25. Juni 2024   Aktuell

Über us-amerikanische Kriegsverbrechen berichten ist ein Verbrechen?

Sobald ein Journalist die "Lampe" in den dunklen Sumpf der Machenschaften der USA hält, gilt er als "umstritten", legt er "Hand" an die "Ehrbarkeit" dieser Nation und spricht er von ihren Kriegsverbrechen, findet er sich in Großbritannien im Knast wieder. Nicht die Verbrecher müssen um ihre Freiheit fürchten, sondern der Mensch, der die Verbrechen aufdeckt! Siehe Julian Assange: Ohne Gerichtsurteil 5 Jahre in Einzelhaft in GB, dem sogenannten "Mutterstaat" der USA. 

Die Veteranen Kerry und Hagel sitzen in Obamas Kabinett, und es erscheint ein Buch zum Vietnamkrieg mit entsetzlichen Details. These: Gräueltaten an Zivilisten waren die Regel – nicht die Ausnahme.

Der Sprecher des amerikanischen Anti-Kriegs-Soldatenbunds Vietnam Veterans Against the War (VVAW) war 28 Jahre alt und für vier Monate Dienst als Schnellbootkommandant mit fünf Orden ausgezeichnet worden, als er sich 1971 in einem Fernsehinterview selbst als Kriegsverbrecher anklagte.

„Ich habe dieselben Grausamkeiten begangen wie Tausende andere Soldaten: Ich habe an Operationen in ‚Feuer-Frei-Zonen‘ teilgenommen ... Maschinengewehre auf Befehl in ,Search and Destroy‘-Aktionen gegen Menschen eingesetzt ... Dörfer niedergebrannt ... All das wider die Gesetze der Kriegsführung, wider die Genfer Konvention ... als Teil der offiziellen Regierungspolitik.“

Der Name des Mannes war unter Militärs so berüchtigt wie seine Eloquenz: John Forbes Kerry. 42 Jahre nach der Selbstbezichtigung als Komplize von Kriegsverbrechen dient Kerry, US-Senator von 1985 bis 1. Februar 2013, als Außenminister der USA.

 

Kerry und McCain – vom Krieg geprägt

Kein zweiter Lebenslauf belegt so schlagend Amerikas Findungsprozess aus Traumatisierung, Selbstzweifel, Verdrängung und Vergessen, den Amerika seit dem Ende des Vietnamkriegs 1975 durchlebt.

Vielleicht mit Ausnahme des Marinefliegers John McCain, der sechs Jahre lang im „Hotel Hanoi“ gefoltert wurde, während Kerry und die VVAW Front machten gegen den Krieg. Kerry scheiterte 2004 knapp als Präsidentschaftskandidat der Demokraten; McCain unterlag 2008 deutlicher als Republikaner.

Die beiden sind Freunde, die Vietnam-Erfahrung hat sie geprägt und zu gänzlichen anderen Schlüssen geführt. Von Kerry und McCain wüsste man gern, was sie von „Kill Anything That Moves – The Real American War in Vietnam“ halten, dem Buch des Journalisten Nick Turse. Beide haben seit Erscheinen von „Tötet alles, was sich bewegt“ Mitte Januar geschwiegen. So wie, mit wenigen Ausnahmen, die veröffentlichte Meinung Amerikas nichts zu sagen wusste.

Kuriose Stille um das heikle Buch

Es scheint, dass just zu einem Zeitpunkt, da Vietnam-Veteranen wie Kerry und Verteidigungsminister Chuck Hagel höchste Kabinettsposten übernehmen, eine Debatte, ob Kriegsverbrechen der US-Streitkräfte in Vietnam die Ausnahme waren oder die Regel, nicht interessiert.

Liegt es daran, dass der Journalist und Historiker Turse, Jahrgang 1975, als Linksliberaler gilt und nicht einem noblen Mainstream-Medium angehört? Oder enthält sein 357 Seiten starkes, mit mehr als 100 Seiten Fußnoten und Index bewehrtes Buch nichts Neues? Es gibt kein Dementi des Pentagons, weder hörbaren Protest noch Gratulation von Altgedienten. Kurios.

