25. Februar 2023   Aktuell

Nicht nur Arbeit macht frei - auch Gleichschaltung macht fre!i

Da, haben wir sie wieder, die "Freiheit" von 1933 - zuerst verleumden, danach in den sozialen Ruin treiben und, wenn möglich noch, die Familie hineinziehen und Kollektivschuld anwenden! Konzentrationslager werden nicht mehr benötigt.

Menschen mit Prinzipien und Standpunkten, die nicht mit der Regierungsmeinung übereinstimmen, werden wieder aussortiert. Kritik an der westlichen Kriegspropaganda und das Hinweisen auf hunderttausende von Impftoten durch eine verirrte Gesundheitspolitik ist in der Europäischen Union zum sozialen Selbstmord für Arbeitnehmer geworden.  (Roswitha Engelke)


Gleichschaltung macht frei: Uni Bonn feuert Ulrike Guérot

Quelle: tkp der Blog für Science & Politik

von

Jetzt ist schon wieder etwas passiert. Die Universität Bonn hat ihre “streitbare” – und aufrechte – Professorin Ulrike Guérot mit 31. März 2023 gekündigt. Der Grund: vorgebliche „Plagiate“ in nichtwissenschaftlichen Publikationen. Guérot ist vor allem durch ihr prinzipientreues Auftreten gegen die Corona-Maßnahmen und ihre Standpunkte im Ukraine-Konflikt einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Dies brachte ihre jede Menge Hetze in den Medien und im Netz ein, doch sie ließ sich dadurch nicht unterkriegen. Letzte Woche traf es Jürgen Habermas, diese Woche Ulrike Guérot – wer ist als nächstes dran?

Heute morgen öffnete ich mein LinkedIn-Profil – und war schockiert:

Viel schlimmer noch waren die vielen unverhohlen hämischen Kommentare auf Twitter:

Klar, wer sich in der Öffentlichkeit äußert, der sollte über eine entsprechend dicke Haut verfügen. Was an der „Affaire Guérot“ jedoch besonders auffällig ist, das sind Behauptungen einzelner Akteure, die – auf den ersten Blick – nicht der Wahrheit entsprechen.

Die „Affaire Guérot“ – ein Sturm im Wasserglas? Mitnichten.

Ulrike Guérot wurde 2021 auf die Professur für Europapolitik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn berufen. Zuvor weist ihr Werdegang eine Reihe von Stationen aus, unter anderem an der Donau-Universität Krems (2016-21) sowie an den Universitäten in Frankfurt am Main und an der Oder, der Bucerius Law School in Hamburg bzw. der Paul N. Nitze School for Advanced International Studies (SAIS) in Washington, D.C.

Jeder, der sich auch nur ein klein wenig mit akademischen Gepflogenheiten auskennt, der weiß selbstredend auch, dass derartige Berufungen lediglich die sprichwörtliche Spitze des Eisberges sind.

Üblicherweise beginnen derartige Verfahren Jahre zuvor mit Strukturberichten, internen Debatten um die Ausrichtung und -stattung des Lehrstuhls zwischen der Berufungskommission, dem betroffenen Institut, der Fakultät und der Universitätsleitung. „Erst“ nachdem all diese Dinge umfassend diskutiert wurden, beginnt hernach mit der Ausschreibung der Stelle der (universitäts-) öffentliche Teil des Verfahrens.

Unter Strich bedeutet dies in erster Linie: Lehrstuhlbesetzungen fallen nicht vom Himmel. Im Gegenteil: diese sind von langer Hand vorbereitet – und wenn das geflügelte Sprichwort „viele Köche verderben den Brei“ zutreffen kann, dann wohl am ehesten in den Beratungen, oftmals inoffiziellen Gesprächen und „weiterführenden“ Überlegungen, die jedes Berufungsverfahren unvermeidbar begleiten.

Kurz gesagt: Ulrike Guérots Berufung im Jahr 2021 war sicherlich von ähnlichen Überlegungen begleitet und kann, so viel scheint gesichert, keineswegs als etwas „Besonderes“ oder gar „Außergewöhnliches“ bezeichnet werden.

Im Gegenteil: der Berufungskommission, die Guérot 2020/21 an die Spitze ihrer Vorschläge setzte, war sich wohl bewusst, welche Positionen ihre neue Kollegin öffentlich vertreten hat.

