29. Juni 2023   Aktuell

Anwalt Ralf Heyl kauft alte Bankforderungen auf und setzt Verbraucher unter Druck

Abtretungs­inkasso von Altforderungen Rechts­anwalt im Unrecht

Quelle: Stiftung Warentest

Anwälte wie Ralf Heyl kaufen alte Bank­forderungen und setzen Verbraucher unter Druck. Neue Urteile zeigen: Oft zu Unrecht. Stiftung Warentest gibt Tipps und bietet einen Musterbrief an.

Worum geht es?

Rechts­anwalt Ralf Heyl aus Hürth bei Köln hat im Jahr 2015 Alt-Forderungen von der Post­bank erworben. Seitdem versucht er, die Forderungen zu Geld zu machen, verschickt Briefe, droht mit gericht­lichen Schritten, erhebt zuweilen Klage.

Über 300 000 Post­bank-Kunden sind betroffen. Sie sollen angebliche Altschulden aus Krediten oder Konto­über­ziehungen begleichen. Die Forderungen sind ganz oft unbe­rechtigt oder verjährt. Etliche Gerichte haben Heyl-Klagen abge­wiesen oder die Zwangs­voll­stre­ckung einge­stellt. Die Post­bank erklärte auf Nach­frage von test.de, sie habe die Zusammen­arbeit mit Rechts­anwalt Heyl „bereits vor mehreren Jahren voll­umfäng­lich beendet“.

Oft Verjährung

Eigentlich verjähren Forderungen auf Rück­zahlungen von Darlehen erst zehn Jahre nach Eintritt des Verzugs. Das gilt aber nicht, wenn die Bank den Kredit­vertrag oder bei Über­ziehungs­krediten das Konto gekündigt hat. Die Forderung verjährt dann bereits drei Jahre nach Ende des Jahres der Kündigung. Diese Frist ist bei vielen der Post­bank-Altforderungen abge­laufen.

Ein typischer Fall

Eberhard Kunz* soll 23 212,02 Euro zuzüglich 13 368,76 Euro Zinsen zahlen. Er hatte sich im Dezember 2007 bei der Post­bank 23 000 Euro geliehen. Er zahlte zunächst seine Raten. Dann fehlte ihm das Geld und die Rück­zahlung stockte. Die Bank kündigte den Kredit und forderte Rück­zahlung der Rest­schuld. Doch vergebens. Die Post­bank packte den Fall Kunz auf eine lange Liste mit anderen offenen Krediten und über­zogenen Konten.

*Name von der Redak­tion geändert

Streit um zwei Milliarden Euro

So sehen Briefe von Rechts­anwalt Ralf Heyl aus. Seine ihm von der Post­bank oder anderen Unternehmen abge­tretenen Forderungen sind oft unbe­rechtigt oder verjährt. © Screenshot Stiftung Warentest

Inzwischen ist bekannt: Es geht um mindestens 304 662 Forderungen der Post­bank. Diese Alt-Forderungen hat die Post­bank laut einer im Jahr 2017 notariell beur­kundeten Abtretungs­ver­einbarung auf Rechts­anwalt Ralf Heyl über­tragen. Bisher gingen Schuldner­anwälte aufgrund älterer Unterlagen davon aus: Es geht um rund 200 000 Fälle mit angeblichen Außen­ständen von jeweils 6 000 Euro durch­schnitt­lich und damit gut eine Milliarde Euro insgesamt. Rechts­anwalt Achim Tiffe aus der Verbraucherkanzlei Juest + Oprecht in Hamburg schätzt jetzt: Heyl fordert insgesamt fast zwei Milliarden Euro.

Was die Post­bank für die Abtretung der Altforderungen an Rechs­anwalt Heyl bekommt, sagt sie nicht. Üblich sind bei Abtretungen entweder ein Verkauf der Forderungen oder die Verpflichtung, einen Teil etwaiger Zahlungen – in diesem Fall an die Post­bank – weiterzuleiten, wenn betroffene Post­bank-Kunden oder -Kundinnen am Ende doch noch zahlen.

