27. Dezember 2022   Aktuell

Der Fluch der bösen Tat: Spaniens Verfassungsgericht zensiert das spanische Parlament und den Senat

Beitrag:

Prof. Dr. Axel Schönberger
Deutschland

19. Dez. 2022 — 

Entgegen dem bewährten Grundsatz der Gewaltenteilung hat das spanische Verfassungsgericht judikative und legislative Gewalt. Die Entscheidungen des spanischen Verfassungsgerichts haben Gesetzeskraft und werden im spanischen Gesetzesblatt (Boletín Oficial del Estado, BOE) veröffentlicht. Die zwölf jeweils auf neun Jahre ernannten Richter werden vom Kongreß (vier Richter), vom Senat (vier Richter), von der Regierung (zwei Richter) und von dem Generalrat der rechtsprechenden Gewalt («Consejo General del Poder Judicial») vorgeschlagen und vom spanischen König ernannt. Da somit zehn der zwölf Richter faktisch von den beiden großen politischen Parteien Partido Popular und PSOE vorgeschlagen werden, ist das Verfassungsgericht in der öffentlichen Wahrnehmung eine von der Politik abhängige Institution, die vielen Spaniern nicht als unabhängig gilt.

Spanien hat das Verfassungsgericht bereits mehrfach benutzt, um entgegen den Menschenrechtspakten der Vereinten Nationen, denen sich Spanien vorbehaltlos unterworfen hat, und entgegen der spanischen Verfassung, die diese Menschenrechte, darunter auch das Recht aller Völker auf Selbstbestimmung, garantiert, die katalanische Nation und auch andere im spanischen Vielvölkerstaat lebende Völker in ihren Rechten einzuschränken und deren Politiker aus politischen Gründen mit den Mitteln der Justiz zu verfolgen. Die Art und Weise, wie dabei gegen geltendes Recht verstoßen wurde, ist in Europa wohl einzigartig. Im Oktober 2017 erfolgte beispielsweise unter Bruch eines organischen Gesetzes des spanischen Staates, das Verfassungsrang hat, die Absetzung der demokratisch gewählten katalanischen Regierung und die Auflösung des gleichfalls demokratisch gewählten katalanischen Parlaments, die einen eindeutigen Verstoß gegen die spanische Verfassung und gegen höherrangiges Recht der Vereinten Nationen darstellten. Die großen spanischen Parteien konnten sich dabei immer auf die Unterstützung des spanischen Verfassungsgerichtes verlassen, wenn es darum ging, Spaniens katalanische Kolonie in die Schranken zu weisen und die staatliche Unabhängigkeit Kataloniens in Form einer demokratischen Republik zu verhindern.

 

Jetzt wendet sich das spanische Verfassungsgericht, das bereits zuvor dem katalanischen Parlament parlamentarische Debatten über bestimmte Themen ebensowie wie bestimmte Beschlußfasssungen bei Strafandrohung verboten hatte, auch gegen die sozialdemokratische spanische Regierung. Auf Antrag des rechtskonservativen Partido Popular hat das Verfasssungsgericht nur wenige Stunden vor der Ernennung zweier neuer Verfassungsrichter verboten, daß ein von der spanischen Regierung eingebrachtes Gesetz zur Reform des spanischen Strafrechts an den spanischen Senat weitergeleitet wird. Damit wurde gleichzeitig auch eine Reform der Ernennung der Verfassungsrichter aufgehalten, die voraussichtlich zu anderen Mehrheitsverhältnissen im spanischen Verfassungsgericht geführt hätte. Dieses verbleibt somit weiterhin unter der Kontrolle von Richtern, die dem rechtskonservativen Partido Popular nahestehen.

Immer deutlicher zeigt die spanische Monarchie ihr wahres Gesicht. Eine «Demokratie» wird man die spanische Kritokratie, die Herrschaft der Richter, kaum nennen können, und rechtsstaatliche Verhältnisse wie in Deutschland oder Frankreich sind in Spanien zumindest dann, wenn es um Katalonien geht, nicht gegeben. Die spanischen Verhältnisse sind eine Schande für die Europäische Union, die sie duldet und sogar unterstützt, während andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union wie Polen oder Ungarn heftig kritisiert werden, obwohl die dortigen Verhältnisse bei weitem nicht mit den Mißständen in Spanien vergleichbar sind.

Ein Land, das sein eigenes Verfassungsrecht bricht, bis vor kurzem politische Gefangene hatte und politisch Andersdenkende mit den Mitteln einer kaum rechtsstaatlich zu nennenden Justiz verfolgt, hat in der Europäischen Union nichts verloren und sollte insbesondere keine Fördergelder der Europäischen Union erhalten, solange es nicht wirksam die Korruption bekämpft, ein Funktionieren rechtsstaatlicher Strukturen ermöglicht und die Wahrung der Menschenrechte, darunter das Menschenrecht des katalanischen Volkes auf Selbstbestimmung, garantiert.

Alleine das CatalanGate hätte in einer funktionierenden Demokratie längst zu einem Rücktritt der Regierung und Disziplinarmaßnahmen gegen alle Beamten, die in so gravierender Weise gegen Grundrechte verstießen, geführt!

https://www.heise.de/tp/features/Gigantische-Pegasus-Spionage-Nur-die-Spitze-des-Eisbergs-7045459.html

 

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