Grabesstille liegt über der Dokumentation, die auf lange als geheim oder verschollen geltenden Dokumenten des US-Militärs gründet. Über einen Zeitraum von zwölf Jahren führte Turse Interviews mit mehr als 100 Veteranen, reiste zu Feldstudien nach Vietnam, arbeitete die Medien und die Sekundärliteratur der Kriegsjahre durch.

Sein Schluss ist erschütternd: Amerikanische Kriegsverbrechen waren fast alltäglich, keine Entartungen einzelner „bad guys“. Das Massaker von My Lai mit mehr als 500 ermordeten Zivilisten war nur die größte offenbarte Sünde, nicht etwa die einzige.

Autor: „Ich fand einen Heuhaufen von Stecknadeln“

Ein Zufallsfund im Nationalarchiv zu Washington führte den Studenten Turse, der 2001 für seine Dissertation über „Postraumatischen Stress“ forschte, auf die Spur der „Vietnam War Crimes Working Group“. Der Generalstab des US-Heeres hatte nach dem My-Lai-Skandal die Untersuchungskommission unter Leitung von General William Westmoreland eingesetzt, der zwei Jahre zuvor noch die US-Truppen in Vietnam befehligt hatte.

Turse traute seinen Augen nicht. Er kopierte Tag und Nacht, schlief in seinem Auto, bis er die Akten von 300 untersuchten, mit Zeugenaussagen verifizierten Fällen kopiert hatte.

Es gab Hunderte mehr Fälle, sie waren von der Kommission als bloßes Hörensagen nicht weiterverfolgt worden. „Ich wollte die Stecknadel im Heuhaufen finden“, notiert Turse, „ich fand einen Heuhaufen von Stecknadeln.“

Tote Babys statistisch als Soldaten erfasst

Die Lektüre ist entsetzlich. Ein ums andere Mal, abertausendfach, werden Alte, Frauen, Kinder in einem entlegenen Dorf wahllos erschossen, in Bunkern mit Handgranaten getötet, erst vergewaltigt, dann ermordet („Double Veterans“ hießen diese Täter im Jargon), in ihren Hütten verbrannt, verstümmelt, um aus ihren Ohren und Fingern Trophäen-Ketten zu fertigen.

Wer vor den Hubschraubern und ihren Bordgeschützen floh, wurde niedergemäht: „evasive action“ konnte eine einzige falsche Fluchtbewegung sein. 18 Jahre alte GIs töteten aus Angst und Ahnungslosigkeit, die wenigsten, glaubt Turse, aus Sadismus.

Sie zählten tote Babys als Soldaten, steckten Frauenleichen chinesische Handgranaten zu, um sie als Kämpferin zu drapieren: Wer wusste schon, ob Teenager und Greisinnen – in ihren „schwarzen Pyjamas“ von Guerillas nicht zu unterscheiden – die Amerikaner nicht in einen Hinterhalt führen würden?

Ausbilder in den USA achteten darauf, dass ihre Rekruten Zivilisten wie Soldaten nie Vietnamesen nannten: Die waren „gooks, slopes, dinks, slants, rice-eaters“. Im Zweifel allesamt Vietcong alias „VC“, „Victor Charlie“ nach dem Funkalphabet der Amerikaner, oder schlicht „Charlie“. Ihr Land wurde von US-Politikern wie Generalität als „hinterwäldlerisch“ und „Arsch der Welt“ verhöhnt.

Es galt die MGR, „Mere-gook-rule“, die rassistische „Nur-Schlitzaugen-Regel“. General Westmoreland erklärte, warum sie in Ordnung war: „Dem Orientalen ist ein Menschenleben nicht so viel Wert wie dem Westler. Es gibt reichlich Leben, es ist billig im Orient.“

Beschwerden über Massaker der Allierten zwecklos

Brutal, gewiss, wird mancher einwenden, aber so ist Krieg. So war Krieg, als eine japanische Armee (mit Duldung ihrer Offiziere) 1937 in Nanking Amok lief.

