Im Hinblick auf Menschenrechte brilliert die EU mit Scheinheiligkeit
- Video Seabird - das zivile Auge, Das zentrale Mittelmeer. Ein Ort, wo Wut, Trauer und Erleichterung so nah beieinander liegen. Ein Ort, wo wir zuschauen müssen, wie Menschenrechte systematisch gebrochen werden.
- Ein weiterer Film von Seabird: https://sea-watch.org/seabird-film/
Die Scheinheiligkeit des Westens
Beitrag: Roswitha Engelke
Seit dem gewaltsamen Sturz von Staatschef Gaddafi 2011 ist Libyen weitgehend ohne staatliche Autorität. Politische Instabilität sowie der Zusammenbruch der Infrastruktur prägen das tägliche Leben der Menschen in dem nordafrikanischen Land. Der Einfluß von Regional- und Großmächten gewinnt immer mehr Dominanz im inneren Konflikt und somit auch auf politische Entscheidungen. Die chaotische Gesamtsituation wird von verschiedenen Interessengruppen genutzt, um mit Hilfe von Korruption günstige Ölgeschäfte abzuwickeln und die Bevölkerung weiterhin unter Druck zu halten.
Die Bevölkerung leidet stark unter der herrschenden Gesetzlosigkeit, dem Abbau sämtlicher Sozialsysteme, der Zunahme von Unterdrückung und Armut und die fast völlig zerstörte Infrastruktur, die einen Mangel an Trinkwasser und eine Versorgung mit Lebensmittel auslöste.
Menschenrechte spielen schon lange keine Rolle mehr. Proteste werden von den libyschen Behörden brutal unterdrückt – und sind in den Medien Europas kaum eine Randnotiz wert.
Nach UN-Angaben sind über 900.000 Menschen in Libyen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Hälfte dieser Menschen kommen aus Libyen. Die andere Hälfte sind Flüchtlinge und Migrant*innen, die Libyen als Transitland erreichten. Mehr als 245.000 Menschen sind durch die Gewalt im Land selbst zur Flucht gezwungen.
Libyen ist ein gefährliches Transitland, daran ist die EU nach Ansicht vieler UN-Ermittler nicht unschuldig, wodurch die Glaubwürdigkeitder EU bezüglich der Menschenrechte in Sack und Asche fährt, um in einem Sumpf von Scheinheiligkeit zu versinken.
Ein Bericht von UN-Ermittler macht die Scheinheiligkeit des Westens deutlich VOL.AT (Voralberg-Online) schreibt dazu am 27.03.2023:
„UNO-Bericht: EU leistet in Libyen Beihilfe zu Straftaten
Ein UNO-Ermittle,r Chaloka Beyani, wirft der Europäischen Union Mitschuld an der Verletzung der Menschenrechte von Migranten in Libyen vor. Die EU-Hilfe für libysche Behörden, die die Flüchtlinge auf- und festgehalten hätten, habe Verstöße gegen deren Rechte "unterstützt und begünstigt", sagte das Mitglied der Ermittlungskommission zur Lage in Libyen, Chaloka Beyani, bei einer Pressekonferenz am Montag in Genf.
Die EU müsse ihre Unterstützung für die libysche Küstenwache überdenken, forderte Bayani, der mit anderen unabhängigen Experten im Auftrag des UNO-Menschenrechtsrats die Lage in Libyen seit 2016 untersucht hat. Die Experten legten am Montag in Genf ihren Bericht vor.
Die EU müsse sich im Klaren sein, dass in diesem Zusammenhang Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden, sagte Bayani. Er betonte: "Wir sagen nicht, dass die EU diese Straftaten begangen hat, aber ihre Unterstützung ist eine Beihilfe zur Ausführung dieser Straftaten." Das ölreiche Land in Nordafrika liegt auf einer der Hauptrouten von Migranten, die nach Europa flüchten wollen. Es ist nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 in einen Bürgerkrieg versunken.
In ihrem Bericht dokumentieren die Experten weitreichende Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung und vor allem gegen Migrantinnen und Migranten. In den Haftanstalten unter der Kontrolle der Küstenwache und anderer staatlicher Einrichtungen würden Menschen gefoltert, erpresst, vergewaltigt und ermordet, andere würden wie Sklaven verkauft und teils sexuell ausgebeutet - ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
"Diese Einrichtungen erhielten technische, logistische und finanzielle Unterstützung von der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, unter anderem für das Abfangen und die Rückführung von Migranten", heißt es im Bericht.
Auch die Pushbacks - wenn Boote mit Flüchtlingen in Küstennähe abgefangen und zurück nach Libyen beordert werden - seien illegal, weil die Gewässer vor Libyen nicht sicher seien, sagte Bayani. Die Experten hätten Grund zu der Annahme, dass die EU die Küstenwache, technisch, finanziell und mit Ausrüstungsgegenständen wie Booten unterstützt habe, "die im Zusammenhang mit dem Abfangen und Festhalten von Migranten verwendet wurden", heißt es in dem Bericht.
Die Experten waren mehrmals im Land und haben mehr als 400 Interviews geführt und Dokumente ausgewertet." (APA/Reuters/dpa)
Je nach Situation in den Mittelmeer-Anrainerstaaten verändern sich die Fluchtrouten über das Mittelmeer. Die Route über Libyen ist eine der Gefährlicheren, trotzdem versuchen Flüchtlinge und Migranten immer wieder, von Libyen aus einen sicheren EU-Staat zu erreichen. 2019 traten etwa 65 Prozent aller Todesfälle im zentralen Mittelmeerraum auf. In den ersten sechs Monaten 2021 waren bereits 116 Vermisste gemeldet.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk fordert verstärkte Anstrengungen bei der Seenotrettung im Mittelmeer, Vorgehen gegen Schleuserbanden und einen klaren Verteilschlüssel für Gerettete. Es braucht eine Ausweitung der Seenotrettung und klare Regelungen für sichere Ausschiffung der Geretteten. Europa muss die Tragödie im Mittelmeer beenden. Jeder weitere Tag, der verstreicht, kostet die Leben von Männern, Frauen und Kindern.