Helmstedt – Stadt der Einheit
Kommentar: Roswitha Engelke, Ratsfrau für DIE LINKE. Helmstedt
Seit wann hat ein hauptsächlich geografischer Umstand etwas mit der Wiedervereinigung Deutschlands zu tun?
MdLStrümpel, stellv. Bürgermeister Ryll und Bürgermeister Schobert erwähnten auf der Ratssitzung vom 19.06.2014, Helmstedter Widerstand gegen das DDR-Regime und nannten Beispiele, was Helmstedt zur Wiedervereinigung Deutschlands beigetragen hätte:
• Eine Demo im Jahre 1963 gegen den Mauerbau,
• an der Grenze konfiszierte Mickymaus-Hefte des Bürgermeisters,
• Erwähnung des Kontrollpunktes und geografische Lage,
• das Aufstellen eines Blechschildes „ Dreigeteilt niemals“, verteilt in der gesamten Bundesrepublik vom Kuratorium Unteilbares Deutschland, dessen politische Ansichten spätestens in den 1980iger Jahren die neue Ostpolitik Willy Brandts mehr behinderten, als dass sie förderlich waren.
Strümpel und Co. sind überzeugt, dass das, was sie in die Waagschale der Wiedervereinigung warfen, reale Zeichen gewesen seien für eine große, politische Leistung Helmstedts im Hin- bzw. Rückblick auf die Einheit Deutschlands. Das ist lächerlich oder peinlich, wie man will. Die Selbstbeweihräucherung, die mit dem Beschlussvorschlag einher ging war unerträglich.
Wenn einer Stadt dieser Beiname zusteht, dann ist es Leipzig.
Haben die Initiatoren des Unternehmens „Helmstedt – Stadt der Einheit“ jemals etwas von den 1989 stattgefundenen Montagsdemos in Leipzig gehört? Die Montagsdemonstranten protestierten unter anderem für die Auflösung der Staatssicherheit. Am 04. Dezember 1989 wurde die „Runde Ecke“ (Sitz der Stasi in Leipzig) von aufgebrachten Bürgern besetzt. Dieser Akt gilt heute noch als wichtiges Symbol der Selbstbefreiung. Dazu waren Mut und Rückgrat nötig. Sich an dieses Trittbrett zu hängen ist unanständig.
Gern hätte ich mich in diesem Sinn auf der Ratssitzung geäußert und Ratsvorsitzender und MdL (SPD) lauerten bereits auf eine negative Reaktion meinerseits. Doch ein Wort der Kritik von meiner Seite und die LINKE Helmstedt wäre ins SED-Sympathisantenlager befördert und als Einheitsgegner bezeichnet worden. (Eine spätere Bemerkung des Ratsvorsitzenden (SPD) in meine Richtung bestätigte meine Vermutung.) Also habe ich das Feld der Kritik meiner Ratskollegin Sybille Mattfeldt-Kloth (Grüne) überlassen, die sich verhalten zwar, aber doch treffend über den unverdienten Beinamen äußerte.
Der im Vorfeld gemachte Vorschlag des Bürgermeisters, Helmstedt den Beinamen Hansestadt zu geben, fand keine Beachtung. Das zeigt wieder einmal, dass der Mehrheit der Ratsmitglieder der Sinn für die Historie Helmstedts völlig abgeht. Das ist schade.
Traurig ist, dass der Rat "per order mufti" entschieden hat und der Helmstedter Bürger mal wieder nicht mit einbezogen wurde.