Klar, niemand kann erwarten, wie sich eben berufene Kollegen in Zukunft verhalten werden. Doch dass sich Akademiker – noch dazu nach erfolgreicher Absolvierung des Spießrutenlaufes der gemeinhin als „wissenschaftliche Karriere“ firmiert – nun endlich auf einem vermeintlich „sicheren“ Posten ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst auftreten, das kann schon einmal „passieren“.

„Historia docet“: was uns die Geschichte lehrt

An dieser Stelle seien Ihnen, werte Leserinnen und Leser dieser Zeilen, zwei Essays besonders an Herz gelegt: einerseits Noam Chomskys Text zu eben just dieser Verantwortlichkeit, der unter dem Titel „The Responsibility of Intellectuals“ (dt. etwa „Die Verantwortung der Intellektuellen“) am 23. Feb. 1967 im New York Review of Books erschien.

Andererseits Harold Rosenbaums Essay „A Herd of Independent Minds“ (dt. etwa „Eine Herde unabhängiger Köpfe“), der bereits im Herbst 1948 im US-Magazin Commentary erschien und in dem der Kulturkritiker die erstickende Konformität der New Yorker Nachkriegsszene eindrücklich kritisierte (ich kann auf diesen Text von meinem Gerät aus problemlos zugreifen, wenn Sie den Text hinter einer Bezahlschranke vorfinden, seien Sie auf meinen Substack verwiesen).

Warum verweise ich darauf?

Weil die meisten „berufenen“ Kolleginnen und Kollegen eher den zweiten Weg einschlagen denn den ungleich härteren Weg, den Chomsky und nun eben auch Guérot gehen.

Warum sollten Sie sich, werte Leserschaft, um diese Akademiker und deren Probleme kümmern

Es mag Ihnen auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen, doch seien Sie einer Sache versichert: wenn aus den gleichgeschalteten Hochschulen kein Widerspruch gegen staatliche Willkür mehr erschallt, werden Ihre Rechte und Freiheiten als nächstes beschnitten oder gleich abgeschafft, dann allerdings finden Sie niemanden mehr unter „den Studierten“, der Ihnen zur Seite stehen möchte.

Anmerkungen zur akademischen (Un-) Kultur

Viele „Leit- und Qualitätsmedien“ haben bereits darüber berichtet, wie auch Guérot selbst auf LinkedIn und Twitter gepostet hat. Darunter befinden sich neben rheinischen Blättern auch die Neue Zürcher Zeitung aber auch u.a. in der Weltwoche sowie Tichys Einblick. Und nun auch TKP.

Aus diesen öffentlich einsehbaren Darstellungen geht hervor, Guérot hier nicht nur „unfair“ behandelt wird, sondern auch eine Reihe weiterer problematischer Aspekte gleichsam miteinander in einen Topf geworfen werden.

Da steht zum einen der Vorwurf der Universität Bonn, dass der vermeintliche Kündigungsgrund „während ihrer Dienstzeit“ erfolgt sei. Dies betrifft einerseits das 2016 erschienen Buch „Warum Europa eine Republik werden muss“, welches klar ersichtlich rund sechs Jahre vor Guérots Stellenantritt erschien.

Gewiss war Ulrike Guérots Einstellung z.T. aufgrund ihres öffentlichen Profils erfolgt, da ja heutzutage jeder Professor neben Forschung und Lehre auch gleichzeitig ein umfassendes Medienprofil haben sollte. Bei Frauen kommen dann auch zusätzliche (informelle) Überlegungen über deren Familienleben hinzu, bei Männern die gemeinhin stillschweigend vorausgesetzte  Annahme, dass die Partnerin im Zweifelsfall ja gleichsam “Gewehr bei Fuß” auf “Zusatzeinsätze” wartet. Auf entsprechende Empörung über diese Aspekte aus dem “juste milieu” zu warten scheint, ehrlich gesprochen, einem Beckett-Drama mit bekanntem Ausgang gleich…

Zurück zur “Affaire Guérot”, denn da ist die Lage ja noch umso abstruser: vorgeblich habe Guérot in dem 2016 unter erheblichem Zeitdruck erschienenen Essay „Warum Europa eine Republik werden muss“ plagiiert. Entweder ist dies der Berufungskommission nicht aufgefallen oder dies wurde geflissentlich “aus anderen Gründen” übersehen, z.B. durch die erheblich gesteigerte mediale Sichtbarkeit der Universität Bonn durch die Berufung von Guérot.

