Zum Wochenende etwas zum Nachdenken
Kleine Wochenendgeschichte
In teurem Land
Der Wanderer betrat das Land und sah einen Bauern tatenlos am Feldrain sitzen.
“Warum bestellst Du nicht das Feld?”, fragte er den Bauern.
“Das wäre für den Landbesitzer zu teuer.”, antwortete dieser.
Der Wanderer ging weiter und traf einen Bauarbeiter, der auf einer Bank schlief.
“Warum baust Du nicht das Haus fertig?”, fragte der Wanderer.
“Das wäre für den Hausbesitzer zu teuer.”, antwortete der Bauarbeiter.
Der Wanderer traf auf dem Bahnhof ein und wollte mit dem Zug weiter fahren. Aber die Eisenbahnen standen still.
“Warum fahren keine Züge mehr?”, fragte der Wanderer einen Lokführer.
“Das wäre für die Bahnbetreiber zu teuer.”, antwortete dieser.
Als der Wanderer ins Theater der Stadt ging, um ein Konzert zu hören, saßen die Musiker lesend auf der Bühne.
“Warum musiziert Ihr nicht?”, fragte der Wanderer verwundert.
“Das wäre für die Stadt zu teuer.”, antwortete der Dirigent.
Da der Wanderer sich den Fuß verstaucht hatte, ging er zum Krankenhaus. Die Ärzte dort spielten Karten und die Patienten starben.
“Warum behandelt Ihr denn nicht die Kranken?”, fragte der Wanderer entsetzt.
“Das wäre für die Krankenkassen zu teuer.”, antworteten die Ärzte.
Der Wanderer humpelte zum Regierungspalast, wo er den Präsidenten und die Minister des Landes traf, die Geld in einer riesigen Kiste zählten.
“Warum regiert Ihr nicht Euer Volk?”, fragte der Wanderer voller Zorn.
“Das Volk kann uns nicht mehr bezahlen. Wir sind zu teuer.”, lachten ihn die Minister höhnisch aus.
Bebend vor Wut verließ der Wanderer den Palast und schlug mit seinem riesigen Wanderstab dreimal auf den Asphalt.
Und so tat sich die Erde auf und verschlang das gesamte Land mit all seinen Bewohnern in einem todbringenden Sturm aus Feuer, Wind und Wasser.
Hoch oben von einem Berg blickte der Wanderer auf das erloschene Land hinab, als er einen kleinen Jungen traf, der einsam auf der Almwiese spielte.
“Was hast du getan?”, fragte ihn der kleine Junge ohne aufzusehen.
“Ich habe die Menschen im Land getötet. Ihr Leben war sinnlos.”, antwortete der Wanderer.
“Sie waren schon vorher tot.”, entgegnete der Junge.
“Schon vor langer Zeit. Und niemand hat es gemerkt.”
Der Wanderer nahm den Jungen in den Arm und weinte.
(© by Dadalus Uggla, 2012)