Schleichende Mobilmachung: „Können wir Krieg?“
In den Kindernachrichten auf der Kinderseite der Eßlinger Zeitung.beantwortet „Paul, der Kinder-Chefreporter“ den Kleinen neben einem Bild von Soldaten mit ukrainischer Flagge auf einem Panzer die angeblich so wichtige Frage: „Welche Unterstützung braucht die Ukraine im Krieg gegen Russland?
Danke, jetzt können die Kleinen beruhigt in die Schule gehen, denn jetzt wissen sie Bescheid und können mitreden, wenn es um Schützenpanzer geht oder vielen anderen wichtigen Panzern mit den lustigen Tiernamen.
Schleichende Mobilmachung: „Können wir Krieg?“
von Thomas Moser
Quelle: OVERTON
Die Militarisierung und Konditionierung der deutschen Gesellschaft für Krieg findet derzeit auf allen Ebenen und Kanälen statt.
In deutschen Medien sind mittlerweile Artikel mit Überschriften, wie diese, selbstverständlich geworden: „Was sind eigentlich Schützenpanzer?“ Das Bemerkenswerte hinter der harmlosen Frage ist vor allem: Der Artikel mit dieser Überschrift steht auf der Kinderseite der Eßlinger Zeitung, den „Kindernachrichten“, die nahezu überall zum Standard geworden sind. Motto: Wie erkläre ich Kindern die Welt der Erwachsenen, Kompliziertes in einfacher Sprache. Etwa, was es mit den Wahlen in der Stadt Bremen auf sich hat. Oder, warum die Meeresschildkröte sich nicht um ihren Nachwuchs kümmert.
Jetzt jedoch beantwortet „Paul, der Kinder-Chefreporter“ den Kleinen neben einem Bild von Soldaten mit ukrainischer Flagge auf einem Panzer die angeblich so wichtige Frage: „Welche Unterstützung braucht die Ukraine im Krieg gegen Russland? Geld, Medizin, Waffen. All das hat Deutschland bereits an die Ukraine gegeben. Was bisher nicht dabei war: bestimmte Panzer, obwohl das oft gefordert wurde. Jetzt soll sich das ändern.“
Danke, Paul. Jetzt kann unser Kind beruhigt in die Schule gehen, denn jetzt weiß es Bescheid und kann mitreden, wenn es um die Schützenpanzer oder die vielen anderen wichtigen Panzer mit den lustigen Tiernamen geht.
Der Krieg hat die Kinder erreicht. Hat er sie wirklich erreicht? Oder soll er sie erreichen? Fragen Kinder ihre Eltern tatsächlich: „Papa, was ist eigentlich ein Schützenpanzer?“ Oder wollen nur Medien und andere Ordnungsfaktoren dieser Gesellschaft, dass Eltern eine solche Frage gestellt wird. Sollen Eltern ihren Kindern die Schützenpanzer nahebringen? So, wie es diese Zeitung demonstrativ tut.
Wo die Manipulation derart grundlegend ist, müssen Absichten dahinter stecken.
Es ist eine Form der latenten allgemeinen Mobilmachung, die sich überall im Land wie selbstverständlich breit macht, auf leisen Sohlen selbst in die Kinderzimmer schleicht, aber vor allem als demonstrative Normalität die Gesellschaft unter Dauerbeschuss nimmt.
Was ist das Gegenteil von Salamitaktik, bei der ganz unscheinbar Scheibchen für Scheibchen abgeschnitten wird, bis keine Wurst mehr da ist? Hier wird Scheibchen für Scheibchen zusammengebaut, bis etwas da ist, was vorher nicht da war. Vielleicht eine Kriegsbereitschaft, ein Schützenpanzer, der in den Osten geliefert wird oder eventuell auch ein deutscher Soldat, der an die Front soll.
Jedes einzelne Beispiel ließe sich abtun oder ignorieren, aber in ihrer Gesamtheit entsteht ein Programm der gesellschaftlichen Militarisierung und Konditionierung für den Ernstfall. Es ist die „Zersetzung“ des Pazifismus durch den Bellizismus und seinen Herrschaftsapparat, zu dem ganz wesentlich Massenmedien gehören.
