Hans-Peter Uhl CDU/CSU fordert wiedereinmal Vorratsdatenspeicherung
Gulli.com.news v. 16.04.2013
Annika Kremer
Anschläge von Boston: Uhl fordert Vorratsdatenspeicherung
Die gestrigen Anschläge auf den Boston Marathon nehmen einige konservative Politiker zum Anlass, ihre Forderung nach einer zügigen Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zu erneuern.
Unter anderem ging der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Innenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, am Morgen des heutigen Dienstag mit dieser Forderung an die Öffentlichkeit.
Bei den Anschlägen auf das von über 24.000 Teilnehmern und zahlreichen Zuschauern besuchte Sportereignis wurden nach bisherigem Kenntnisstand drei Personen getötet und mindestens 130 weitere Menschen verletzt. Um derartige Terrorakte in Deutschland zu verhindern, sei die 2009 in der bisherigen Umsetzung vom Bundesverfassungsgericht gestoppte und seitdem noch nicht wieder eingeführte Vorratsdatenspeicherung ein wichtiger Baustein, sagte Uhl im Deutschlandfunk.
Für den Abgeordneten ist eine umfassende Überwachung des Kommunikationsverhaltens aller Bürger unabdingbar. Anders könne der Staat seine Bürger nicht schützen, führte er aus. Es steht zu vermuten, dass andere konservative Politiker diese Argumentation in den nächsten Tagen aufgreifen werden, um einen erneuten Anlauf zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu starten. Bisherige Versuche scheiterten am Widerstand des Koalitionspartners FDP.
Unter Netz- und Bürgerrechtsaktivisten sorgte Uhls Forderung teilweise für Hohn, Spott und Erheiterung. "Die Zeit, die von einer beliebigen Straftat bis zur Forderung der Vorratsdatenspeicherung verstreicht, bezeichnet man als 'Uhl'", so ein vielfach über den Microblogging-Dienst Twitter verbreiteter Kommentar zu den Äußerungen des Innenpolitikers.
Weniger amüsiert als verärgert zeigte sich der populäre Düsseldorfer Rechtsanwalt, Netzaktivist, Blogger und Piraten-Kandidat Udo Vetter. In einem Beitrag auf seinem law blog kritisierte Vetter, die Politiker würden die Anschläge in Boston "für ihre sicherheitspolitischen Ziele […] instrumentalisieren", bevor überhaupt die Hintergründe und die Verantwortlichen der Tat geklärt waren. Den Bürgern werde eine Wahl zwischen Sicherheit und Freiheit suggeriert, so Vetter. Dabei blieben aber "Wahrheiten auf der Strecke", unter anderem, "dass selbst ausufernde Sicherheitsgesetze verheerende Anschläge nicht verhindern können. Selbst eine Totalkontrolle des Lebens Terrorunverdächtiger, also faktisch von uns allen, würde jene wenigen Entschlossenen nicht von ihren Plänen abhalten. Stattdessen würden wir faktisch gerade nur denen in die Hände arbeiten, die Anschläge begehen." Vetter verweist auf einen Kommentar des US-amerikanischen Sicherheitsexperten Bruce Schneier, in dem dieser argumentiert, dass ein Leben in Angst und eine Aufgabe von Freiheiten den Terroristen letztendlich in die Hände spielen. Terrorismus, so Schneier in diesem Text, sei "nicht primär ein Verbrechen gegen Menschen oder Eigentum", sondern "ein Verbrechen gegen unseren Geist, das den Tod Unschuldiger und die Zerstörung von Eigentum als Verbündete nutzt". Eine von Angst diktierte Reaktion und daraus resultierende gesellschaftliche, politische und juristische Veränderungen, die die Freiheit einschränkten, ließen die Terroristen siegen, selbst wenn ihre Anschläge scheiterten, so Schneier. Vielmehr sollten die Menschen "sich weigern, sich terrorisieren zu lassen" und "unbeugsam angesichts des Terrors sein", dann würden die Terroristen scheitern, selbst wenn ihre Anschläge erfolgreich seien. Vetter betont, diese Sichtweise "sollte man durchaus mal sehen, wenn man nach immer mehr 'Sicherheit' ruft. Ohne eine vernünftige Balance mit der Freiheit haben wir den Kampf gegen Terroristen schon von vornherein verloren."
Es ist absehbar, dass die beiden hier präsentierten Sichtweisen in den kommenden Wochen wieder verstärkt auch in der öffentlichen Diskussion aufeinander treffen werden. Welche Seite allerdings letztendlich die Oberhand behalten wird und wie sich dies auf die Gesellschaft auswirken wird, gilt es abzuwarten (und nach Möglichkeit mit zu beeinflussen).
Text-Quellen: winfuture