25. März 2012   Aktuell

Biogasanlage Helmstedt - Aus für Feriengebiet Lappwaldsee

Bedeutet die Biogasanlage Helmstedt das Aus für das Feriengebiet Lappwaldsee?
Eine kritische Stellungnahme von Roswitha und Ulrich Engelke

Eine geplante Biogasanlage und die Auswirkungen auf das zukünftige Feriengebiet Lappwaldsee und das Wohngebiet „Galgenbreite “ waren das wesentliche Thema der Bürgerfragestunde am 21.03.2012 im Helmstedter Schützenhaus.

Eingeladen hatte der Bürgermeister der Stadt, da eine Interessengemeinschaft des betroffenen Wohngebietes Geruchsbeeinträchtigungen durch das Vorhaben des Landwirtes Dieckmann befürchtete.

Beantwortet wurden die Fragen durch ein Gremium, das im Wesentlichen aus dem

•    Planungsingenieur der zukünftigen Anlage,
•    einem Vertreter der Landwirtschaftskammer und
•    dem Bauherrn bestand.

Die Leitung der Versammlung hatte der Bürgermeister.

Aus der Zusammenstellung des Gremiums ließ sich erkennen, dass Neutralität nicht wirklich zu erwarten war, sondern eher das Verteilen von Beruhigungspillen an die anwesenden Bürger.

Der Bauherr, Landwirt Dieckmann,  stellte sich und seine Obstbrennerei vor und ließ dabei wohlüberlegt sein landwirtschaftliches Anwesen mit Viehhaltung aus. Aber er erwähnte, dass seine Vorfahren schon einmal vor der Tatsache gestanden hatten das Gehöft wegen seiner Größe in den Außenbezirk von Helmstedt verlegen zu müssen.

Der Planungsingenieur, ein Herr aus Steinfurt, brachte ebenfalls im Erzählton vor, dass in seinem Heimatort bereits öffentliche Gebäude  wie Gymnasien mit Biogas beheizt würden.

Der Vertreter der Landwirtschaftskammer, erklärte nebenbei, er sei an Botolismus erkrankt, dass aber diese Krankheit bei einer mit Mais betriebenen Anlage nicht auftreten kann.

Inhaltlich hatten derartige Ausführungen mit der vorgelegten Planung nichts gemeinsam.

Die Kernfrage nach Umfang und Art der geplanten landwirtschaftlichen Gebäude blieb unbeachtet. Unerklärlich ist, dass entsprechende Nachfragen dagegen den Unwillen des Bürgermeisters Wittich Schobert hervorriefen, der dem Frager (Mitverfasser Ulrich Engelke) mit Rausschmiß drohte und dabei politisch zu diskreditieren versuchte. Die gleiche Frage eines weiteren Mitbürgers an den Bauherrn direkt gestellt, blieb ebenfalls unbeantwortet.

Warum hat der Bürgermeister diese Grundsatzfrage vom Bauherrn nicht unverzüglich beantworten lassen, beruht doch das von Herrn Dieckmann vorgelegte  Geruchsgutachten auf einer Biogasanlage ohne Gehöft bzw. Stallungen?!

Setzt man sich mit der Planung der „Biogasanlage“ gründlich auseinander, erklärt sich die verwendete Nebelbombentaktik des Gremiums. Bei der Planung handelt es sich keineswegs nur um die Planung einer Biogasanlage, denn diese wird lediglich einen - wenn auch bedeutenden - Bestandteil des neu entstehenden Gehöfts darstellen. Der Landwirt Dieckmann erklärte die Notwenigkeit für einen Umzug in seinem Eingangsreferat. Die daraus resultierende Frage des Mitverfassers Ulrich Engelke, "warum in den dem Publikum vorgestellten Präsentations-Zeichnungen die in den Planungsunterlagen benannten Stallungen und die diversen Satellitenstationen für die Wärmenutzung nicht eingezeichnet wären", wurde jedoch geblockt. Statt dessen wurden andere öffentliche angebliche Verwendungen angedeutet. Es handelte sich um eine Märchenstunde.

Dies geschah im Gegensatz zu den in den Planungsunterlagen - allerdings auch nur vage ausgeführten - Nutzungsmöglichkeiten. Die Bürger wurden getäuscht.

