27. Juli 2022   Aktuell

Die selbsternannte Sprachpolizei schreckt selbst vor Mozart nicht zurück ...

(K)eine kleine Nachtmusik


(Ein Kulturorakel von Dadalus Uggla)

Wegen 'kultureller Aneignung' musste eine Schweizer Mundart-Reggae-Band ihr Konzert in Bern abbrechen, weil die weißen Musiker Rastas trugen.
(NZZ)
Nun könnte man diese Meldung als Schweizer Lokalposse abtun.
Doch das Problem liegt tiefer.

Sehr viel tiefer!
Auch - und vor allem bei uns!
Denn die Tradition solcher Aktionen scheint sich nur fortzusetzen.
So hat die allseits beliebte 'Fridays for Future'- Bewegung vor noch nicht allzu langer Zeit eine weiße Musikerin wegen ihrer Dreadlocks aus selbigen Grund von der Bühne verbannt.
Es bleibt somit nur eine Frage der Zeit, wann beim Sonntags-Frühschoppen die ersten Dixilandkapellen mit weißen Musikern ausgeladen und von weißen Europäern gespielte Jazz-Konzerte in den Konzertsälen verboten werden.
Mal sehen, wann die alten Indianerfilme aus Ost und West wegen 'Blackfacing' aus den TV-Programmen verschwinden.
(Die Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg mussten sich jüngst schon mit exakt dieser Frage auseinandersetzen!)
Bei den Opernfestspielen in Verona sagte eine schwarze Sängerin jüngst ihren Auftritt ab, weil ein paar Tage zuvor ihre Kollegin Anna Netrebko als äthiopische Prinzessin 'Aida' mit dunkel geschminkten Teint in einer über 25 Jahre alten Inszenierung dort aufgetreten war.
Mal sehen, wie lange man Werke von Komponisten wie Richard Strauß, Richard Wagner oder Werner Egk wegen ihres Bezuges zum Nationalsozialismus noch aufführen darf.
Die Werke russischer Künstler aller Sparten stehen ja aus bekannten Gründen schon allerorten zur Disposition.
Immer mehr Opernhäuser begründen die Streichung der Arie des Mohren Monostatos aus Mozarts Zauberflöte mit dem Rassismusvorwurf.


