Die EU ist für Afrika nicht die Lösung
Europa muss mit den südlichen Nachbarn auf Augenhöhe kooperieren
Quelle: Frankfurter Rundschau vom 02.03.2022, ein Gastbeitrag von Boniface Mabanza Bambu
Seit Jahren scheinen die EU-Afrika-Gipfel nach dem gleichen Schema zu verlaufen: Wenn es Probleme gibt und die EU keine überzeugende Antworten formuliert, kommt sie mit dem großen Versprechen vom Geldsegen für Afrika. Das war 2017 so, als die Migrationskrise die Vorbereitungen des Treffens in Abidjan dominierte. Und so war es auch Ende Februar, als bei der jüngsten Zusammenkunft die EU ankündigte, 150 Milliarden Euro für Investitionen in Afrika bereitstellen zu wollen. Damit wird dem Narrativ Vorschub geleistet, dass die EU die Lösung für Afrikas Probleme sei. Das Gegenteil ist aber der Fall.
Bevor man der EU als Gönner für den afrikanischen Kontinent applaudiert, sollte man wissen: Die 150 Milliarden Euro gibt es noch nicht. Die Initiative „Global Gateway Initiative“ soll private Investoren animieren, die Hälfte der Summe beizutragen.
Zudem geht es der EU mit dieser Initiative primär darum, die eigene schrumpfende investitions- und handelspolitische Bedeutung in Afrika aufzuhalten und den kolonial geprägten Zugriff auf den afrikanischen Kontinent zu retten. Dieses geostrategische Ziel der EU steht nicht im Einklang mit afrikanischen Interessen, sich von Abhängigkeiten von ehemaligen Kolonialmächten zu befreien und handels- und finanzpolitische Kooperationen zu diversifizieren.
Und für die EU sind die Effekte der Ankündigung wichtiger als die Substanz. Die 150 Milliarden Euro sollen beeindrucken, sind aber kein frisches Geld. Es werden vielmehr Mittel aus existierenden Entwicklungsetats der EU und den Mitgliedern gebündelt.
Zusätzlich animieren derartige Programme kaum afrikanische Unternehmen. Angesprochen fühlen sich vor allem kapitalstarke Firmen aus der EU. Lukrativ sind solche Investitionen, da die öffentlichen Mittel die Risiken der Investitionen absichern. Die öffentlichen Haushalte der EU und der afrikanischen Staaten bleiben aber häufig auf Investitionsruinen sitzen, was häufig zu zusätzlichen Schulden führt.
Zum Autor
Boniface Mabanza Bambu ist Koordinator der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika in der Werkstatt Ökonomie Heidelberg.
Darüber hinaus liegt der Euphorie, die viele mit den angekündigten Investitionen verbinden, ein Optimismus zugrunde, der sich nicht mit den Erfahrungen mit ausländischen Direktinvestitionen in vielen Ländern Afrikas deckt. Natürlich will die EU diesmal alles anders machen, will afrikanische Interessen berücksichtigen und verspricht zudem, dass die Projekte sozialen und ökologischen Standards entsprechen. Das Problem dabei ist die Arroganz, mit der die EU besser als die afrikanischen Regierungen und deren Zivilgesellschaften zu wissen glaubt, was afrikanische Interessen sind.
So erklärt die EU Prioritäten (Energie, Infrastruktur, Digitalisierung, Agrarexporte) zu gemeinsamen, ohne afrikanische angemessen zu berücksichtigen. Es steht außer Frage, dass viele afrikanische Länder Investitionen in Infrastruktur brauchen. Prioritär sind jedoch nicht die Infrastrukturen von den Abbaugebieten von Rohstoffen und Agrarplantagen zu den Häfen und von dort etwa in die EU zur Weiterverarbeitung und Wertschöpfung, sondern die Infrastrukturen zur Ankurbelung lokaler, nationaler und regionaler agrarischer und industrieller Produktion und entsprechender Wertschöpfungsketten.
Der afrikanische Kontinent hat ein Energiedefizit und bräuchte Investitionen zur Entwicklung eines Energiemix im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen. Dazu gehören für eine Übergangszeit, wie auch in Europa, die Nutzung fossiler Rohstoffe. Die EU will aber nur erneuerbare Energien fördern – zugunsten der eigenen Energieanbieter – um damit etwa grünen Wasserstoff herstellen zu können. Den soll dann aber in Europa die europäische Schwerindustrie oder der Flugverkehr nutzen. Afrika braucht zwar Energie, aber nicht um das Überleben der deutschen Stahlindustrie zu sichern.
Afrikas Rohstoffe sollen einer Industrialisierung und dringend benötigten Arbeitsplätzen dienen. Dazu müssen agrarische, industrielle und chemische Produkte in einer hohen Verarbeitungstiefe hergestellt werden, um möglichst fertige Produkte anbieten zu können.
Dafür ist eine neue Handelspolitik der EU gegenüber den afrikanischen Ländern gefragt. Die aktuellen Handelsabkommen der EU mit einzelnen, rohstoffreichen afrikanischen Ländern erzwingen eine Marktöffnung für industrielle EU-Produkte und für Dienstleistungen (Finanz- und Digitalwesen). Damit verhindert die EU den Aufbau eines industriellen Sektors, aber auch digitaler Angebote in Afrika. Das steht im Widerspruch zu dem Versuch der Afrikanischen Union (AU) einen eigenen Binnenmarkt mit in Afrika hergestellten Gütern oder Dienstleistungen aufzubauen.
Es ist an der Zeit, dass die EU diese Widersprüche in der Unterstützung von Afrikas Entwicklung überwindet, anstatt in Afrika mit scheinbar wohlwollender Partnerschaftsrhetorik ihre Interessen durchsetzt.