Schweigende Montagsspaziergänge - rechtsstaatlich erlaubter "Ziviler Ungehorsam"
Beitrag: Roswitha Engelke
Deutschland
Ziviler Ungehorsam als solcher ist im deutschen Recht weder eine Ordnungswidrigkeit noch ein Straftatbestand.
Ziviler Ungehorsam ist eine Form der Beteiligung der Bürger des Staates am politischen Prozess der Willensbildung und Entscheidung. Zu einer parlamentarischen Demokratie, wie es die Bundesrepublik Deutschland ist, gehören Initiativen ebenso zur politischen Willensäußerung, wie Parlamente, Parteien und Verbände. In einer Demokratie sind die Bürger zwischen den Wahlen nicht "zur schweigenden Mehrheit" verdammt. So können Interessen, die in der Wahrnehmung unterrepräsentiert sind, durch die Partizipation der Bürger in den politischen Prozess einfließen.
Wenn man will könnte man sagen, "Ziviler Ungehorsam" ist Bürgerpflicht, wenn der Staat Anordnungen trifft, die mit der EU-Menschenrechtskonvention und den Grundrechten der Bundesrepublik Deutschland nicht konform gehen.
Hannah Arendt drückte dies einmal sehr präzise aus, indem sie sagte, dass es legitim ist, zivilen Ungehorsam auszuüben, wenn die Veränderung der Gesetze oder der gesellschaftlichen Ordnung nicht über den herkömmlichen Weg herbeigeführt werden kann, wenn die Zeit drängt oder wenn eine Regierung verfassungswidrig handelt.
Montagsspaziergänge sind "Ziviler Ungehorsam", das Festnehmen der "Ungehorsamen" und diese auch noch mit einer Ordnungsstrafe belegen zu wollen, entspricht mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesreublik Deutschland.
Die Aufforderung des Vizepräsidente der Polizeidirektion Braunchweig an die Spaziergänger, sich an geltendes Recht zu halten ist nicht nachvollziehbar, da es sich im Falle des zivilen Ungehorsams um geltendes Recht handelt.
Zitat aus regionalHeute:
(...) Der Vizepräsident der Polizeidirektion Braunschweig hat sich in einem Appell an die sogenannten "Montagsspaziergänger gewandt. Er fordert sie auf, sich an geltendes Recht zu halten. (...) Zitatende
Der Aufforderung der anwesenden Polizei, einen Versammlungsleiter zu nennen, konnte in diesem Falle nicht Folge geleistet werden, da es sich bei Spaziergängen nicht um eine Versammlung handelt und es daher auch keinen Versammlungsleiter gibt.
Quelle: regionalHeute, 03.01.2022, 14:55 Uhr
"Missachtungen nicht hinnehmbar": Polizeivize richtet sich an "Montagsspaziergänger"
Region. Der Polizeivizepräsident der Polizeidirektion Braunschweig Roger Fladung wendet sich in einer Pressemitteilung mit einem Appell an die Montagsspaziergänger. Er fordert sie dazu auf, sich an geltendes Recht zu halten und die Demonstrationen anzumelden. Ansonsten hätten die selbsternannten Spaziergänger mit Konsequenzen zu rechnen. Gerade Angriffe auf Polizeikräfte würden konsequent verfolgt. Wir veröffentlichen den Appell ungekürzt und unverändert.
"Sie sind Teilnehmende an Versammlungen, nehmen die Versammlungsfreiheit für sich in Anspruch und unterliegen den Regelungen des Versammlungsrechts. Die Beteiligung als einen "Spaziergang" zu deklarieren oder Verhaltensweisen einer "uninteressierten" Teilnahme ändern an dieser Feststellung nichts.
Die Meinungskundgabe und die Versammlungsfreiheit sind in unserer Demokratie hohe Rechtsgüter. Wer das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für sich beanspruchen möchte, muss trotzdem die Grundrechte der anderen beachten.
Für die Teilnahme an Versammlungen gilt die Versammlungsfreiheit, deren Einschränkung nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen darf. Dies ist das Versammlungsgesetz, es schützt die Versammlungsfreiheit gerade auch dadurch, dass es u.a. auch die beschränkenden Verfügungen definiert. Das Handeln der Versammlungsbehörde oder der Polizei wird danach ausgerichtet und kann gerichtlich überprüft werden. Eine angezeigte Versammlung gewährt Ihnen als Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch begleitende Maßnahmen den größtmöglichsten Schutzraum. Beschränkende Verfügungen in Form von Auflagenbescheiden oder durch Anordnungen der Polizei im Verlauf einer Versammlung, dienen immer dem Ziel, einen ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten. Straftaten oder Verstöße gegen Beschränkungen stören eine Versammlung und können nicht durch den Anlass oder das Thema gerechtfertigt sein.
Das Versammlungsgesetz hat aber auch die Funktion, den Schutz der Versammlung von Menschen durch die frühzeitige Kooperation der Verantwortlichen einer Versammlung mit den zuständigen Stellen, hier der Versammlungsbehörde und der Polizei, zu ermöglichen.
- Es ist daher unverständlich, dass Teilnehmende beharrlich durch Nichtanzeige der Versammlung eine damit verbundene
Kooperationsbereitschaft verweigern, eine Versammlungsleitung nicht benennen und Regelungen des Versammlungsrechts missachten.
- Es ist nicht hinnehmbar, wenn beschränkende Verfügungen zur Verhinderung von Gefahren für Teilnehmende, Unbeteiligte und
Einsatzkräfte missachtet werden. Dazu gehören auch die Einhaltung der Maskentragepflicht und das Abstandsgebot.
- Die Beschränkungen für Versammlungen per Allgemeinverfügungen zu regeln, wie z.B. die Stadt Braunschweig erlassen hat, begrüße ich
ausdrücklich. Wir werden Verstöße durch Videoaufnahmen und Nachermittlungen beweissicher verfolgen und Identitätsfeststellungen
durchführen. So können diese Verstöße mit Bußgeldern von bis zu 3.000 Euro geahndet werden. Es geht dabei insbesondere auch um den
Gesundheitsschutz der Demonstrierenden sowie unbeteiligter Dritter.
- Wenn zur Durchsetzung eigener Meinungen Gewalt gegen Personen und/oder Sachen, eingesetzt wird, ist dies strafbar. Diese Gewalttaten richten sich häufig auch gegen Polizeikräfte, die mit der Begleitung der Versammlung beauftragt sind. Diese Angriffe stellen schwere Straftaten dar und werden konsequent verfolgt.
- Es ist gefährlich, wenn Sie gewollt oder ungewollt extremistischen oder radikalen Personen und Gruppen das Umfeld für ihre demokratie- und gesellschaftsfeindlichen Aktionen bieten. Dies beobachten wir in Braunschweig ebenso wie in anderen Städten des Landes.
Ich appelliere deshalb an Sie, sich an dieser Art von Veranstaltungen nicht zu beteiligen."