Oft wird das zu Beginn noch ganz lustig und unschuldig inszeniert. So wie beim Aachener Karnevalsorden wider den tierischen Ernst, der der Außenministerin Annalena Baerbock verliehen wurde, weil sie eine „moderne Ritterin im besten Sinne“ sei.
Das ist nur ein anderer Begriff für „Kriegerin“. Und damit das Kriegerische Akzeptanz bekommt und nicht allzu mörderisch erscheint, wird es mittels Geschlecht ein bisschen pazifiziert: „Don’t worry, Frauen sind es, die uns an die Front führen.“
Der Karneval mit der Ritterin Annalena ist in „Frauenhand“, erfährt man und überhaupt: „So viel Frauenmacht wie in diesem Jahr gab es noch nie.“ Auch Frau Strack-Zimmermann gehört mit dazu, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, die uns als regelmäßige Teilnehmerin von TV-Talkrunden den Krieg einreden mö
Panzer als Freizeitspaß
Man braucht nicht darum herum reden: Ausgezeichnet wurde Baerbock, weil sie den Ukraine-Krieg, die endlosen Waffenlieferungen, prominent mitträgt und vorantreibt.
Wäre sie eine Kriegsverweigerin, oder auch nur eine Zauderin, hätte sie den Orden nicht bekommen, da hätte auch ihr Frausein nicht geholfen. Nur in der umgekehrten Kombination, wenn Töten und Sterben lassen legitimiert werden soll, ist Weiblichkeit nützlich. Und deshalb wurde von Anfang an die „Edition F“ für diesen Krieg in Stellung gebracht, man könnte auch sagen: missbraucht.
Noch ein Beispiel, wie man mit „Bombenstimmung“ mobilisiert, ehe wir uns ernsterer Darbietung zuwenden. Die Deutsche Presse-Agentur dpa hat eine Reporterin (Edition F) losgeschickt, um über eine neue „Funsportart“ zu berichten.
Die Reportage unter der Überschrift: „Panzerfahren als Freizeitspaß“ beginnt so: „Mit 830 PS schiebt sich der Leopard 1 lärmend durch den Schlamm. Runde für Runde rollt der Kettenpanzer über den Parcours der Panzer-Fun-Fahrschule im brandenburgischen Steinhöfel. Der Kfz-Meister aus der Nähe von Kiel ist an diesem Wochenende einer von vielen Gästen, die am Ende mit Schlammspritzern auf der Kleidung, aber zufrieden, wieder abreisen.“ Auch die Edition F darf dabei nicht fehlen: „Frauen aus Frankfurt/Oder haben einer Kollegin die Panzertour zum 60. Geburtstag geschenkt. Nach einem Prosecco geht es mit dem Schützenpanzer BMP-1 los. Neben dem Motorenlärm ist aus der Ferne das Lachen der Frauen zu hören.“
Und so weiter und so fort.
Die Reportage, wenn man sie für einen Moment so nennen will, bringt Begriffe aus dem Militärischen und dem Lebenswerten wie selbstverständlich in Verbindung: „Panzer“ und „Krieg“ mit „Freizeit“ und „Spaß“, mit „Geburtstag“ und „Zufriedenheit“, „Familien“ und „Kindern“, mit „Prosecco“ und „Lachen“, „Spielen“ und „Liebhabern“.
Nein, das ist keine Reportage, sondern Werbung, als Journalismus verkleidete PR. Krieg spielen für den Krieg.
