12. Februar 2021   Aktuell

40 Prozent aller Corona-Todesfälle in zweiter Welle in Pflegeheimen

Kommentar Ulrich Engelke:

"Eine Ursache für diese hohe Quote sieht Ulrike Kempchen vom BIVA-Pflegeschutzbund in einer zu langsam eingeführten Teststrategie:"

Die Ursachen liegen ganz woanders: Es fehlen sorgsame ausgearbeitete Maßnahmenkataloge von Bund und Ländern und sie stellen auch keine gut ausgebildeten Hilfskräfte für Medizin und Logistik zur Verfügung, lediglich, wenn es brennt und das Kind in den Brunnen gefallen ist, werden Soldaten für Tests eingesetzt.

Was wurde eigentlich den ganzen Sommer gemacht? Meines Erachtens haben Politik und ihre vielgerühmten Fachleute komplett versagt.

Ein Nebeneffekt der Probleme in den Altenheimen: Die Inzidenzwerte, die als Durchschnittswerte genannt werden, werden durch diese Hotspots in die Höhe getrieben, bei uns im Landkreis sogar etwa um das Zehnfache!

Und fragt die Kreistagsabgeordnete der LINKEN, Roswitha Engelke, beim Landrat Radeck nach, bekommt sie folgende  Antwort, man hätte keine Datenbasis, Inzidenzzahlen um Hotspots bereinigt anzugeben. So, so, man hat also nicht die Adressen der Infizierten? 

Kreistagsabgeordnete Engelke dazu: "Bullshit, in diesem Fall nehme ich an, dass mir das Auskunftsrecht vom Landrat schlichtweg verweigert wurde, denn ein "Corona-Team", das nicht fähig ist,  Datenbestände zu verwalten, welche die Abfrage von bestimmten Informationen  möglich machen, wäre eine Katastrophe."

 

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Kritik an Teststrategie in Baden-Württemberg

von:  Kai Laufen, Edgar Verheyen und Johannes Schmid-Johannsen

Quelle: SWRAktuell

Die Quote der Covid-19-Opfer in Baden-Württemberg, die in Pflegeheimen gestorben sind, ist deutlich höher als bisher bekannt. Experten kritisieren vor allem, dass Antigen-Tests zu spät eingeführt worden seien.

An Heiligabend kam der Anruf: Im Pflegeheim gibt es Coronafälle, kein Besucher darf mehr rein - drei Wochen lang ging das so, erzählt eine 80-jährige Frau aus Baden-Württemberg, die anonym bleiben will. Ihre Schwester lebt in dem Heim, ist Anfang 70 und hat Alzheimer, weshalb sie rund um die Uhr betreut werden muss. Wochenlang hat die 80-Jährige keinerlei Kontakt zu ihrer schwer kranken Schwester, die sie zuvor jeden Tag besucht hatte. Erst im Januar erfährt sie Details über die Quarantänezeit und ist entsetzt: Ihre Schwester sei im Bett liegend in ein Doppelzimmer geschoben worden. Die fremde Zimmernachbarin sei wenige Tage später gestorben. "Und dann wurde meine Schwester positiv getestet. Da muss ich nichts mehr dazu sagen", entrüstet sich die Frau.

Ihre Schwester überlebte, aber das war offenbar pures Glück. Denn das Heim begeht den folgenschweren Fehler und lässt mitten in der zweiten Pandemiewelle weiterhin die gesünderen Bewohner an einem großen Tisch gemeinsam essen. "Und die sind bis auf einen alle gestorben", berichtet die 80-Jährige. "Meine Schwester durfte nicht am großen Tisch sitzen, sondern am Katzentisch - sie hat überlebt.“ In dem Heim sei es wochenlang drunter und drüber gegangen, denn es habe bis zu 80 Prozent Personalausfall gegeben.

Kritik an mangelhaften Schutzkonzepten - Besuche oft ohne Test möglich

 

Ulrike Kempchen hat viele ähnliche Geschichten aus Baden-Württemberg gehört. Sie ist Juristin und leitet die Rechtsabteilung beim BIVA-Pflegeschutzbund, einem gemeinnützigen und unabhängigen Verbraucherschutzverein, der sich bundesweit für die Rechte und Interessen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen einsetzt. "Wir haben eine Umfrage gemacht, wo die Teilnehmer uns beantworten können, ob sie nur mit einem Test in die Einrichtung kommen oder die Einrichtung auch so betreten können. Aus Baden-Württemberg haben uns tatsächlich 40 Prozent der Teilnehmer gemeldet, dass sie gar keinen Test brauchen." Bundesweit hätten nur 27 Prozent angegeben, ihre Angehörigen im Pflegeheim auch ohne Schnelltests besucht zu haben. Auch die 80-Jährige berichtet, sie sei nur jeden zweiten Tag getestet worden, obwohl sie ihre Schwester bis Heiligabend täglich besucht habe.

40 Prozent aller Todesfälle in zweiter Welle in Pflegeheimen

Wo Schutzkonzepte fehlten oder schlecht umgesetzt wurden, schlug das Virus zu. Schwer nachvollziehbar, warum etwa die Bild-Zeitung Ende Dezember schrieb: "In Baden-Württemberg kam nach Angaben der Landesregierung nur rund jeder zehnte Corona-Tote aus dem Heim." Dem SWR gegenüber bestätigte das Sozialministerium nach mehrfacher Nachfrage jetzt: Es waren 40 Prozent aller Todesfälle.

Eine Ursache für diese hohe Quote sieht Ulrike Kempchen vom BIVA-Pflegeschutzbund in einer zu langsam eingeführten Teststrategie: "Die Testungen waren möglich ab Oktober. Aber: Einrichtungen müssen ein Testkonzept erstellen, dieses Testkonzept muss wiederum von der zuständigen Behörde abgesegnet werden, es muss Personal geschult werden und dann muss das ganze umgesetzt werden. Tatsächlich haben Baden-Württemberg und die Einrichtungen im Land sehr spät damit begonnen, bis letztlich das ganze zentral organisiert wurde, damit es ins Laufen kommt. Und das war einfach zu spät."

"Niemand hat die Reißleine gezogen"

SWR-Datenjournalist Johannes Schmidt-Johannsen bemängelt, dass auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie wichtige Daten nicht rechtzeitig verfügbar seien: "Das Ministerium konnte Sterbezahlen nicht ad hoc kommentieren. Das zeigt, diese Daten werden eben nicht fortlaufend aufbereitet." Das Drama in den Alten- und Pflegeheimen habe sich über viele Wochen aufgebaut und niemand habe die Reißleine gezogen. "Mit der Folge, dass sich Hunderte Pflegebedürftige infiziert haben und daran gestorben sind", so Schmid-Johannsen. "Ganz offensichtlich fehlen der Politik im Land die Instrumente, solche fatalen Entwicklungen frühzeitig zu erkennen."

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