28. Mai 2022   Aktuell

Ohne NATO leben - Absage an Konfrontation

Meinung Roswitha Engelke 

Die Parteispitze der Linken distanziert sich von den Positionen und Meinungen dieser Konferenz.

Hat die Parteispitze der LINKEN vielleicht nicht den leisesten Schimmer von ihrem eigenen Partei-Programm?

(...) Für DIE LINKE ist Krieg kein Mittel der Politik. Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat. (...)

Vor dem Kongress hatte der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler, klar gestellt, dass die dort geäußerten Meinungen „ausdrücklich nicht Position unserer Partei“ seien. Auch Janine Wissler  (die Linke-Vorsitzende) distanzierte sich deutlich mit ihrer Äußerung, die Partei DIE LINKE. hätte weder organisatorisch noch inhaltlich mit der Konferenz  zu schaffen. Die Äußerungen von Schindler und Wissler zu den Meinungen der Mitwirkenden und zum Inhalt der Konferenz "Ohne NATO Leben - Absage an Konfrontation" lassen nicht erkennen, dass beide das Programm ihrer Partei  gelesen und verinnerlicht haben.

Sevim Dagdelen: "Wer das eigene Programm mit Auflösung der NATO und Ablehnung jedweder Waffenexporte nicht mehr vertreten wolle, dürfe sich über Wahlniederlagen nicht wundern. Es gibt mehr als genug NATO-Parteien im Bundestag und die Panzerfans wählen grün.« 

 


Friedenskongress in Berlin - eine Bilanz

"Ohne NATO leben - Absage an Konfrontation"

Friedenskongress in Berlin. Veranstalter ziehen positive Bilanz. Plädoyers für gemeinsame Sicherheitsarchitektur unter Einschluss Russlands

Von Chiara Schuster

»Ohne NATO leben – Ideen zum Frieden«. So lautete das Motto des Kongresses am Sonnabend in der Humboldt-Universität in Berlin, den nach Angaben der Veranstalter insgesamt 1.000 Zuhörer vor Ort beziehungsweise per Livestream verfolgten. Es ging um den Ukraine-Krieg, die Rolle von Medien und Politik sowie Visionen für eine friedlichere Welt. Besonders beeindruckend war die emotionale »Rede gegen den Krieg« des 81jährigen Theologen und Schriftstellers Eugen Drewermann. Im Zentrum standen die »wichtigste Frage unserer Zeit« – wie Frieden zurückgewonnen und bewahrt werden kann – sowie eine explizite Kapitalismus- und Imperialismuskritik.

Die »Entseelung des Körpers zu einer bloßen Marionette« machte Drewermann als elementaren Bestandteil von Krieg aus. Der »Todeskreislauf« von Angst und Hochrüstung könne nur durchbrochen werden, »indem wir keine Angst mehr haben«. »Wir hätten den Frieden haben können, wenn wir ihn hätten wollen dürfen«, sagte Drewermann bezugnehmend auf Vorschläge Russlands für eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur. Die USA hätten aus eigenen geopolitischen Interessen Europa den Konflikt mit Russland aufgezwungen. Und einzige Lösung sei, die NATO zu verlassen. »Mit ihr ist kein Frieden möglich, weil er nicht sein soll.«

 

Ähnlich hatte zuvor auch Oskar Lafontaine argumentiert. Der kürzlich aus der Partei ausgetretene Mitbegründer und frühere Kovorsitzende von Die Linke war per Video zum Kongress zugeschaltet. Eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur unter Einschluss Russlands sei unabdinglich, sagte Lafontaine. »Oligarchensysteme«, worunter er neben Russland und der Ukraine auch die USA fasste, seien zum Frieden nicht fähig. Es brauche eine andere Weltwirtschaftsordnung. Man dürfe sich nicht weiter vor den USA hertreiben lassen. Für Europa sei Lafontaine zufolge ein langfristiger Frieden anzustreben, der eine Autonomie des Donbass beinhalten müsse.

Zu Lafontaine übergeleitet hatte Moderatorin und Publizistin Christiane Reymann nach eröffnenden Worten der emeritierten Professorin Karin Kulow und einem Grußwort von Gabriele Krone-Schmalz, ehemalige Moskau-Korrespondentin der ARD. Auf dem Kongress nahm der freie Journalist und Exmitarbeiter des WDR, Ekkehard Sieker, ebenso wie der langjährige Bundestagsabgeordnete, Liedermacher und Musikproduzent Diether Dehm (Die Linke) die Rolle von Medien und Kulturschaffenden ins Visier. »Kriege [würden] auch um Köpfe geführt«, sagte Sieker. Journalisten würden zu Soldaten, statt gemäß ihrer Wächterfunktion die Mächtigen in Politik, Kultur und Wirtschaft »unter Legitimationsdruck« zu stellen. Er beschrieb, wie NGOs und philanthropische Stiftungen seit den 1980er Jahren zunehmend Geheimdienstaufgaben übernahmen und warnte vor einer »langsamen Faschisierung des bürgerlich-demokratischen Staates«.

Dehm nannte den Jugoslawienkrieg eine »Generalprobe« für Kulturschaffende, die mit ökonomischen Mitteln, aber auch mittels Begriffen wie »Querfront« oder »Verschwörungstheoretiker« eingeschüchtert würden und sich einschüchtern ließen. Der Linke-Politiker forderte eine stärkere Vernetzung fortschrittlicher Medien, insbesondere der »langen Listen von großartigen Journalisten«, die wegen ihrer kritischen Fragen bei ZDF und ARD »rausgeflogen« seien.

Ebenfalls scharfe Kritik an der NATO-Kriegsallianz und deren Selbstermächtigung, überall auf der Welt und vorbei am UN-Sicherheitsrat militärisch einzugreifen, übten neben dem emeritierten Professor für Völkerrecht Norman Paech und Anu Chenoy aus Indien auch Ann Wright (USA), Ulla Klötzer (Finnland), Andrej Hunko (MdB Die Linke) und Yuri Sheliazhenko (Ukraine). Mehrfach gefordert wurde eine neue Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), denn, so der Pazifist Sheliazhenko, »wer vom Krieg profitiert, der wird ihn nicht stoppen.«

Auch das Abschlusspodium mit der Schriftstellerin Daniela Dahn, dem Historiker Peter Brandt, der Linke-Abgeordneten Sevim Dagdelen und dem geschäftsführenden Direktor des International Peace Bureau (IPB), Reiner Braun, stand unter dem Motto »Kooperation statt Konfrontation«. Dahn forderte eine »enorme moralische Anstrengung gegen alle Widerstände«. Frieden müsse »ein besseres Geschäft als Krieg« werden. Dagdelen analysierte, beim Ukraine-Krieg handle es sich in Wahrheit um einen »Wirtschafts- und Stellvertreterkrieg« der NATO gegen Russland, bei dem die Volksrepublik China das tatsächliche Ziel sei. Braun erinnerte daran, dass die große Mehrheit der Länder der Welt sich weigere, der Kriegslogik der NATO zu folgen. »Wir sind die Stimme der übergroßen Mehrheit« der Weltbevölkerung, so Braun, der eine »Koalition der Vernunft und des Realismus« forderte.

Der von Aktiven aus bundesweiten, regionalen und örtlichen Friedensinitiativen, von dem Personenbündnis »Frieden-Links« und Einzelpersönlichkeiten veranstaltete Kongress war im Vorfeld scharfer Kritik bürgerlicher Medien, aber auch von Teilen der Partei Die Linke ausgesetzt. Vor Ort fanden sich indes nur einige wenige, dafür aber lautstarke Gegendemonstranten ein.

 

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