Können wir Krieg?“
Deshalb nun zum Ernst der Sache. Die Bundeswehr ist seit vielen Jahren im Ausland im Einsatz, zum Beispiel in Afrika. Im Frühjahr 2023 beteiligte sie sich an Evakuierungen von Menschen aus dem bürgerkriegs-umkämpften Sudan. Als der Einsatz zu Ende war, wartete die Tagesschau Ende April 2023 mit folgendem Beitrag auf, O-Ton: „Empfang in Wunstorf. Bundeswehr zurück von Sudan-Einsatz.“ – „Die Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr, die mehr als 700 Menschen aus dem Sudan evakuiert haben, sind nach Deutschland zurückgekehrt. Sie landeten auf dem Fliegerhorst Wunstorf bei Hannover. Ihr Einsatz wurde von Außenministerin Baerbock, Verteidigungsminister Pistorius und zahlreichen Bundestagsabgeordneten gewürdigt. Pistorius sagte, die Truppe sei da, wenn man sie brauche.“
Eine Nullnachricht, eine Meldung ohne Aussagewert, die pure substanzlose Militärfolklore. Die Frage, die einem dazu einfällt, lautet einmal: Warum haben das „zahlreiche Bundestagsabgeordnete“ mitgemacht, haben sie nichts Besseres zu tun?
Vor allem aber lautet die Frage: Warum macht die Tagesschau das mit? Warum opfert sie eine halbe Minute der kostbaren Sendezeit für inhaltsleere Hofberichterstattung? Ein Niveau, das in seiner ganzen Ärmlichkeit an die Nachrichten etwa der Aktuellen Kamera in der einstigen DDR erinnert. Wer Regierungsnähe sucht, wird von ihr verschluckt, wie von einem Schwarzen Loch.
Wenn die Bundeswehr Normalität werden soll, muss sie in den Alltag verfrachtet werden – zum Beispiel in die Schulen. Offiziere in Uniform vor den Klassen. Sie selbst will das, CDU und FDP wollen es und die AfD will es sowieso. Doch in Deutschland ist das noch heikel. Ihr publizistisches Sprachrohr, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, spricht deshalb so verschämt wie beschönigend von „Bundeswehr-Bildung“ statt von „Bundeswehr-Propaganda“ (FAZ v. 27.4.2023: „Mehr Bundeswehr-Bildung für Schüler“) Das Ziel aber ist klar.
Der Deutsche Taschenbuch-Verlag hat eben das Buch herausgebracht: „Spielball der Politik. Eine kurze Geschichte der Bundeswehr“ (Autor Hauke Friederichs). Da die Bundeswehr im November 2023 krumme 68 Jahre alt wird, taugt das Datum nicht für eine Würdigung. Warum das Buch also auf den Markt kommt, ist kein großes Geheimnis: Es hängt mit dem Krieg in der Ukraine zusammen.
Nach der Auflösung von Ostblock und Warschauer Pakt, DDR und NVA, hatte die deutsche Armee, wie die Nato insgesamt, ihren Daseinszweck verloren. Und den findet sie nun ausgerechnet in diesem Krieg wieder. Er bietet in den Augen des Autors für die deutschen Streitkräfte die Chance einer „zweiten Gründung“. Einen besseren Zeitpunkt, um die Bundeswehr im 21. Jahrhundert ankommen zu lassen, könne es kaum geben, meint er. Alles, was die Bundeswehr als Teil der selbstermächtigten Weltpolizei auf dem Globus trieb oder noch treibt, zählt in der neuen Zeitrechnung nicht mehr: Vergessen das Afghanistan-Kriegsverbrechen-Desaster; oder tabuisiert die Tatsache, dass in Mali die Bundeswehr mit bewaffneten russischen Streitkräften kooperiert, die man doch in der Ukraine angeblich als Kriegsverbrecher bekämpft.
Allen Anzeichen nach geht es um Höheres. Die ARD strahlte kürzlich eine Dokumentation aus mit dem Titel: „Können wir Krieg? – Bundeswehr in der Zeitenwende“. Vielleicht sollte man den Öffentlich-Rechtlichen dankbar sein für so viel Direktheit. „Können wir Krieg?“ Wer so fragt, will Krieg. Sie bereiten sich vor – und sie steuern ihn an.
Deshalb noch ein aktueller Vorschlag für die „Kindernachrichten“ und „Paul, den Kinder-Chefreporter“. Wie wäre es mit einem Artikel zu der Frage: „Warum kleben sich die Klimaaktivisten nicht auf die Rollbahnen von Militärflughäfen und verhindern das Abheben der schweren Maschinen?“ Das wäre gut für die CO2-Bilanz und zugleich schlecht für den Krieg.
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