Notizen vom Ende der unipolaren Welt -21
Quelle: Mathias Broeckers
Während die Grand Dame europäischer Inkompetenz noch davor warnte, russisches Gas in Rubel zu bezahlen und ein sechstes Paket von EU-Sanktionen ankündigte, hat Italiens größter Energiekonzern Eni angekündigt, ein Konto in Russland zu eröffnen, um seinen Zahlungspflichten weiter nachkommen zu können. Auch weitere europäische Länder sind der Aufforderung Russlands schon gefolgt und zahlen den Rechnungsbetrag bei der Gazprom-Bank in Russland ein, die ihre Euro in Rubel wechselt und an Gazprom weiterreicht. Eigentlich sehr simpel, völlig transparent und überhaupt kein Problem. Dass es jetzt aber eines ist und Ursula von der Leyen von “Erpressung” spricht, hat wenig mit russischer Boshaftigkeit, sondern vor allem mit europäischer Inkompetenz und Dummheit zu tun. Um deren abgrundtiefe Bodenlosigkeit zu ermessen, müssen wir uns die phantastische Erfindung anschauen, mit der sie Russland in den Ruin treiben wollten: den Schrödinger-Euro.
“Schrödingers Katze” hat als Metapher für die Paradoxa der Quantenpartikel große Berühmtheit erlangt. Der Quantenzustand kann entweder als Teilchen oder als Welle betimmt werden, was sie “eigentlich” sind, entscheidet sich erst im Moment der Beobachtung, So verhält es sich auch mit dem Zustand einer Katze,
die Erwin Schrödinger sinnbildlich in eine Kiste sperrte, in der ein zerfallender Atomkern und ein Geigerzähler ein Giftgas auslösen. Weil wir nicht genau sagen können, wie schnell der Zerfall läuft und sich Teilchen und Wellen-Zustand überlagern und sich erst im Beobachtungsmoment ein bestimmter Zustand manifestiert, befände sich auch die Katze in einem Zustand zwischen tot und lebendig, wäre sowohl tot wie gleichzeitig lebendig, bis wir mit dem Öffnen der Kiste durch die Beobachtung eine Entscheidunen herbeiführen.
Weil ein solcher Zwischenzustand in der makroskopischen Welt unmöglich ist, sind die Gesetze der Quantenwelt nicht auf die materielle, dingliche Welt übertragbar bzw. nur um den Preis unmöglicher, unwirklicher Paradoxa. Diese aus der Katzengeschichte des Nobelpreisträgers Schrödinger abzuleitende Regel hat unterdessen die Sanktions-Heroen der EU nicht abgehalten, ein solches Paradoxon zu schaffen und auf seiner realen Existenz bestehen. Sie haben 400 Milliarden russsicher Währunsgreserven “eingefroren” (vulgo: beschlagnahmt, gestohlen), die russischen Banken aus dem internationalen Zahlungsverkehr verbannt und wollen gleichzeitige ihre dringend benötigten Rohstoffe aus Russland mit Euros zahlen – die allerdings nichts mehr anderes sind als Schrödinger-Euros. Weder tot, noch lebendig oder beides gleichzeitig, doch in jedem Fall unbrauchbar für den Zahlungsempfänger, den man die Kiste nicht öffnen läßt. Jorge Vilches hat in seiner Kolumne erklärt wie das funktioniert:
"Zur Verdeutlichung: Das wäre so, als würden Sie an der Kasse eines beliebigen Geschäfts mit einem Foto einer vollständig versiegelten Schachtel, die angeblich “Geld” enthält und die Sie ungeöffnet zu Hause aufbewahren, so lange Sie wollen, so tun als würden Sie “bezahlen”. Erlauben Sie mir, die EU-Trickserei in Laiensprache zu erklären: In der Vergangenheit wurden russische Importe durch ganz gewöhnliche Überweisungen auf Konten russischer Exporteure bei EU-Banken bezahlt. Jetzt hat die EU-Führung angeordnet, dass solche Überweisungen sofort nach ihrem Eingang eingefroren werden, damit Russland – oder auch jeder andere – diese Euro nicht verwenden kann.
Die Europäische Zentralbank “druckt” nun also Euros mit einer Tastatur zu 100 % kostenlos und überweist diese Euros dann auf die Bankkonten der russischen Exporteure in der EU, obwohl sie nun “eingefroren” sind. Russland kommt also nie in den Genuss solcher Euro – die in Wirklichkeit nie das Licht der Welt erblicken – und dementsprechend sind sie in keiner Weise inflationär, da auch niemand sonst sie verwenden kann. Indem die EU also in keiner Weise in die Wirtschaft eingreift, überlistet sie Himmel und Erde und kann russische Produkte kostenlos importieren.
