03. Januar 2021   Aktuell

Gedenken an Oury Jalloh - die Familie, Freunde und die Öffentlichkeit haben ein Recht auf Aufklärung

Kommentar:
Henriette Quade, Abgeordnete der Linksfraktion im Landtag Sachsen-Anhalt, hält das eingeholte Gutachten der Sonderermittler Nötzel und Montag über den Fall Jalloh für nur eingeschränkt aussagefähig.

 

Aufruf zum dezentralen Gedenken im Rahmen der (Corona-) Möglichkeiten,  

Quelle: Mouctar bah

Unser Bruder Oury Jalloh wurde am 07.01.2005 (RIP) von Polizisten auf dem Dessauer Polizeirevier in Gewahrsam bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.

Durch unabhängige Gutachten und Aufklärungsarbeit der letzten 15 Jahre konnte dies die Initiative mit faktischen Beweisen aufzeigen.

Die deutsche Justiz verweigert sich weiterhin aufzuklären und verleumdet, dass Oury sich nicht selbst angezündet haben kann. Nicht zuletzt verkündeten dieses Jahr im August 2020 die Sonderberater des Landtages SachsenAnhalts, dass sie weiterhin an der Täterversion der Selbstanzündungsthese festgehalten und unseren Bruder Oury Jalloh weiterhin kriminalisieren.

 

Wir wissen: OURY JALLOH – DAS WAR MORD!

Und es ist kein Einzelfall! Im Oktober 2018 hat die Internationalen Unabhängigen Kommission zur Aufklärung des Todes von Oury Jalloh zwei weitere Mordfälle in die unabhängigen Untersuchungen mit aufgenommen: Hans-Jürgen Rose (1997 RIP) und Mario Bichtemann (2002 RIP) wurden beide in Polizeiobhut in Dessau zu Tode gefoltert. Deshalb reden wir vom OURY-JALLOH-KOMPLEX.

Am 7. Januar 2021 werden wir wie jedes Jahr unserem Bruder Oury Jalloh in Dessau gedenken. Und auch unserem Bruder Alberto Adriano (2000 RIP), der von Neonazis im Dessauer Stadtparkt zu Tode geprügelt wurde. Sowie Yangjie Li (2016 RIP), die von einem Dessauer Polizistensohn und dessen Freundin vergewaltigt und umgebracht wurde. Wir wollen auch all unseren Geschwister gedenken, die in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt durch rassistisch motivierte Gewalt von Polizei und Nazis umgebracht worden, von Justiz und Staat entehrt und unterdrückt und von einer schweigenden Masse an Zivilbürger:innen in Deutschland vergessen werden.
Wir werden sie niemals vergessen! Wir werden nicht schweigen!

Wir werden weiter kämpfen für Aufklärung, Gerechtigkeit und Konsequenzen!

Wir rufen deutschlandweit und international zu einem dezentralen Gedenken am 07.01.2021 auf, an dem mit lokalen, selbstorganisierten Aktionen – kollektiv oder einzeln – je nach Umständen und Möglichkeiten unter #WeNeverForgetOuryJalloh wir alle gemeinsam unserem ermordeten Bruder Oury Jalloh und unseren Geschwistern gedenken. Wir werden am 07.01.2021 eine Kundgebung vor dem Dessauer Polizeirevier anmelden!

Ein neues forensisches Gutachten des Radiologieprofessors Boris Bodelle vom Universitätsklinikum Frankfurt kam im Oktober 2019 zu dem Ergebnis, dass Oury Jalloh vor seinem Tod schwer misshandelt wurde. (WikiPedia)

Dazu: Neues Deutschland

Gutachten: Ende August 2020 stellten die zwei vom Landtag in Sachsen Anhalt eingesetzten Sonderermittler, der ehemalige Grünen MdB RA Jerzy Montag u. der ehemalige Münchner Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel, ihren 303 Seiten starken Abschlussbericht dem Rechtsausschuss des Landtags vor.

Sie sparten nicht an Kritik an dem Vorgehen der Polizei verteidigten aber auch gleichzeitig das generelle Verhalten der Regierung.

Einerseits erklärten die Sonderberater, dass sie derzeit keine neuen Ansätze für Ermittlungen sehen. Die Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft Halle sei »sehr gut nachvollziehbar und angesichts der Beweislage sachlich und rechtlich richtig«; die vorherige Übergabe des Falls der Staatsanwaltschaft Dessau nach Halle »mindestens vertretbar«. Andererseits erklärte Montag, dass fast alle polizeilichen Maßnahmen im Fall Jalloh fehlerhaft oder rechtswidrig waren.

Auch bezüglich politischer Einflussnahmen wurden die Ermittler deutlich: Aus Akten ergebe sich, dass der ehemalige Staatssekretär Hubert Böning (CDU) kurz nach der Übernahme des Falls durch die Staatsanwaltschaft Halle um ein Gespräch »zur weiteren strategischen Ausrichtung der Ermittlungen« gebeten haben soll. Böning habe mit Behördenchefin Heike Geyer und dem ihr vorgesetzten Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad sprechen wollen. Geyer und Konrad verweigerten gegenüber den Sonderermittlern diesbezüglich eine Aussage.

Mögliche Lügen der Landesregierung wurden ebenso thematisiert. Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) habe beispielsweise Ende September 2017 das Parlament »bewusst unvollständig und damit nicht wahrheitsgemäß informiert«, heißt es im Bericht. Gleichzeitig halten die Sonderermittler das Vorgehen der Regierung großteils aber für angemessen. »Die angestoßenen Maßnahmen und die konkreten Anweisungen waren zielgenau und zeigten großes Problembewusstsein und den Willen, Missstände in den Gewahrsamen des Landes abzustellen.«

Henriette Quade, Abgeordnete der Linksfraktion im Landtag, hält das Gutachten für nur eingeschränkt aussagefähig: »Der Bericht gibt keine Antwort auf die Frage, ob Oury Jalloh ermordet wurde und von wem«, so die Politikerin zum »nd«. Das Papier gebe aber ein »erschreckendes Zeugnis über den Zustand zentraler Bereiche des Landes Sachsen-Anhalt in den Nullerjahren« ab. Juristische Sachverhalte seien jedoch großteils bereits bekannt gewesen. Die Abgeordnete betonte weiterhin die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses. »Aufgrund der bisherigen Entscheidungen der Koalitionsfraktionen wird dieser in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr erfolgversprechend realisierbar sein.«

Unzufrieden zeigte sich auch die »Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh«. »Letztlich haben die Sonderermittler alle neuen Gutachten seit dem Urteil des Landesgerichts Magdeburg von 2012 ignoriert und die Grundannahme, dass sich Oury Jalloh selbst angezündet haben soll, einfach übernommen«, sagte Nadine Saeed, eine Sprecherin der Initiative, dem »nd«. Widersprüche, wie etwa die unklare Rolle des Feuerzeugs, mit dem sich Jalloh angezündet haben soll, würden dazu im Bericht kaum Erwähnung finden. »Wir erleben die Fortsetzung der Vertuschung durch Polizei, Politik und Justiz«, so Saeed. Die Initiative kämpft seit Jahren für Aufklärung im Fall des 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh. (Neues Deutschland)



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