Nix gelernt? 1945: Bomben auf Plauen – 2025: Suche nach Kellern in Plauen, die als Luftschutzraum tauglich sind
1945, Deutschlands Industriestädte waren nur noch Schutthaufen. Britische Flieger warfen am 15. Oktober 1944 Zehntausende Phosphor-Bomben auf Braunschweig ab. Die Feuersbrunst vernichtet fast die komplette Altstadt. 80.000 Menschen verlieren ihr Zuhause. Zigtausend Menschen starben in den Flammen. (...)
"Nix gelernt? 1945: Bomben auf Plauen"
Beitrag NachDenkSeiten
Haben wir hierzulande noch alle Tassen im Schrank? Die Frage stelle nicht nur ich mir, in meinem persönlichen Umfeld schütteln viele Menschen ebenso nur noch den Kopf über die sinnlose Entfesselung einer sichtbaren wie unsichtbaren Militarisierung der Gesellschaft. Bis ins alltägliche Leben der einfachen Leute dringen Auswüchse einer unsäglichen Entwicklung ein. In meiner Heimatstadt sind viele Bürger sehr sensibilisiert zum Thema Krieg. Plauen wurde in den Jahren 1944 und 1945 zu über 75 Prozent durch Bomben der Alliierten zerstört. Was folgte, war: Nie wieder Krieg! Dieser Satz hat bis heute Gewicht. Nun haben wir 2025, Zeitenwende. In Plauen wird behördlicherseits nachgefragt, welche Keller als Luftschutzraum geeignet wären … Ein Zwischenruf von Frank Blenz.
Das Ohr an der Masse haben, den einfachen Menschen zuhören, bringt Erkenntnisgewinn. Wenn nach diesen Erkenntnissen gehandelt werden würde, sähe die Welt besser aus, finde ich. Doch es läuft ganz anders. Schlimm ist, das erlebe ich immer und immer wieder, dass wichtige Menschen, Politiker zum Beispiel, sehr wahrscheinlich wenig vom Zuhören halten. Und so handeln sie auch – über die Köpfe der Bürger hinweg. Eine Geschichte aus meiner Heimatstadt Plauen im Vogtland (Sachsen).
Mädchen überlebte Bombenangriff dank eines Türrahmens
Neulich traf ich einen guten alten Freund [Name der Redaktion bekannt]. Der Schwatz auf der Straße war sehr aufschlussreich und beeindruckend, ist mein Gegenüber doch ein wandelndes Lexikon, ein Archivar des Lebens unserer Heimatstadt Plauen. Mit ihm hatte ich vor Jahren ein gemeinsames Projekt realisiert. Ich hatte eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Plauener Geschichten“ am Laufen, in der Bürger über ihr Leben sprachen und auch mit dem Publikum in Dialog traten. Mein Freund war einer dieser Gäste. Er erzählte über seine Leidenschaft „Plauener Unterwelt“. Damit waren die vielen Keller, Bergwerksanlagen und Gänge sowie deren Entwicklung gemeint. Mein guter alter Freund, liebevoll Bergknappe genannt, wusste viel über eine schlimme Zeit zu berichten, die Zeit des Zweiten Weltkrieges. 1944 und 1945 wurde Plauen durch Luftangriffe amerikanischer und englischer Streitkräfte heftig zerstört, viele Menschen kamen um.
In meiner Veranstaltung mit dem Bergknappen kam eine alte Plauenerin zu Wort. Sie schilderte ihr Glück und ihr Unglück. Am unteren Graben mitten in der Altstadt wohnte sie mit ihrer Familie. Wieder mal wurde ein Luftalarm ausgelöst. Mehrere Familienmitglieder liefen los. Sie wollte ebenfalls losrennen, doch sie und weitere Hauseinwohner waren zu spät. Überall knallte und donnerte es. Sie retteten sich in einen Keller, zunächst. Sie, das damals kleine Plauener Mädchen, stellte sich in einen Türrahmen, als wenig später eine Bombe neben dem Haus einschlug. Nach der verheerenden Detonation, nach dem Eintreten einer ewigen Stille, nach dem Verwehen des schweren Staubes stellte sie fest: Sie hatte überlebt. Warum? Der Türrahmen hatte sie geschützt, während um sie herum Mauern des Hauses eingebrochen waren und andere Mitmenschen unter sich begraben hatten …
Plauen wurde kriegstauglich gemacht – eine Episode aus 1939
Im Vortrag meines Freundes bei meinen „Plauener Geschichten“ fielen später auch Worte wie Luftschutzkeller, Luftschutzbunker, Bergwerkstunnel. Eine besondere Episode kam zur Sprache: 1939 prüfte die damalige Nazi-Verwaltung Plauens im Wahn der Aufrüstung und Ertüchtigung, welche Keller und unterirdischen Anlagen geeignet wären, im Fall eines Bombenangriffs als Luftschutzraum zu taugen. Plauens Zivilgesellschaft, längst schon willfähriger Teil der Aufrüstungsmaschinerie und Teil des gerade von Hitlerdeutschland angefachten Zweiten Weltkrieges, wurde damit kriegstauglich gemacht. 24 Keller wurden seinerzeit als geeignet angesehen, erzählte der Bergknappe. Zahlreiche weitere Räume wurden später im Laufe des Krieges ausgebaut. Ein Keller davon, welcher sich auf dem Gelände der großen Rüstungsfirma VOMAG befand, war riesig, er hatte ein Fassungsvermögen für bis zu 6.000 Menschen …
Ein Déjà-vu, das einen sprachlos macht
Mein alter Freund sah beim Erzählen nachdenklich aus, sein Stirnrunzeln wurde etwas stärker noch, als er ansetzte zu sagen: „Ich habe jetzt 2025 ein Déjà-vu lebt, das einen sprachlos macht.“ Der Bergknappe und Kenner der Plauener Unterwelt sagte, dass er vor einigen Tagen wegen seiner Kompetenz und Kenntnisse behördlicherseits angefragt wurde, wie ich es vorsichtig ausdrücke. Die Frage lautete in etwa, wie viele Plauener Keller womöglich luftschutztauglich wären. „Stell Dir das mal vor. Wir schreiben das Jahr 2025. Die Geschichte hier klingt wie einst 1939“, erhob mein Freund mahnend seine Stimme. Dann – wir schwiegen uns an.
Schutzräume vorhanden, deren „Ertüchtigung“ müsste halt auf die Tagesordnung
Ein interessanter wie skurriler Fakt zum Thema Luftschutzkeller in Plauen war ebenfalls Inhalt unseres Gesprächs. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) äußerte sich vor einiger Zeit genau so, wie das aktuell von Politikern mit dem Willen zur Kriegsertüchtigung und zivilgesellschaftlichen Mobilmachung geschieht, alarmistisch und fordernd, hier in Sachen „fehlender Schutzräume“:
Keine Schutzräume im Osten. Sachsen kommt in dieser Aufzählung nicht vor. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass öffentliche Schutzräume ausschließlich in den westlichen Ländern (einschließlich Berlin) vorhanden waren. Schutzräume der ehemaligen DDR wurden nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht in das Schutzkonzept des Bundes übernommen“, heißt es in der Antwort auf die FDP-Anfrage. Das bedeutet jedoch nicht, dass in Sachsen gar keine entsprechenden Räume vorhanden sind. Sie müssten jedoch umfassend ertüchtigt werden.
(Quelle: Sächsische Zeitung)