TTIP: Helmstedts Bürgermeister torpediert Ratsbeschluss
Beitrag: Roswitha Engelke, Ratsfrau DIE LINKE. im Rat der Stadt Helmstedt
Gestern, am 12. März fand im Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus, Innenstadt und Stadtentwicklung (AWTIS) die Beratung der Helmstedter Resolution gegen das Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) statt.
Aufgrund eines Antrages der LINKEN wurde in der Ratssitzung vom 16.10.2014 beschlossen, dass der AWTIS eine Resolution erarbeitet.
Gegen diesen Beschluss setzte der Bürgermeister Wittich Schobert im AWTIS durch,
dass die Stadt sich der Resolution des Städtetages in unveränderten Form anschlösse“.
Vorangegangen war sein Versuch, den Ausschuss insgesamt zur Ablehnung der Resolution zu
bewegen. Er bezog dich dabei auf ein Gutachten des Wissenschaftliches Dienstes (WD) des Bundestages, das angeblich u. a. ausführen soll, dass sich Kommunen in Angelegenheiten höherer Rechtsbereiche nicht einmischen dürften. (1. Das Gutachten liegt dem Ausschuss und dem Rat nicht vor. 2. WD-Gutachten werden regelmäßig widerlegt. Letzteres kann der Bürgermeister nicht wissen, weil er nie im Bundestag tätig war.) Gutachten, die nicht vorgelegt werden, sind als Beweismittel untauglich! Das scheint dem Bürgermeister gleichgültig zu sein. Es ist nicht das erste Mal, dass er verbal Gutachten aus dem Hut zaubert, die jedoch nie auftauchen. Die Linden auf dem Papenberg wurden seinerzeit mit Hilfe eines angeblichen Gutachtens gefällt, welches dem Rat vom Bürgermeister jedoch niemals vorgelegt worden ist.
In der Ausschusssitzung gab Herr Schobert ultimativ und lautstark den Ausschussmitgliedern zu verstehen, dass er „allerhöchstens hinnehmen würde, wenn die Stadt sich der Resolution des Städtetages in unveränderter Form anschlösse“. Was heißt, der Rat bin ich, habt Respekt ihr Buben!
Es ist beschämend, dass kein weiteres Ratsmitglied diese Vorgehensweise anprangert!
Meines Erachtens stellt dies einen rechtswidrigen Versuch dar, die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit einzuschränken. Außerdem stellt es die Demokratie auf den Kopf, denn es wird in der Bundesrepublik von unten nach oben regiert. Und Kommunen sind dem Bürger näher als Bundestag und Europäische Union. Außerdem geht es an vielen Stellen um die grundgesetzlich garantierte Handlungshoheit unserer Kommunen mit sehr konkreten Auswirkungen auf deren Bürger. Man denke nur an den von einer breiten Öffentlichkeit geleisteten Widerstand gegen die Privatisierung der Wasserversorgung.
Schoberts Versuch, die Resolution gänzlich zu vereiteln mißlang jedoch, wofür ich meiner Ratskollegin Frau Mattfeld-Kloth für Ihre Unterstützung sehr herzlich danke. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der Bürgermeister sich schon bei der Antragsannahme durch den Rat am 16.10.2015 gegen die Resolution stemmte.
Wieder einmal verkennt Herr Schobert die Situation. Nicht er bestimmt, sondern der Rat und ein gültiger Beschluss liegt vor. Er hat den Ratsbeschluss auszuführen.
Daneben es gibt sehr konkrete Gründe, den Originaltext des Städtetages nicht in allen Punkten zu übernehmen, denn es ist allgemein üblich, dass derartige Resolutionen stets im eigenen Namen abgegeben werden. So hat beispielsweise der Landkreis Helmstedt zwar die Resolutionen gegen Atomkraft und gegen die Privatisierung der Abfallwirtschaft vom Städtetag übernommen, aber die auf den Städtetag als Urheber verweisenden Texte durch „Landkreis Helmstedt“ ersetzt.
Wenn es die Stadt Helmstedt bei einem bloßen Anschließen an die belässt, handelt es sich um eine sehr schwache und wenig wirksame Position. Hier ist etwas mehr Selbstbewusstsein angebrachter. Eine solche Abschwächung ist weder sinnvoll noch entspricht sie dem ursprünglichen Ratsbeschluss.
Weitere Änderungen im Text des Städtebundes wären sinnvoll. Ausdrücke wie „Wert legen“ sollten durch eine scharfe Formulierung wie „Bestehen auf“ ersetzt werden, denn es geht um grundlegende Einschnitte in staatliche Handlungshoheiten und Bürgerrechte.
Außerdem erweckt der Text des Städtetages nur vermeintlich den Eindruck einer Vollständigkeit der negativen Auswirkungen des TTIP. Denn es fehlen wichtige Punkte wie Verbraucherschutz und Schutz der Arbeitnehmerrechte (Streikrecht).
Entweder man beschränkt sich auf die Auswirkungen auf die Kommunen und ihre Bürger
oder man stellt annähernd alle Folgen dar. Für welche der beiden Formen man sich entscheidet ist eine Grundsatzfrage. Da aber den Eindruck der vollständigen Darstellung vermittelt wird, muss die Liste auch hinreichend vollständig sein.
In seiner Not griff Herr Schobert zum Urheberrecht und warf ein, dieses würde durch die von mir geforderten Änderungen verletzt.
Der Herr Bürgermeister sollte sich informieren bevor er von Urheberrechten spricht. Schutzgegenstand des deutschen Urheberrechts sind gemäß § 1 Urhebergesetz Werke der Literatur, Wissenschaft, Kunst. Gem. § 2 UrhG: Reden, öffentliche Reden, Werke aus dem Computerbereich. Eine Resolution ist eine Willenserklärung nicht mehr und nicht weniger.
Der Begriff "Willenserklärung" sollte ihm aus seiner Lehrzeit bekannt sein.
Eine vernünftige Diskussion im Ausschuss war unter den gegebenen Umständen unmöglich und schien vom Bürgermeister auch nicht erwünscht zu sein. Eine derartige Beschneidung der demokratischen Handlungshoheit darf sich ein Rat nicht bieten lassen. Nebenbei bemerkt, der Bürgermeister läßt es immer häufiger an Respekt dem Rat gegenüber fehlen.