Die Entfernung vieler großer Namen aus dem Kulturkanon auf Grund ihres Antisemitismus, alles Kinder ihrer jeweiligen Zeit, angefangen von Luther über Brentano oder Kant, bis hin zu Nitzsche und Schopenhauer u.v.a. ist praktisch Dauerthema an den germanistischen Fakultäten.
Selbst das Zitieren Heines dreihundert Jahre alter Kritik am damaligen Zustand unseres Landes und deren verräterische Parallelen zur Neuzeit, hat schon zu Sperrungen in den großen sozialen Netzwerken geführt.
Sogar der olle Geheimrat Goethe und die Komponisten Franz Schubert und Robert Schumann wurden schon wegen des im 'Heidenröslein' vorkommenden 'Laylaismus' an den Pranger gestellt und mit metoo-Anschuldigungen konfrontiert.
Warum sollte man da nicht heute auch einen Ballermannschlager verbieten?
Und die selbsternannte Sprachpolizei schreckt mittlerweile nicht einmal mehr zurück, Werke der literarischen Hochkultur, von Shakespeare, Schiller, Twain, Lindgren, Ende bis hin zu Thomas Mann politisch korrekt zu korrigieren und dem allerorts wütendem Genderwahnsinn unterzuordnen.
(Mal sehen, wann man feststellt, dass beim (Ost-)Sandmännchen das Entchen Schnatterinchen, der Kobold Pittiplatsch und der Stoffhund Struppi das Klischee der weißen Frau mit schwarzem Sklaven und Bluthund erfüllen und das mit seinen Autos, Schiffen und Flugzeugen anreisende Sandmännchen einen typischen Klimaleugner darstellt.
Gut, vielleicht etwas übertrieben. Doch warten wir es mal ab...)
Aber um wieder ernsthaft zu werden:
Ja, dies war alles schon einmal da!
Damals hieß es 'entartete Kunst'.
Und es hat in einer der größten Katastrophen der Menschheit geendet.
Ein Gesellschaftssystem später nannte man es 'antikommunistische Umtriebe' und ein spitzbärtiger Staatslenker stellte öffentlich die Frage, ob man dieses 'Yeah, yeah, yeah und wie der ganze Unfug heißt', tatsächlich braucht.
Was wir daraus lernen:
Geschichte wiederholt sich und Faschismus und kulturelle Zensur sind (offenbar auch anderswo) schon lange keine Frage der Flaggenfarbe oder einer bestimmten Symbolik mehr sondern (leider wieder) ein Gesellschaftsmodell, das von einer 'woken' partei- und (länderübergreifenden) politischen Kaste vorangetrieben wird, die versucht, die Freiheit der Menschen im lobbyistischen Eigeninteresse jeden Tag ein bisschen mehr zu beschneiden.
Lustigerweise dreht dieses ideologische Konglomerat aus links-grünen und rechts-neoliberalen Kräften (zumindest bei uns) den Spieß genau in diesem Moment herum, sobald man deren Handeln auch nur leise in Frage stellt:
In einem medial gleichgeschalteten  Automatismus, (Ja ich weiß, das darf man auch nicht mehr sagen!), werden dann alle Kritiker sofort im rechtspopulistischen Spektrum verortet und als potentielle Nazis und Verschwörungstheoretiker gesellschaftlich 'ausgeschwurbelt'.
Die Psychologie nennt dieses Verhalten übrigens 'Übertragung'.
Nur bedroht diese 'Übertragung' mittlerweile jede friedliche und freiheitliche Art des Denkens, welches auch die Basis für die Staatsform der Demokratie darstellt.
Cancel culture, cultural appropriation, political correctness, Rassismus/Diskriminierungs- Vorwürfe oder der Missbrauch (!) von 'metoo'-Anzeigen, (sobald man unbequeme 'alte weiße Männer' loswerden will), genauso wie der inflationäre Begriff der 'Querdenker' oder die teils schon absurde Züge annehmende Zensur in den (sozialen) Medien sind somit nicht der Ausdruck eines neuen moralischen Wertekodex oder einfach nur 'Zeitgeist'!
Es sind ganz schlicht und einfach Instrumente der Macht, um die kritisch denkenden akademischen, wissenschaftlichen und vor allem künstlerischen Köpfe der Gesellschaft politisch auf Linie zu bekommen oder alternativ existenziell zu vernichten.
Und auch heute bezieht diese unheilvolle Entwicklung ihre Kraft vor allem wieder aus den Mitläufern der Gesellschaft, welche nicht begreifen oder es bequemerweise nicht verstehen wollen, dass vor allem sie am Ende die Leidtragenden einer solchen (Denk-)Verbotsgesellschaft sein werden.
Dass genau sie es sind, die für jeden politisch nicht opportunen Gedanken mit immer neuen Vorschriften, noch aberwitzigeren Drangsalierungen und finanziellen Strafen (heute Bußgeld oder Sonderabgabe genannt!), bestraft werden.
Und dass es für die Einschränkungen ihrer Freiheit, ihre ökonomische Enteignung und ihre zunehmende arbeits-und sozialpolitische Unterwerfung auch nach Pandemie und Krieg immer wieder neue Gründe geben wird.
'Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.', beschrieb am Ende seines 'Arturo Ui' einst der große Schriftsteller Bertolt Brecht die Gefahr eines wieder erwachenden Faschismus in unserem Lande.
Warten wir mal ab, wie lange es noch dauert, bis auch sein Werk deshalb konsequenterweise der Zensur zum Opfer fällt.
Oder wann Orwells '1984' und Aldous Huxleys 'Brave New World' verboten und in den Regalen der Buchhandlungen den (zukünftigen) Bestsellern 'Kochen ohne Kohle', 'Wohnen ohne Strom' und 'Duschen ohne Wasser' weichen werden.
Dann wäre zumindest kulturell bei uns wieder alles im politisch korrekten Lot.
Denn das Niveau der Geschwister Kultur und Bildung bestimmen den Zustand einer Gesellschaft.
Immer und überall.
Und eine ungebildete Bevölkerung ist naturgemäß die beste Bevölkerung.
Für gefühlt, im Moment (fast) jede Regierung dieser Welt.
Vor allem eben auch für unsere.
(Dadalus Uggla, 2022)

 

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