06. Oktober 2021   Aktuell

... geht doch: In Graz (Steiermark) siegten die Kommunisten


Bei der Gemeinderatswahl in Graz hat die Kommunistische Partei unerwartet das Rathaus erobert. Die ÖVP wurde nach 18 Jahren abgewählt. Es ist bereits von "Graznost" die Rede.

 

Quelle: jungeWelt, Ausgabe vom 04.10.2021, Seite 8 / Ausland, Kommunistische Jugend

»Der Wahlsieg der KPÖ in Graz freut uns sehr«

 

Die Kommunistische Jugend Österreichs will als unabhängige Kraft Klassenbewusstsein schaffen. Ein Gespräch mit Leonhard Engelmaier
Interview: Annuschka Eckhardt

Sie sind aktiv in der Kommunistischen Jugend Österreichs, KJÖ. Was unterscheidet Ihre Organisation von der Kommunistischen Partei Österreichs, KPÖ, von der sie sich vor einigen Jahren abgespalten haben?

Die KPÖ hat sich auf Bundesebene und in den Bundesländern außerhalb der Steiermark schon vor langer Zeit von marxistischen Überzeugungen verabschiedet. Das fing in den 1990er Jahren an und setzte sich seitdem Schritt für Schritt fort. Einige Strömungen würden aus der KPÖ gerne eine Partei machen wie Die Linke in Deutschland. Das war der Grund für uns, als marxistisch-leninistische Jugendorganisation zu sagen, dass wir nicht mehr mit der KPÖ zusammenarbeiten. Die KJÖ wiederum ist der einzige kommunistische Jugendverband, der bundesweit in Österreich existiert. Unser Ziel ist es, die ganze arbeitende und lernende Jugend zu organisieren, Klassenbewusstsein zu schaffen.

 

Wie steht die KJÖ zur Partei der Arbeit, PdA?

Die PdA ist eine der Parteien in Österreich, die sich als kommunistisch verstehen. Da es auf Bundesebene keine solche Kraft gibt, arbeiten wir je nach Bundesland mit unterschiedlichen Parteien zusammen, darunter ist auch die PdA.

Am vorletzten Wochenende errang die KPÖ Steiermark einen Achtungserfolg. In der Landeshauptstadt Graz wurde sie bei der Gemeinderatswahl stärkste Kraft. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?

Der Wahlsieg der KPÖ in Graz freut uns sehr. Es ist nicht nur eine verdiente Bestätigung für die Mitglieder der KJÖ in der Stadt, die auch außerhalb der Wahlkampfzeiten unermüdliche politische Arbeit leisten, sondern ein Motivationsschub für alle jungen Kommunistinnen und Kommunisten hierzulande. Dass so etwas in einem antikommunistischen Land wie Österreich gelungen ist, muss den Aktiven in Graz hoch angerechnet werden.

Wir hoffen zudem, dass das ein Zeichen für ein Umdenken bei der Jugend im Land ist. Die letzten Jahre, die Pandemie und der sich immer offensichtlicher zeigende Klimawandel haben für viele deutlich gemacht, dass es in diesem kapitalistischen System keine Zukunft gibt – weder auf kurze noch auf lange Sicht. Aber natürlich ist dieser Wahlsieg noch keine Revolution. Unabhängig davon, wie die Grazer Stadtregierung am Ende aussehen wird, wird unsere Arbeit weitergehen.

Wie begegnet Ihnen der Antikommunismus im Alltag?

Das ist sehr unterschiedlich. In der Jugend ist er unseren Erfahrungen nach nicht so stark verbreitet. Vor allem begegnet uns Unwissen darüber, für was Kommunismus eigentlich steht, abseits gängiger Vorurteile. An Universitäten begegnen uns schon eher antikommunistische Milieus, das reicht von Rechten bis zu den »Postmodernen«.

Die Coronapandemie stellte insbesondere die junge Generation vor große Herausforderungen. Wie bewerten Sie die Arbeit der österreichischen Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz?

Von den Jugendlichen wurde während der Pandemie erwartet, den ganzen Tag zu Hause zu sitzen. Schulunterricht fand nur online statt. Nur fehlten die Vorbereitungen dafür, es herrschte ein regelrechtes Chaos. Für das, was sie in der Coronakrise bis jetzt »geleistet« haben, kann es nur eine Forderung an die österreichische Regierung geben: Tretet zurück! Wenig überraschend, wurden von Anfang an kurzfristige Profitinteressen über das Wohl und die Sicherheit der arbeitenden Menschen gestellt. Diese Politik wird bis heute fortgesetzt, ohne aus irgendwelchen vergangenen Fehlern zu lernen. Es ist eine Tragödie, dass nach dem Sommer 2020 die Infektionszahlen im Herbst wieder stiegen und eine neue Welle anrollte, während die Regierung quasi tatenlos zuschaute. Dass sich das in diesem Jahr aber genauso wiederholt, ist eine Farce. Allerdings vergeht den Betroffenen im Gesundheitsbereich, den arbeitenden Menschen und den Jugendlichen langsam das Lachen. Ansonsten können wir von einer neoliberalen bis rechten Regierung nicht viel fordern. Alles andere wäre naiv.

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