09. Januar 2024   Aktuell

Leserbriefe zu „Fördern unsere Schulen den demokratischen Geist?“

Quelle: NachDenkSeiten

Ein Artikel von:

Udo Brandes führte ein Interview mit dem Gymnasiallehrer und Buchautor Hauke Arach (Pseudonym). In seinem Buch „Mensch, lern das und frag nicht! Wie unsere Kinder für die Zukunft vorbereitet werden“ analysiert er Schulbücher und Schulunterricht. Er kommt zu der ernüchternden Erkenntnis, dass unser Schulsystem „einseitig die Ideologien der herrschenden Eliten, anstatt kritisches Denken“ lehrt. Wir danken für die interessanten Zuschriften, die Ala Goldbrunner für Sie zusammengestellt hat.

1. Leserbrief

Liebe NachDenkSeiten, lieber Herr Brandes!

Fördern unsere Schulen den demokratischen Geist? — Vielen Dank, dass Sie diese Frage stellen und den Autor von „Mensch, lern das und frag nicht!“ interviewt haben.

„Schule muss ein Ort sein, an dem demokratische und menschenrechtliche Werte und Normen gelebt, vorgelebt und gelernt werden“, schreibt die Kultusministerkonferenz

in ihrer Stellungnahme „Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule“. Unabhängig von fragwürdigen Lehrplänen und fragwürdigen Schulbüchern bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, dass “unsere Schulen den demokratischen Geist fördern” und dass demokratische Werte und Normen “gelebt, vorgelebt und gelernt werden”.

Am 24.11.2020 wurden Sachverständige vor dem Schulausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen zu dem Antrag “Wir wollen mehr Demokratie wagen” angehört. Ein Mitglied der Landesschülervertretung Nordrhein-Westfalen monierte laut Ausschussprotokoll 17/1227:

„Ernst genommen zu werden ist überhaupt eine unglaublich wichtige Sache. Leider ist das, egal auf welcher Ebene man gerade aktiv ist, nicht unbedingt der Fall.“

 

Die damalige Vorsitzende der Landeselternschaft der Gymnasien sagte:

„Ich habe es erlebt – das entnehme ich auch jetzt als Vorsitzende immer wieder dem, was an uns herangetragen wird –, dass in Schulkonferenzen Tagesordnungen aufgerufen werden, die nicht abgesprochen sind. Vorher werden auch keine Papiere an die Eltern herausgegeben, sodass sie Nachfragen stellen könnten. Die Schüler bekommen meistens noch viel weniger mit. Die Lehrer haben sich aber abgesprochen […]. Die Schüler fand ich in dem System Schulkonferenz teilweise noch viel schlechter behandelt als uns. Da muss also ganz viel getan werden. […]

Aber wer kontrolliert oder schaut eigentlich, dass diese Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrern, Schülern und Schulleitung gut funktioniert? Und was tut man, wenn das überhaupt nicht läuft? Erst einmal müssen die Eltern und auch die Schüler ja merken, dass eine Verkürzung ihrer Rechte erfolgt. Häufig bekommen sie das, wie gesagt, aufgrund von Unwissenheit gar nicht mit. Dann muss man aber natürlich auch immer mal wieder jemanden ins System hineinbringen, der schaut, ob das auch gut läuft — und vor allen Dingen dann, wenn es ein Signal gibt, dass es nicht gut läuft.“

Diese Schilderungen waren und sind in hohem Maße befremdlich und besorgniserregend. Sie deuten darauf hin, dass an manchen oder vielen Schulen in Nordrhein-Westfalen Willkür herrscht oder die innerschulische Demokratie unterentwickelt ist.

Aus meiner Sicht gibt es neben dem Missstand, dass aktive, engagierte Schüler- und Elternvertretungen nicht immer ernst genommen werden und ihre Mitwirkungsrechte offenbar an manchen Schulen missachtet werden, folgendes Problem: Allem Anschein nach vernachlässigen manche Schülervertretungen ihre eigentliche Aufgabe, nämlich die Rechte und Interessen der Schüler zu vertreten; statt dessen werden — zugespitzt formuliert — Waffeln gebacken, Schokonikoläuse und Valentinsrosen verteilt; SV-Verbindungslehrer stören sich daran offenbar nicht. Siehe hierzu den Artikel “Schülervertretungen: Wenig Licht und viel Schatten” auf meinem Blog.

Die Kultusministerkonferenz stellt selber fest (in der eingangs erwähnten Stellungnahme): “Eine rechtsstaatlich verfasste Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie musste und muss immer wieder erlernt, erkämpft, gelebt und verteidigt werden. Demokratie braucht überzeugte und engagierte Demokratinnen und Demokraten. […] Da jedoch das Erlernen und Erfahren von Demokratie eine Querschnittsaufgabe darstellt, sind alle Lehr- und Fachkräfte in ihrem Unterrichten und Handeln unserer freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie verpflichtet.”

Wenn es an einer Schule nicht genügend überzeugte, engagierte und wehrhafte Demokraten gibt, ist der demokratische Geist dort erledigt.

Alexander Roentgen, Diplom-Mathematiker und Lehrer in NRW

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