aktuell

Jedes Urteil gegen Assange ist ein Urteil gegen die Pressefreiheit

Posted 03.01.2021, by Mathias Broeckers

Morgen wird in London das Urteil  im Auslieferungsprozess des Wikileaks-Gründers Julian Assange verkündet. Wie ich seit Jahren  in Dutzenden Beiträgen hier im Blog und in meinem kleinen  Buch dazu immer wieder deutlich gemacht habe, geht es in diesem  Auslieferungsverfahren und der  Anklage der Vereinigten Staaten, die Julian Assange lebenslänglich einsperren wollen, um weitaus mehr als um das persönliche Schicksal eines Journalisten – es geht um die Pressefreiheit insgesamt und damit um das Fundament demokratischer Gesellschaften weltweit.

Wenn mit einer Verurteilung Assanges ein Präzedenzfall geschaffen wird, kann kein Journalist, kein Publizist oder Verleger, kein Medium oder Presseorgan und kein Blogger irgendwo auf der Welt etwas veröffentlichen, von dem die USA behaupten, es verstoße gegen ihre “nationale Sicherheit” – ohne am nächsten Tag von einem internationalen Haftbefehl samt Auslieferungsersuchen bedroht zu sein. Auch wenn er nichts anderes getan hat als das, was die Presse zu tun hat und wofür ihr in jeder demokratischen Verfassung ein besonderer Schutz zu kommt: als Wachhund die Macht der Regierenden, die vom eigentlichen Souverän nur geliehen ist, zu kontrollieren. Wozu als wichtigste Aufgabe zählt, Rechtsverstöße der Regierungen aufzudecken und dem souveränen Volk zur Kenntnis zu bringen. So wie es Julian Assange  in hervorragender Weise getan hat. Es hat ihm Dutzende von Journalisten,-und Menschenrechtspreise in aller Welt eingebracht  – und die Bedrohung, lebenslänglich in einem Gefängnis zu verschwinden, falls das US-Regime seiner habhaft wird. Weil dort von einem  rechtsstaatlichen Verfahren nicht ausgegangen werden kann – zum einen betreiben die USA ja nach wie vor illegale Foltrergefängnisse wie in Guantanamo, zum anderen wurden Assanges Gespräche mit Anwälten von den US-Geheimdiensten abgehört, wodurch ein fairer Strafprozeß unmöglich wird – allein aus diesen Gründen wäre eine Auslieferung aus rechtlichen Gründen eigentlich ausgeschloßen.

Aber dies ist ein politischer Fall mit dem ein Exempel statuiert werden soll, weshalb nicht damit zu rechnen ist, dass Julian Assange mit dem Urteil nun auf freien Fuß gesetzt wird. Er sitzt schon seit fast zwei Jahren in britischer Isolationshaft, obwohl er nur gegen eine Kautionsauflage verstoßen hat, für das er spätetestens nach 50 Wochen hätte freikommen müssen, denn er hat in Großbritannien keine Straftaten begangen. Gleich wie das Urteil das Magistrate Courts also ausfällt, wird mindestens eine der beiden Seiten Berufung beim Supreme Court einlegen.

Dies gilt auch für den Fall, dass das Gericht die 17 Anklagepunkte nach dem Spionagegesetz (und 170 Jahre Haft)  zurückweist, und nur  wegen des “Computerverbrechens” (5 Jahre Haft) – der Hilfe, die Assange Chelsea Manning beim “Hacken” geleistet haben soll – der Auslieferung zustimmt. Dass  auch dieser Anklagepunkt, den sowohl Chelsea Manning selbst sowie alle der im Prozess vernommenen Sachverständigen und Zeugen zurückgewiesen haben,  unhaltbar ist, könnte die Richterin nicht daran hindern, so ihren Kopf aus der politischen Schlinge zu ziehen – und es a) der Berufungsinstanz zu überlassen, eine endgültige Entscheidung zu treffen und b) bis dahin die Fortsetzung der Haft anzuordnen

Dieser surreale und kafkaeske Prozess ist also mit dem Urteil vom Montag nicht beendet – und man kann nur hoffen, dass die Forderungen des UN-Sonderberichterstatters für Folter, Nils Melzer, endlich erfüllt werden und Julian Assange sich in einem Sanatorium von den Folgen der unmenschlichen Behandlung erholen und auf das anstehende Verfahren vor dem Supreme Court angemessen vorbereiten kann. Wenn die im Brexit-Chaos vernebelte britische Justiz noch einen Restbestand ihrer rechtsstaatlichen Kultur erhalten will, müsste sie spätestens am Dienstag so und nicht anders handeln. Jedes Urteil gegen Assange ist eines gegen die Pressefreiheit – und gegen die Demokratie: wenn das Aufdecken von Kriegsverbrechen bestraft wird, ist sie keine mehr!

 

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