Man höre und vertrete nur die Regierungsmeinung - Meinungsfreiheit im Werte-Westen
Es ist ad poenam verboten, beide Seiten anzuhören und darüber zu berichten! Man höre und vertrete ausschließlich die Regierungsmeinung - Meinungsfreiheit a la deutsches Innenministerium? Grundsätzlich gilt: „Jede Meinung darf geäußert werden, auch pointiert überspitzte, unreflektierte, politisch unkorrekte oder gar abstoßende Ansichten.“(Roswitha Engelke)
"Kein Kontext – nur Krokodile"
Posted on 20/10/2023 63 Comments
“Ich habe etwas Merkwürdiges festgestellt: Sobald man anfängt, den komplexen Hintergrund der Situation zu analysieren, wird man verdächtigt, den Terrorismus der Hamas zu unterstützen oder zu rechtfertigen. Ist uns klar, wie merkwürdig dieses Analyseverbot ist? In welche Gesellschaft gehört ein solches Verbot?”
Mit diesem Hinweis löste Slavoj Zizek mit seiner Rede bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse Tumulte im Publikum aus.
Nun redet der Philosoph und Psychoanalytiker oft und viel und gern auch mal ziemlichen Unsinn – wie zur Ukraine oder in Sachen “Pandemie”, als auch Jürgen Habermas und andere prominente Intellektuelle sich als analytische Versager entpuppten und dem “Stockholmsyndrom” zum Opfer gefallen waren. Dass aber jetzt schon der banale Hinweis auf “audiatur et altera pars”, auf den fundamentalen Grundsatz, dass jede angemessene Beurteilung immer beide Seiten berücksichtigen muss – wenn schon solche Selbstverständlichkeiten öffentlich nicht mehr geäußert werden können ohne beim hochmögenden Hochkulturpublikum zum Skandal zu werden, dann sieht es wahrlich finster aus im freien Werte(hof)-Westen. Will sagen: beim Recycling klassischer Werte und Werkzeuge der Wahrheitsfindung, den Methoden aufgeklärter, praktischer Vernunft muss einiges sehr schief gelaufen sein, wenn ein anerkannter Kopf wie Zizek mit ein paar Selbstverständlichkeiten das Buchmessenpublikum erschrecken kann, wie Oskar aus der Mülltonne die Kinder in der Sesamstraße.Und der Direktor der Show die lieben Kleinen zum Abschluss noch mal erinnern muss, dass es einmal so etwas wie die “Freiheit des Worts” gab. Aber damit rasch ins Bett oder vor die Glotze und weiter träumen, von bösen, animalischen Palästinenser:Xinnen und guten, menschlichen Israeli:Xinnen. Und dass unser großer Onkel Sam schon alles richtig macht wenn er jetzt Flugzeugträger an die Küste verlegt…
Dass ausgerechnet auf einer Buchmesse der Hinweis auf die unverzichtbare Notwendigkeit von Kontext und Hintergrund skandalisiert und ausgebuht wird, hat mehr als nur ein “Geschmäckle”, es indiziert die mittlerweile vollkommene Infantilisierung des öffentlichen Diskurses. Die schon im Zuge der Pandemie und des Kriegs in der Ukraine perfektionierte Desinfektion des Meinungskorridors erreicht damit fraglos einen weiteren Hygiene-Höhepunkt: nicht nur “Querdenken” – einst gesuchte Kompetenz in allen Unternehmen – wird diskriminiert, jede Art von Analyse wird verboten.
“Ist uns klar, wie merkwürdig dieses Analyseverbot ist? In welche Gesellschaft gehört ein solches Verbot?” hat Zizek gefragt, aber seinem infantilisierten Publikum ist das ganz offensichtlich nicht klar – es wähnt sich stets und eindeutig bei den Guten. Das “Wer nicht fragt bleibt dumm” aus der Sesamstraße haben sie in der “Mehrkomponentenwertstofftonne” entsorgt. Wenn auf der Bühne des medialen Kaspertheaters das Krokodil auftaucht, muss man ja auch wirklich keine Frage stellen, egal ob es Al Quaida, Covid, Putin oder Hamas heißt, Krokodil ist schließlich Krokodil und immer gefährlich und böse. Aber zum Glück wissen die amtierenden Kasper immer was zu tun ist um das Publikum von dem Bösen zu erlösen…bis es dann “See you later alligator” klingt und das nächste Krokodil durchs mediale Dorf getrieben wird. “Krieg in Permanenz” heißt der profitable Zirkus und funktioniert nur, wenn schreckliche Krokodile Schrecken verbreiten und niemand sie mit “Wieso? Weshalb? Warum?” in Frage stellt. Sie müssen aus heiterem Himmel auftauchen, ohne Ursache, Motiv, Hintergrund…ohne Kontext. Nur aus allen Zusammenhängen, jeder Komplexität, jeder Geschichte gerissen zeigen sie Wirkung. Und wehe jemand wagt, wie Slavoj Zizek eine harmlose Frage zu stellen, da saust ihm wie vom Kasper mit “Ho Ho Ho” die Klatsche die Holocaust-Keule ins Genick: als Hamas-Verharmloser, Judenfeind und Antisemit.
Um das strikte, kontextfreie Schwarz-Weiß-Narrativ nicht zu gefährden wurden in der Schweiz jetzt vorsorglich pauschale Demonstrationsverbote erlassen. Dass vom Publikum zwei Krokodile gefordert werden, kann nur zu Verwirrung führen, mehr als ein akut gefährliches Monster auf der Bühne wäre eine Überforderung. Kriegsverbrechen auf beiden Seiten anzuprangern geht gar nicht, oder nur dort, wo man mit der grauenhaften Realität konfrontiert ist – in Israel. – und nicht mit Kaspertheater. An Berliner Schulen wird unterdessen das Tragen des Palästinenserschals verboten:
“Am 13. Oktober erhielten alle Berliner Schulleitungen, Schulämter und Schulaufsichtsbehörden ein Schreiben der Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) mit dem Titel: “Umgang mit Störungen des Schulfriedens im Kontext des Terroranschlages in Israel”.Schulleitungen und Lehrkräfte sind nun aufgefordert, alle “Symbole, Gesten und Meinungsäußerungen” zu verbieten, die “noch nicht die Grenze zur Strafbarkeit erreicht haben”. Darunter fallen unter anderem das “sichtbare Tragen einschlägiger Kleidungsstücke” wie der Kufiya, der traditionellen arabischen Kopfbedeckung, oder auch Aufkleber mit der Aufschrift “Free Palestine”. Lehrer werden zudem aufgefordert, “im Verdachtsfall” ihre Schüler “unverzüglich” bei der Polizei anzuzeigen.”
In welche Gesellschaft gehören solche Verbote ? Wäre ich noch ein leicht renitenter Oberschüler wie vor der Reifeprüfung, hätte ich mir so ein inkriminiertes T-Shirt besorgt und es mit dickem Filzstift durchge-ixt und vielleicht noch BEFEHL IST BEFEHL! darunter geschrieben…