02. März 2024   Aktuell

Ukraine-Krieg: Keine Distanz zur NATO-Propaganda

(...) Ich kritisiere nicht nur die medialen Narrative, sondern das Benehmen der Journalisten. Sie führen sich auf wie Soldaten einer Propagandakompanie. (...) Sie sind Sitzredakteure. Sie sitzen sicher in Redaktionshäusern auf ihren Sesseln, befinden sich nicht an der Front, haben keine Ahnung, wie es ist, wenn um sie herum aus Panzern gefeuert wird. Sie wiederholen ausschließlich das verbal oder gedruckt, was iihnen ihre von Regierungen bezahlten Bosse befehlen.


Ukrainekrieg: »Keine Distanz zur NATO-Propaganda«

 

Quelle: jungeWelt

In den vergangenen Jahren ist eine Flut von Büchern über die Ukraine erschienen. Was unterscheidet Ihr Buch »Auf beiden Seiten der Front« von anderen?

Es unterscheidet sich, weil ich vor Ort war: in der Westukraine unmittelbar vor dem Krieg und im Donbass ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn. Ich kenne beide Länder, die Ukraine und Russland, und es sind Tote auf beiden Seiten zu beklagen. Was aus den Propagandakanälen in Washington, Berlin und Moskau kommt, habe ich durch die Realitätsprobe vor Ort prüfen können. In meinem Buch sind Geschichten von den Menschen aus der Ukraine mit den geostrategischen Überlegungen, die in diesen Krieg geführt haben, verbunden.

Sie kritisieren das westliche Mediennarrativ. Was genau haben Sie daran auszusetzen?

Ich kritisiere nicht nur die medialen Narrative, sondern das Benehmen der Journalisten. Sie führen sich auf wie Soldaten einer Propagandakompanie. Das gehört sich nicht. Sie haben keine Distanz zur NATO-Propaganda – wie auch ein großer Teil der russischen Medien keine Distanz zur Propaganda des Kreml hat. Vor 20 Jahren wäre es nicht denkbar gewesen, dass Sitzredakteure am Computer einem Kriegsreporter in den Rücken fallen. Denn damit gefährden sie sein Leben.

 

Für einen Kriegsberichterstatter gilt: Raus aus dem Netz und immer in Bewegung bleiben. Wenn man das nicht kann, weil man sich mit Anwälten und dem Shitstorm an der »Heimatfront« abgeben muss, dann wird man zum Ziel der Richtschützen. Diese Sitzredakteure führen sich auf wie journalistische Drohnenpiloten, die fernab vom Kriegsgeschehen am Bildschirm jemand anderen zum Abschuss freigeben.

Das zeigt in welchem Maß im heutigen Journalismus ethische Normen missachtet werden, die Probe vor Ort durch postfaktisches Skandalisieren und Denunzieren ersetzt wird und wie sich die Mainstreammedien der NATO-Propaganda unterordnen. Die Synkrisis des deutschen Journalismus mit der NATO-Propaganda ist bestürzend. Nicht nur mit Blick auf die Primitivität der tiefen Indoktrination und ihrem postfaktischen Charakter, sondern mehr noch, durch die bedingungslose Unterwerfung unter ihren betont unduldsamen Ausschließlichkeitsanspruch.

Wie hat sich Ihre Erfahrung vor Ort von den Mediennarrativen unterschieden?

Das Leid der Menschen wird in der Berichterstattung weitgehend ausgeblendet. Die geostrategischen Dispositionen, die Vorgeschichte des Konflikts, werden schlichtweg unterschlagen und auch die Lebensrealitäten sowie die wirtschaftlichen Fragen in der Ukraine kommen gar nicht vor. Alles, was auf russischer Seite passiert, wird vom Nebel der Propaganda verdeckt. So lässt sich leicht erklären, und das deckt sich auch mit der Wissenschaft, dass östlich des Dnjepr die Bevölkerung prorussisch ist. Das hat historische Gründe und es hat auch den Grund, dass dieser Krieg nicht 2022, sondern 2014 begonnen hat. Es hat Tausende Tote unter der russischstämmigen Bevölkerung gegeben. Erwähnt wird nicht, dass Russland zwar zu 80 Prozent Mariupol zerstört hat, aber mittlerweile sehr viel Geld in den Wiederaufbau steckt.

Wie wird der Krieg im Donbass wahrgenommen?

Wenn man mit den Menschen redet, hört man oft: »Wir sind doch auch Ukrainer. Warum beschießen die uns seit acht Jahren?« Die Menschen im Donbass fühlen sich im Kern als ­Ukrainer, aber dadurch, dass auf dem Maidan 2014 ein Putsch inszeniert und daraufhin die Bevölkerung der föderalistisch orientierten Gebiete im Osten beschossen wurde, haben sich diese Menschen mehr und mehr von der Zentralregierung in Kiew ­abgewendet. Die Regierung hat nach den Vorgaben der NATO und der EU gehandelt, und daher ist, was im Donbass geschah, und auch der russische Einmarsch, ein Resultat dieser Politik. Manche Menschen haben mir gesagt: »Putin hat uns im Stich gelassen, der hätte schon 2014 kommen müssen.«

 

 

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