Das mag alles schön und gut sein, ist aber in jedem Fall ein Indiz, dass die Berufungskommission entweder nicht so genau hingeschaut hat oder dies bewusst in Kauf genommen hat. Gut sieht hierbei niemand aus, am wenigsten aber trifft diese schiefe Optik auf Ulrike Guérot zu.

Andererseits bezieht sich die Universität Bonn in der Begründung der Kündigung auf eine Reihe von Beiträgen in „Leit- und Qualitätsmedien“.

Jeder Akademiker, der außerhalb der jeweils eigenen fachlichen Umstände publiziert, findet sich von heute auf morgen mit einer Vielzahl von Einwänden editorischer oder anderer Natur konfrontiert, die, salopp formuliert, mit „guter wissenschaftlicher Praxis“ recht wenig bis gar nichts zu tun haben.

Ulrike Guérot kann Ihnen dies – wie ich ebenso – problemlos bestätigen: Deadlines, Blattlinien und „Sachzwänge“ (z.B. keine Mittel für Lektorate oder ordentliche Übersetzungen) sind „part of the game“.

Das „juste milieu“ als Widerholungstäter

Was aber ist nun Ulrike Guérots „Sündenfall“? Die m.E. mit Abstand zutreffendste Erklärung bietet übrigens Stefan Millius in der Weltwoche:

Der Vorwurf des Plagiats ist ein fadenscheiniger Vorwand. Was so bezeichnet wird, waren kleine Nachlässigkeiten wie fehlende Anführungszeichen. Nirgends hat die Professorin systematisch abgeschrieben. Stets führte sie ihre Quellen im Text auf.

Guérot hat einen ganz anderen „Fehler“ begangen. Lange war sie der Liebling des linksliberalen Milieus, bevor sie zu Corona-Zeiten erstmals ausscherte. Sie kritisierte die Massnahmen, forderte die Strafverfolgung der Verantwortlichen und die Schliessung der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Als sie dann auch noch im Ukraine-Krieg für Frieden statt Waffenlieferungen plädierte und von einer Mitschuld des Westens sprach, war das Fass voll für den Mainstream. Für diesen war sie nun eine Corona-Leugnerin und eine Putin-Versteherin.

Weil die hochdekorierte Bestsellerautorin nicht so ohne Weiteres aus dem wissenschaftlichen Diskurs entfernt werden konnte, tauchten dann plötzlich die angeblichen Plagiatsfälle auf. Wer sie untersucht, dem bleibt nur Kopfschütteln.

Letzte Woche hat es Jürgen Habermas erwischt, diese Woche Ulrike Guérot. Nebenbei bemerkt – NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat erst gestern (!) den Vorschlag von Habermas in höchsten Tönen gelobt, wie etwa der norwegische Staatsfunk NRK am 23. Feb. 2023 berichtete:

„Es handelt sich um einen Krieg, der alle angeht. Deshalb haben wir auch das Recht, über die Bedingungen einer Verhandlung zu diskutieren und nicht nur zu warten, bis die Ukraine sagt, sie wolle verhandeln“, wie auch der berühmte deutsche Philosoph Jürgen Habermas kürzlich argumentierte.

TKP hatte an demselben Tag über die durchaus „andere“ Reaktion auf Habermas‘ Vorschlag in den deutschen „Leit- und Qualitätsmedien“ berichtet.

(Wenn Sie den ganzen Beitrag über bzw. mit Stoltenberg in meiner englischen Übersetzung lesen wollen, verweise ich Sie auf meinen Substack.)

 
 

Was hier mit Ulrike Guérot geschieht, das ist in höchstem Maß abscheulich. Und wir haben noch nicht einmal über den wohl trefflichsten Vergleichsfall – der Kriegstreiberin Annalenea Baerbock – gesprochen, die von denselben „Leit- und Qualitätsmedien“ immerzu in Schutz genommen wird.

Hier finden Sie ein besonders passendes Abbild dessen, welches am 30. Juli 2021 im ZDF (!) erschien:

Insgesamt sieht es – Stand heute – so aus, dass bislang nur sehr wenige wörtlich übernommene Stellen in dem 240 Seiten langen Buch urheberrechtlich relevant sind. Doch die generelle Aussage der Grünen und Baerbock, es läge gar keine Rechtsverletzung vor, ist wohl nicht haltbar.