Leicht zu erkennen? Es ist ein “Drucken & Hinterlegen + Einfrieren & Verstecken”-Trick, bei dem man erwartet, dass die Russen darauf hereinfallen… als ob sie Kinder wären.
Jetzt höre ich natürlich die verantwortlichen Verrückten argumentieren, dass dies nur “vorübergehend” wäre – natürlich – und dass, sobald Russland unter “akzeptablen” Bedingungen aus der Ukraine herauskommt – natürlich, wieder einmal – alles zum Yankee-Doodle-Normalzustand zurückkehren wird. Hier kommt der “Schrödinger-Euro” ins Spiel, bei dem das hypothetische “Geld” als gleichzeitig existent und nicht existent betrachtet werden sollte… a-la-EU.
Im heutigen kommerziellen Umfeld würde nur ein Narr eine Schrödinger-Zahlung für irgendetwas akzeptieren – nicht einmal für Kaugummi – und sollte als der kindischste Vorschlag betrachtet werden, der jemals in der Geschichte des Handels gemacht wurde. Er ist sowohl naiv als auch eine sichtbare Beleidigung durch unreife Wunschdenker, die versuchen, dem Gesetz der finanziellen Schwerkraft zu trotzen, indem sie immer tiefer in ihre selbstgeschaffene Schlammgrube sinken.
Wir wissen nicht, wer unsere zur EU-Herrenreiterin aufgestiegene ehemalige “Panzer-Uschi” mittlerweile berät, klar scheint aber, das ihre Berater in Sachen Sanktionen mindestens so unterbelichtet sind wie es ihr üppig dotierter Beraterstab in Sachen Bundeswehr war. Und klar ist auch, dass es sich mit von der Leyens Rede von einer “Erpressung” durch Russland genau umgekehrt verhält, weil die Erpresser und Diebe der russischen Devisenreserven im Westen beheimatet sind – und jetzt mit ihrem Monopoly-Spielgeld auch noch für lau die dringend benötigten Rohstoffe abgreifen wollten.
Dabei geht es nicht um Peanuts, die Belieferung der EU mit russischem Gas und Öl schlägt mit 400 Millionen Euro zu Buche – pro Tag! – von denen die Gaga-Strategen in Brüssel scheinbar tatsächlich hofften, sie mit ihren hypothetischen Schrödinger-Euros zu begleichen. Sonst hätte ihnen die Kinnlade nach Putins Schachzug “Gas nur noch gegen Rubel(oder Gold)” nicht so dämlich erstaunt fallen können, dass sie unisono “auf gar keinen Fall” blökten. Und von “Vertragbruch” faselten, wo sie doch selbst mit ihrem Devisendiebstahl zuerst nicht nur Verträge gebrochen, sondern auch alle Regeln des ökonomischen Anstands für nichtig erklärt und einen totalen Wirtschaftskrieg eröffnet hatten.
Weil aber Europa nicht auf Russland verzichten kann, Russland aber durchaus auf Europa, und Deutschland vor allen anderen auf absehbare Zeit auf russische Hydrocarbone angewiesen ist, werden alsbald alle brav die Rubel rollen lassen, nachdem diese auf ihrem neuen russischen Konto aus ihren Einzahlungen gewechselt wurden. Dass dieser Umtausch zu einem immer schlechteren Kurs erfolgt, weil der Euro seit Wochen gegenüber dem Rubel fällt und mittlerweile weniger wert ist als vor zwei Jahren , zeigt schon deutlich den Bumerang-Effekt der Sanktionen, die Europa mehr schaden als Russland – und wer außer der Ukraine der eigentliche Verlierer dieses Kriegs sein wird: nicht die USA und Russland, sondern Deutschland und Europa.
Willkommen im alten anglo-amerikanischen Great Game, ein Zusammenwachsen der “Weltinsel” – Europa und Asien – um jeden Preis zu verhindern, weshalb ein “Sieg” für die durchgeknallte britische Außenministerin Liz Truss ein “strategischer Imperativ” ist. Sie will tatsächlich – Operation “Barbierossa” ? – “Russland aus der ganzen Ukraine verdrängen” und fordert über ihren Thinktank die Deutschen auf, kein Öl mehr aus Russland zu kaufen: “Berlin ist der größte Käufer russischer fossiler Brennstoffe”, sagte Bernice Lee, Forschungsdirektorin beim Thinktank Chatham House, dem Guardian. “Die Welt erwartet von Deutschland, dass es Stärke und Entschlossenheit gegenüber Russland demonstriert, aber stattdessen finanziert es den Krieg und blockiert ein europäisches Embargo gegen russisches Öl.” Dass Energieminster Habeck in “dienender Führungsrolle” mittlerweile verkündet hat, ein Ölembargo nicht mehr zu blockieren, löst das Problem allerdings nicht, denn wie beim Rubel sitzen auch beim Öl die Sanktions-Strategen in der Falle: seit der Invasion haben sich Russlands Einnahmen mit fossilen Rohstoffen schon fast verdoppelt. Ein Embargo durch NATOstan würde die Preise weiter steigen lassen und Russland in die Lage versetzen, dem Rest der Welt seine begehrten Rohstoffe zu günstigeren Konditionen zu verkaufen, als der Westen sie für “Petro-Dollar” bieten kann.