Zahlungs­aufforderung: So verhalten Sie sich richtig

  • Wenn Sie ein Schreiben von Rechts­anwalt Ralf Heyl mit einer Zahlungs­aufforderung erhalten, sollten Sie sofort mit unserem Musterbrief antworten. Das reicht oft schon aus, um die Forderung endgültig abzu­wehren.
  • Auf weitere Schreiben von Heyl direkt sollten Sie nicht antworten und auch nicht versuchen, mit Heyls Kanzlei Kontakt aufzunehmen.
  • Lassen Sie sich nicht auf eine Ratenzahlung ein, auch wenn Heyl sich zunächst mit geringen Beträgen zufrieden gibt. Das kann als Anerkennung der Forderung gewertet werden.
  • Lassen Sie sich von einem Rechts­anwalt mit Erfahrung bei der Verteidigung gegen abge­tretene Forderungen beraten.
  • Schickt ein Gericht einen von Heyl beantragten Mahn- oder Voll­stre­ckungs­bescheid oder eine Klageschrift, sollten Sie sich sofort von einer Verbraucherzentrale oder einem Rechts­anwalt – möglichst mit Erfahrung bei der Abwehr von Heyl-Forderungen – beraten lassen. Wenn Sie sich nicht sofort darum kümmern können, legen Sie vorsorglich Wider­spruch (Mahn­bescheid) oder Einspruch (Voll­stre­ckungs­bescheid) ein. Dafür brauchen Sie keinen Anwalt. Dem Schreiben des Gerichts liegt ein entsprechendes Formular bei. Sollte die Beratung ergeben, dass die Heyl-Forderung doch berechtigt und durch­setz­bar ist, können Sie Ihren Wider­spruch oder Einspruch immer noch zurück­nehmen.
  • Zahlen Sie auch nicht aus Angst vor Schufa-Einträgen. Solche Einträge sind ebenfalls rechts­widrig, wenn die Forderung nicht berechtigt oder verjährt ist. Gibt es trotzdem einen Eintrag bei der Schufa, fordern Sie Heyl mithilfe unseres Musterbriefs auf, seine Meldung gegen­über der Schufa zu korrigieren und so den Eintrag rück­gängig zu machen. Wenn Heyl ablehnend oder gar nicht reagiert, schalten Sie einen Rechts­anwalt ein, möglichst mit Inkasso-Erfahrung. Haben Sie kein Geld, um einen Rechts­anwalt zu bezahlen, haben Sie Anspruch auf Beratungs­hilfe und bei Bedarf auch Prozess­kosten­hilfe. Sie können bei Ihrem Amts­gericht Unterstüt­zung beantragen. Die Rechts­pfleger und Rechts­pfegerinnen dort helfen Ihnen weiter.
  • Selbst wenn gegen Sie bereits ein Voll­stre­ckungs­bescheid oder ein Urteil ergangen ist, lässt sich die Forderung zuweilen noch aus der Welt schaffen. Suchen Sie nach einem Rechts­anwalt mit Erfahrung bei der Verteidigung gegen abge­tretene Unter­nehmens­forderungen und lassen Sie ihn Ihre Unterlagen prüfen. Gegebenenfalls bleibt Ihnen noch die Privat­insolvenz (siehe auch unser Special Privatinsolvenz: So werden Sie in drei Jahren schuldenfrei).

Heyl vor Gericht

Kreditkündigung unwirk­sam. Im Fall von Eberhard Kunz erhob Rechts­anwalt Heyl Klage, als Kunz auf die Schreiben des Rechts­anwalts hin nicht zahlte. Doch das Land­gericht in München wies die Klage nach nur wenigen Monaten ab. Die Post­bank habe den Kredit seiner­zeit schon nicht wirk­sam gekündigt. Kunz war deshalb nicht in der Pflicht, den gesamten Betrag zu zahlen, argumentierte das Gericht. Und: Selbst mit wirk­samer Kündigung wäre die Klage wegen Verjährung abzu­weisen, ergänzte die Richterin noch.
Land­gericht München I, Urteil vom 24.06.2021
Aktenzeichen: 29 O 205/21
Schuldner­anwälte: Rechtsanwälte Juest + Oprecht, Hamburg

Aus dem gleichen Grund wies inzwischen das Amts­gericht Bochum eine Heyl-Klage gegen einen anderen früheren Post­bank-Kunden ab.
Amts­gericht Bochum, Urteil vom 10.03.2022
Aktenzeichen: 63 C 126/21
Schuldner­anwälte: Rechtsanwälte Juest + Oprecht, Hamburg

Frist abge­laufen. Heyl ist auch mit anderen Klagen gescheitert, oft wegen Verjährung, zuweilen zusätzlich auch wegen eines Verstoßes gegen den Grund­satz von Treu und Glauben. Weitere Einzel­heiten unter anderen auf der Homepage der Kanzlei Juest + Oprecht in Hamburg-Altona.

Klage zurück­gezogen. In anderen Fällen hat Heyl von sich aus die Klage zurück­genommen, nachdem ein erfahrener Verbraucher­anwalt die Verteidigung über­nommen hatte.

Rechts­widriger Schufa-Eintrag. Soweit Heyl bei unbe­rechtigten Forderungen einen Schufa-Eintrag veranlasst, ist das rechts­widrig. Heyl muss dann die Honorare zahlen, wenn ein Schuldner einen Rechts­anwalt einschaltet.

 

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