Rechtsanwalt Harro von Have meinte dazu, „dass man darüber in der Regel keinen Rechtsstreit führen würde“. Und Rechtswissenschaftler Volker Riebel konstatierte wie folgt:

Da es nicht mehr nur um Übernahme von faktenbasierenden Formulierungen, sondern auch um gedankenbasierender Formulierungen gehe, sei eine „Irreführung der Leser“ nun greifbar.

Dies alles trifft in der „Affaire Guérot“ wohl kaum zu. Angemerkt sei zudem, dass Annalena Baerbock aufgrund ihres öffentlichen Amtes eine ungleich größere gesellschaftliche Verantwortung zuzumessen ist denn Ulrike Guérot.

Auch ist Baerbock – neben dem vormaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg – nicht die einzige Person, deren offenkundig fragwürdiges Verhalten zu einer weitaus sanfteren Behandlung durch die “Leit- und Qualitätsmedien” geführt hat. Da fiele mir z.B. auch Matthias Döpfner ein, der als Chef des Axel Springer-Verlags – ebenso von “Plagiatsjäger” Stefan Weber – des Plagiats bezichtigt wurde.

Dessen Vergehen war übrigens weitaus umfassender als das, was Ulrike Guérot vorgeworfen wird, wie etwa die Süddeutsche Zeitung vor einem Monat berichtete:

Wie die Goethe-Universität Frankfurt am Main am Freitag mitteilte, stellte die Kommission zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten “aufgrund der mehrfachen wörtlichen oder gedanklichen Übernahme fremder geistiger Autorenschaft zwar ein wissenschaftliches Fehlverhalten fest”. Weiter hieß es: “Die einzelnen Befunde seien jedoch in ihrer Summe und hinsichtlich ihrer Bedeutung für den wissenschaftlichen Kern der Arbeit nicht ausreichend, um eine Aberkennung des Doktorgrades zu begründen.”

Döpfner durfte nicht “nur” seinen Doktorgrad behalten, sondern es stellte sich auch keineswegs die Frage, ob er aus seinen Funktionen ausscheiden sollte.

Eventuell könnte man dem hinzufügen, dass da mit unterschiedlichem (Gender-) Maß gemessen wird.

Kein Ruhmesblatt für “die Wissenschaft”

Es bleibt – ein ausgesprochen schaler Nachgeschmack. Die wohl passendste Einschätzung der Lage findet sich – wenig überraschend – in der Schweizer Weltwoche. Erneut Millius:

Von der deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist bekannt, dass sie sich für ihr Buch „Jetzt: Wie wir unser Land erneuern“ fleissig bei anderen Autoren bedient hat. Die Medien nahmen sie umgehend in Schutz: Es handle sich nicht um eine wissenschaftliche Arbeit, daher brauche es keine Fussnoten.

Das Gleiche trifft zu auf Ulrike Guérots Buch „Wer schweigt, stimmt zu“. Es ist ein populärwissenschaftlicher Essay, keine Doktorarbeit [wie etwa bei Döpfner, Anm.]. Aber während die Politikerin reingewaschen wurde, verliert die Professorin ihre Stelle.

Guérot will das zwar nicht einfach so hinnehmen. Aber selbst wenn sie auf gerichtlichem Weg erfolgreich sein sollte, bleibt die Feststellung: In akademischen Kreisen darf man nur noch forschen, wenn man auf der staatlich vorgegebenen Linie bleibt.

Dies ist – auch unter Verweis auf den ähnlich gelagerten Fall des Hochschulprofessors Günter Roth (TKP berichtete) – abzulehnen.

Persönlich wünsche ich Ulrike Guérot alles Gute und einen langen Atem für das, was ihr nun bevorsteht. Unser aller Motto sollte lauten – in Abwandlung des Mottos der Wiener Secession:

Der Zeit ihre Wissenschaft / der Wissenschaft ihre Freiheit.

Bild Európa Pont, Ulrike Guérot (24606581306), CC BY 2.0

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Cancelling Habermas: Eine Posse zur “Vergangenheitsbewältigung”

Wider die akademische Kaste, oder: Das Schweigen der Mimosen

 

 

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