Die Gesamtanlage wird das Feriengebiet und das Wohngebiet Galgenbreite ganz erheblich berühren. Fraglich wird hier schon das vorgelegte Geruchsgutachten, das ausschließlich in der Aufgabenstellung nur eine Biogasanlage bewertet, aber die geplanten Stallungen oder die auch möglichen Großmastanlagen unberücksichtigt läßt. Die kostenlose zur Verfügung stehende enorme Wärmemenge könnte außerdem den weiteren Ausbau der Alkoholproduktion der Firma Dieckmann nach sich führen. Angesichts einer Extravergütung für die sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) nach dem Gesetzt über Erneuerbare Energien (EEG) ist die weitestgehende Ausnutzung der Wärmemengen jedoch wirtschaftlich sinnvoll und daher anzunehmen.

Das alles blieb unberücksichtigt. Die Bebauungsplanänderung läßt jedoch nicht nur eine standardmäßige Biogasanlage zu, sondern diverse Anwendungen. Insofern entspricht das Gutachten nicht den tatsächlichen und im Plan ausdrücklich genannten Nutzungsmöglichkeiten. Die Zustimmung des Helmstedter Rates erfolgte daher unter falschen Gesichtspunkten. Dem Planer ist vorzuwerfen, dass er eine Bebauungsplanänderung neben der Biogasanlage auch für jegliche landwirtschaftliche Nutzung erwirkte, dem Gutachter jedoch keine dementsprechende Aufgabenstellung zuwies. Na, ja.

Es gibt eine ganze Reihe von Beeinträchtigungen, die entstehen werden und zusätzlich sehr wahrscheinlich entstehen könnten. Thematisiert wurden sie bisher umfassend nicht. Die Form einer Bürgerfragestunde und insbesondere die Besetzung des Gremiums durch Interessenvertreter des Landwirts waren zur Nennung, Diskussion und Klärung aller denkbaren Fragen ein ungeeignetes Instrument. Eine offene Podiumsdiskussion mit kompetenten Kritikern wäre richtig gewesen.

Auf die Frage von Gesundheitsschäden durch Botulismus erklärte der Vertreter der Landwirtschaftskammer, daß Botulismus eventuell durch Erreger von bei der Ernte mit erfaßten Wildtieren in eine Biogasanlage geraten könnte. Und diese Erreger, bestimmte seltene Arten von Clostridien, sitzen im Darmtrakt der Tiere. In die Biogasanlage wird aber nicht nur Mais eingebracht werden, sondern ein wesentlicher Bestandteil werden Exkremente von Geflügel sein - dies tonnenweise. Den enthaltenen Keimen macht jedoch der Durchlauf durch einen Fermenter nicht das Geringste aus, denn diese arbeiten bei einer für die Bakterien sehr angenehmen Temperatur. Die spätere Trocknung der Gärreste führt zu einem Versporen der Keime, die dann bei günstigen Bedingungen wieder zu Bakterien reformieren. Aufgebracht werden diese Gärreste großflächig im Umfeld der Gehöfts. Bei trockener Witterung und Westwind wird eine Fahne von Sporen über den Lappwaldsee ziehen. Dabei kommt es nicht unmittelbar nur auf die primär gefährlichen Keime an. Inwieweit ein menschlicher Organismus auf die hohe Sporenbelastung mit beispielsweise Allergien reagiert, ist wissenschaftlich zur Zeit noch ungeklärt. Dazu kommen noch eventuelle weitere Belastungen auch geruchlicher Art aus den Abluftfahnen von Mastanlagen.

Die Planung führt im übrigen auch die eventuelle Verdopplung der Anlagenleistung auf. Im Endeffekt könnte ein riesiger industrieähnlicher Komplex mit diversen Emissionsquellen entstehen. Das Landschaftsbild würde sich ganz erheblich verändern.

Unter diesen Einwirkungen wird eine umfangreiche touristische Nutzung des Lappwaldsees wahrscheinlich nicht möglich sein. Kein Touristikunternehmen wird den Lappwaldsee in das Angebot aufnehmen. Wer will hier zelten, ein Ferienhaus bauen oder ein Segelboot ankern?

Der Rat der Stadt Helmstedt ist dringend aufgefordert, die Bebauungsplanänderung zurück zu ziehen. Es muß dann ein umfassendes Gutachten beauftragt werden um zu klären, ob sich die Planung des Bauherrn mit allen seinen vielfältigen Problematiken mit dem Feriengebiet verträgt. Erst danach darf endgültig entschieden werden.

Helmstedt, 24.03.2012
Roswitha Engelke, Ratsfrau im Stadtrat Helmstedt
Ulrich Engelke, Dipl.-Ing. Gesundheits- und Umwelttechnik

Dazu verweise ich auch auf den vorhergehenden Beitrag: Weg von der industriellen Landwirtschaft.

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