24. Juni 2022   Aktuell

Schock-Studie zu Kinder-Suizidversuchen in Corona-Krise

Quelle: Berlinerzeitung

Lockdown: Bis zu 500 Kinder nach Selbsttötungsversuchen auf Intensivstationen

Uniklinik Essen: Fallzahl ist im zweiten Lockdown um rund 400 Prozent im Vergleich mit der Zeit vor Corona gestiegen.

Bis zu 500 Kinder mussten nach Suizidversuchen zwischen März und Ende Mai 2021 bundesweit auf Intensivstationen behandelt werden. Das ist das Ergebnis einer Studie der Essener Uniklinik, über die der Leiter der dortigen Kinder-Intensivstation, Professor Christian Dohna-Schwake, exklusiv im Videocast 19 - die Chefvisite berichtete. Die Fallzahl sei damit im zweiten Lockdown um rund 400 Prozent im Vergleich mit der Zeit vor Corona gestiegen.

 

Die dramatische Entwicklung, die sich aus Daten von 27 deutschen Kinder-Intensivstationen ergebe, habe ihn „überrascht“. Lockdown und Schulschließungen im Frühjahr letzten Jahres hätten sich „wie Kaugummi hingezogen“, so Dohna-Schwake zu möglichen Ursachen. Das habe vor allem Kinder belastet, die schon zuvor unter Depressionen oder Angststörungen gelitten hätten. Dabei wirkten „soziale Konttakte außerhalb sozialer Medien präventiv“, betonte Dohne-Schwake. Auf Basis der zur internationalen Veröffentlichung eingereichten Studie laute seine Empfehlung daher, die Schulen „solange das irgendwie geht“ offen zu halten.

„Seelische und soziale Folgen bei Kindern wurden vollkommen ignoriert“

Einige

, Schulschließungen um jeden Preis zu vermeiden. „Durch die Omikron-Variante verschärft sich die pandemische Lage massiv, auch an den Schulen“, sagte der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, dem RND. „Das Motto der Politik darf auf keinen Fall mehr heißen, dass es Präsenzunterricht um jeden Preis geben muss“, fügte er hinzu. Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte dem RND: „Alle starren jetzt auf die Omikron-Welle. Wird es eine Welle? Wird es eine Wand?“ Meidinger: „Wenn es im kommenden Jahr noch einmal zu einem Lockdown kommen sollte, können die Schulen davon nicht ausgenommen werden.“

Die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) begrüßte hingegen

den Präsenzunterricht an Schulen so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. „Bildung hat oberste Priorität, und Präsenzunterricht ist die beste Form, sie für alle zu gewährleisten. Wir müssen alles tun, um die Schulen auch mit Omikron offen zu halten, und darauf vorbereitet sein, dass die Infektionszahlen sehr stark ansteigen könnten“, sagte Stark-Watzinger der Neuen Osnabrücker Zeitung.

 

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hatte die politische Vernachlässigung

in der Vergangenheit scharf kritisiert. BVKJ-Sprecher Jakob Maske hatte bereits im Mai 2021 gewarnt: „Es gibt psychiatrische Erkrankungen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll, dort findet eine Triage statt. Wer nicht suizidgefährdet ist und ‚nur‘ eine Depression hat, wird gar nicht mehr aufgenommen.“

Dass die Isolierung von Kindern und Jugendlichen massive Risiken birgt, schreiben auch „Corona in der Seele. Was Kindern und Jugendlichen wirklich hilft“. Gemeinsam gründeten sie 2015 das Pädagogische Institut Berlin (PIB). Beide sind als Berater und Autoren tätig und betreiben Forschungen im Bereich Pädagogik und Kinderpsychologie. In der praktischen Arbeit mit Eltern, Lehrerinnen und Erziehern erleben sie die Auswirkungen der Corona-Krise sehr direkt und wissen: Es gibt Kinder, die noch länger an dieser außergewöhnlichen Zeit zu tragen haben werden. So sei im Frühjahr 2021 in der Öffentlichkeit nur darüber geredet worden, „dass Kinder beim Ausklingen der Pandemie viel Schulstoff nachholen müssten. Die seelischen und sozialen Folgen von Corona bei den Kindern und Jugendlichen wurden vollkommen ignoriert“, sagt Baer.

Berliner Kinderarzt zu Lockdown-Folgen: „Es gibt bereits Triage in Psychiatrien“

Kinder und Jugendliche leiden unter Corona.  Wer nicht suizidgefährdet sei, wird in der Psychiatrie nicht mehr stationär behandelt, so Mediziner Jakob Maske.

Berlin - Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat die politische Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie scharf kritisiert. „Kinder und Jugendliche wurden in der Pandemie von Anfang an massiv vernachlässigt. In der ersten Phase waren die pauschalen Einschränkungen wie Schul- und Kitaschließungen noch nachvollziehbar. Aber inzwischen haben wir gelernt, dass Kinder die Infektion deutlich weniger weitertragen und selbst deutlich seltener erkranken als Erwachsene“, sagte BVKJ-Sprecher Jakob Maske der Rheinischen Post. Maske ist Kinderarzt in Berlin.

„Es gibt psychiatrische Erkrankungen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll, dort findet eine Triage statt. Wer nicht suizidgefährdet ist und „nur“ eine Depression hat, wird gar nicht mehr aufgenommen“, so Maske weiter.

Angesichts der vielen Ausfälle fordern Kinder- und Jugendmediziner schnelle Schul- und Kitaöffnungen. „Jetzt ist es an der Zeit, das Ruder herumzureißen“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Jörg Dötsch, der Rheinischen Post.

Menschen ohne Impfung dürfen keine Nachteile haben

„Wir sehen die dringende Notwendigkeit, dass sich Menschen, die sich noch nicht impfen lassen können, keine Nachteile davon haben dürfen. Es ist absolut notwendig, selbst wenn Jugendliche in den höheren Jahrgängen geimpft werden können, für Kinder im Grundschulalter, aber auch in mittleren Jahrgängen wieder ein normales soziales Leben zu ermöglichen, damit sie sich normal entwickeln können.“

 

Auch Lehrer fordern die vollständige Rückkehr zum Präsenzunterricht

Auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) forderte von Bund und Ländern mehr Anstrengungen zugunsten der Schüler. „Die Lage der jungen Generation steht aus meiner Sicht gegenwärtig immer noch viel zu wenig im Mittelpunkt der Diskussion“, sagte sie der Bild (Dienstag). Das werde den Sorgen, die „wir uns machen sollten, nicht gerecht“.

Der Deutsche Lehrerverband hält eine Rückkehr zum vollständigen Präsenzunterricht ab einer Inzidenz von 50 für empfehlenswert. „Wir haben ja bereits jetzt nur noch wenige Landkreise oberhalb der 165er Inzidenz, die für reinen Distanzunterricht ausschlaggebend ist“, sagte ihr Präsident Heinz-Peter Meidinger der Zeitung. Unterhalb der 100er Inzidenz könnten Länder vollständigen Präsenzunterricht anordnen. „Unsere Auffassung ist allerdings, dass man sich bei vollständigem Präsenzunterricht ohne Abstandsregelung an der Empfehlung des RKI (Inzidenz 50) orientieren sollte, solange viele Lehrkräfte und fast alle Kinder noch nicht geimpft sind“.

 

 

 

 

 

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