25. Oktober 2023   Aktuell

Von der Leyen nur Phrasendrescherei zu israelischen Kriegsverbrechen im Gazastreifen

 

"Wegen «bedingungsloser» Unterstützung Israels: Hunderte EU-Mitarbeiter protestieren gegen von der Leyens Gaza-Politik"

Quelle: Neue Zürcher Zeitung

Ursula von der Leyen muss sich mit der schärfsten internen Kritik seit Beginn ihrer Amtszeit als Kommissionspräsidentin auseinandersetzen. Hunderte von Beamten und Mitarbeitern der EU werfen ihr vor, im Nahostkonflikt zu proisraelisch zu agieren. In einem offenen Brief, der von der Leyen am Wochenende erreichte, heisst es, dass die Deutsche mit ihrer «bedingungslosen» Unterstützung Israels «freie Hand für die Beschleunigung und Legitimierung eines Kriegsverbrechens im Gazastreifen» gegeben habe

Die EU-Bediensteten verurteilen die terroristischen Angriffe der Hamas, prangern aber zugleich Israels «unverhältnismässige Reaktion» an, die von der Leyen mit ihrer Haltung ignoriere. Wörtlich heisst es in der Erklärung, die von 842 Personen unterzeichnet wurde, und der NZZ vorliegt:

«Wir erkennen kaum die Werte der EU in der scheinbaren Gleichgültigkeit, die unsere Institution in den letzten Tagen gegenüber dem anhaltenden Massaker an Zivilisten im Gazastreifen an den Tag gelegt hat.»

Der Vorfall ist absolut ungewöhnlich. So harte Kritik an der Kommission und ihrer Spitze hört man in der Behörde selten. Dabei beschweren sich in Brüssel durchaus immer wieder Beamte hinter vorgehaltener Hand über von der Leyens Führungsstil. Die Kommissionspräsidentin stimme sich nur im kleinen Kreis mit ihren engsten Beratern ab und übergehe andere Entscheidungsträger, heisst es. Auch nach Israel reiste von der Leyen, eine Woche nach den Anschlägen der Hamas, ohne Absprache mit den Mitgliedstaaten oder etwa mit Josep Borrell, dem EU-Aussenbeauftragten.

 

Der Spanier wies seine Chefin später öffentlich zurecht und erklärte, sie sei nicht berechtigt, die EU in aussenpolitischen Fragen zu vertreten. Doch schwerer noch wog für von der Leyens Kritiker, dass die Deutsche bei ihrem Solidaritätsbesuch die israelische Regierung nicht an die Grenzen des humanitären Völkerrechts erinnert habe. Konfrontiert mit den Spuren des Terrors, hatte von der Leyen vor Ort deutlich zurückhaltendere Worte gewählt:

Sie wisse, sagte sie, dass Israel in einer Art und Weise antworten werde, die zeige, «dass es eine Demokratie ist».

Ausgelöst wurde der offene Brief der EU-Beamten indes erst durch eine Rede, die von der Leyen am vergangenen Donnerstag im Hudson Institute, einem konservativen Think-Tank in Washington, hielt. Darin hatte die Kommissionschefin vor allem vom Selbstverteidigungsrecht Israels gesprochen, die Zwei-Staaten-Lösung aber mit keinem Wort erwähnt. Das Konzept gilt in Brüssel als einzige realistische Option für einen dauerhaften Frieden in Nahost. Es ist auch der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Mitgliedstaaten einigen können. Es sei «verstörend», dass von der Leyen darauf keinen Bezug genommen habe, sagt ein Diplomat.

Angesprochen auf den offenen Brief, erklärte eine Sprecherin am Montag, dass auch EU-Beamte ein Recht auf Meinungsfreiheit hätten, worauf man im Übrigen sehr stolz sei. Eine Art Palastrevolte muss von der Leyen nicht befürchten. Doch es ist denkbar, dass ihr Rückhalt in den EU-Hauptstädten schwinden könnte, den sie sich für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin im nächsten Jahr sichern muss.

Aussenminister nicht auf gleicher Wellenlänge

Israel und Gaza entzweien die EU. Das wurde auch bei einem Treffen der Aussenminister am Montag in Luxemburg deutlich. Hier zeigte sich, dass Länder wie Deutschland, Österreich und Tschechien noch am ehesten von der Leyens Position folgen. Es werde Frieden und Sicherheit für die Region nur geben, wenn man den Terrorismus bekämpfe, erklärte die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock – und erteilte damit der Forderung des Uno-Generalsekretärs Antonio Guterres nach einer sofortigen «humanitären Feuerpause» einen Dämpfer. Man sehe ja, so Baerbock, dass die Hamas Israel weiter massiv mit Raketen angreife.

Länder wie Spanien, Slowenien und Irland hingegen unterstützten Guterres ausdrücklich. Das Leid unschuldiger Zivilisten in Gaza habe ein Ausmass erreicht, das eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen erfordere, sagte der irische Aussenminister Michael Martin. Am Donnerstag wollen die 27 Staats- und Regierungschefs auf ihrem regulären Herbstgipfel weiter diskutieren. In einem Entwurf für die Abschlusserklärung schlägt EU-Rats-Chef Charles Michel vor, sich der Forderung nach einer humanitären Feuerpause anzuschliessen, um Bedürftigen einen sicheren Zugang zu medizinischer Hilfe zu ermöglichen. Dies wäre weniger als der Aufruf zu einer Waffenruhe, aber mehr als nichts.

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