Was wir hier sehen, ist das neue, multipolare globale Finanz-und Handeslsystem im Embryonalstadium, mit einer rohstoff,- und goldgedeckten neuen Währung, mit einer Alternative zu SWIFT für den internationalen Zahlungsverkehr und einer hohen Attraktivität für den gesamten globalen Süden, d.h. für über 80 % der Weltbevölkerung. Es ist der Anfang vom Ende der unipolaren Hegemonie der USA, des US-Dollars als Weltreservewährung und der “Globalisierung” wie wir sie kannten – sowie vom Ende der militärischen Supermacht USA und ihrer Doktrin einer “Full Spectrum Dominance” des Planeten.
Letztere ist wegen der hypersonischen Raketen Russlands ohnehin schon beendet und in einer Rede am 27. April hat Wladimir Putin noch einmal deutlich vor weiteren Provokationen gewarnt, die ihren Einsatz herausfordern könnten: “Ich möchte noch einmal betonen, dass, wenn jemand die Absicht hat, sich von außen in das Geschehen einzumischen und Drohungen strategischer Art ausspricht, die für Russland nicht akzeptabel sind, er wissen sollte, dass unsere Vergeltungsschläge blitzschnell sein werden. Wir haben alle Instrumente dafür. Solche, mit denen sich jetzt niemand rühmen kann. Und wir werden nicht damit prahlen. Wir werden sie einsetzen, wenn es nötig ist. Und ich möchte, dass jeder darüber Bescheid weiß – wir haben alle Entscheidungen in dieser Angelegenheit getroffen.”
Es sollte niemand darauf setzen, dass Russland blufft – zumal wenn er so nackt dasteht wie NATOstan mit seinen 800 US-Stützpunkten rund um die Welt und seinen Regierungsgebäuden und Waffendepots, die nicht verteidigt werden können gegen Kinzhal,- Zirkhon,- und Sarmat-Raketen. Und wir reden hier nicht von Nuklearkrieg, sondern von konventionellen Salven mit bunkerbrechender Sprengkraft: aufs Pentagon, auf die Rammstein-Zentrale und aufs Dach des Ministeriums der kriegsgeilen Liz Truss zum Beispiel. Was wäre los, wenn Russland mit kurzer Vorwarnung zur Zivilisten-Evakuierung solche Anschläge morgen durchführen würde ? Wenn Washington und London nicht mit Nuklear-Raketen auf Russland antworten, weil ihnen im Gegenzug blitzschnell dasselbe droht – was einen schon im Syrienkrieg für “Die Zeit” zum Krieg trommelnden Sesselpupser im Gasgewitter nicht abhält, das Risiko doch ruhig mal einzugehen:
Wie würde NATOstan, wo solche suizidalen Laptop-Bomber gottseidank nicht das Sagen haben, konventionell auf solche russischen Anschläge reagieren ? Wenn immer mehr Waffen für den Kampf bis zum letzten Ukrainer nicht reichen und alle Sanktionen nach hinten losgehen – schicken wir dann die Bundeswehr an die Front, um die Krim und das Donbass zurückzuerobern ? Also “Stalingrad 2.0” nicht mehr als lokaler Nachbarschaftskrieg, sondern als großes europäisches Massenschlachten ? Mit Deutschland einmal mehr mittenmang, wie der Pentagon-Sprecher Kirby gestern ankündigte: “The United States has begun training the Ukrainian armed forces to use key weapons at US military bases in Germany.” Willkommen im Fadenkreuz kann man da nur sagen – und es im Zusammenhang mit der Warnung vor “blitzschnellen” Antworten mit Pepe Escobar so übersetzen:
“Die ständigen Provokationen können dazu führen, dass Herr Kinzhal, Herr Zircon und Herr Sarmat gezwungen werden, ihre Visitenkarten in ausgewählten westlichen Breitengraden zu präsentieren, auch ohne offizielle Einladung.”
(wird fortgesetzt)