Amerikanische Soldaten Ende der 60er-Jahre aber will man nicht verstehen müssen, wenn sie morden und vergewaltigen, lachend Jagd machen auf Passanten am Straßenrand („Gooks Hockey“), Schießübungen auf fliehende Kinder und alte Männer abhalten.

Der Feind sei nicht minder grausam gewesen, haben viele GIs sich gerechtfertigt. Auch gegenüber Turse, wie er schreibt. Statt sich offen dem Gefecht zu stellen, habe „Charlie“ mit Minen, Hinterhalten, „booby traps“ einen unfairen Krieg geführt.

In den Fußnoten von Turse ist die Verrohung der US-Truppen ein ums andere Mal belegt. Tatorte wurden planiert oder mit Napalm ausgelöscht. Es gab keine Ankläger: Die Opfer, fast alle in Südvietnam, wussten, wie sinnlos es war, sich über Massaker ihrer alliierten Befreier zu beschweren. Im übrigen waren auch südvietnamesische Soldaten und koreanische Alliierte an Massakern beteiligt. Bei ihnen reichte wohl statt der MGR der „Nur-VC-Verdacht“.

My-Lai-Massaker galt lange als US-Sieg

Zweieinhalb Millionen Amerikaner dienten in Vietnam, einem Land mit 19 Millionen Einwohnern. Die Zahl der Toten in der Zivilbevölkerung wird nie aufzuklären sein. Seriöse Schätzungen der Harvard Medical School und der Washington State University sprechen von zwei Millionen getöteten und 5,3 Millionen verwundeten Zivilisten.

„Ich hoffe, es wird in meinem Buch klar, dass ich nicht alle US-Soldaten als Mörder darstelle“, sagte Turse in einem Radiointerview Ende Januar. „Nicht jede Einheit forderte wahllos Artillerie oder Luftschläge auf Zivilisten an; viele bemühten sich, den Vietnamesen mit Respekt zu begegnen.“ Doch wenn es in der Tragödie Helden gebe, so Turse, dann die Männer, die Kriegsverbrechen gemeldet haben oder zu verhindern versuchten.

Wie Ron Ridenhour, der in My Lai das Schlachten mit ansehen musste. Er riskierte sein Leben, die Morde seiner Kameraden anzuzeigen. Dennoch galt My Lai lange nach dem 15. März 1968 als US-Sieg mit mehr als 100 getöteten Feinden.

Erst ein Artikel von Seymour Hersh am 13. November 1969 sprengte das Schweigen und den Siegesmythos. Täter kamen mit geringen Disziplinarstrafen davon. Leutnant William „Rusty“ Calley, als einziger im September 1969 des Mordes an 109 „orientalischen Menschen“ angeklagt, wurde von Präsident Nixon nach kurzem Hausarrest begnadigt.

Jeder kannte einen von „unseren Jungs“

Neu ist nicht die elende Straffreiheit für Massenmord; neu ist, die Namen der Massaker und der Mörder zu lesen, die nie bekannt wurden. Auch weil nach My Lai, so argumentiert Turse, ein Abstumpfungseffekt wirkte. Wenn nur ein oder zwei Dutzend „gooks“ ermordet worden waren, erregte das kein Aufsehen mehr.

Kriegskorrespondenten wie leitende Redakteure in der Heimat wollten Amerikas Soldaten nicht als „Babykiller“ brandmarken, wie es die Hippies taten. Oder „Verräter“ wie Kerry.

Es waren nette Wehrpflichtige, jeder kannte einen Heimkehrer; niemand wollte „unseren Jungs“ zutrauen, zu foltern und zu morden. „My Lai wirkte auf paradoxe Weise gegen die Aufdeckung anderer Verbrechen“, schreibt Turse, „es war fast so, als ob die führenden US-Medien vom Ignorieren der Verbrechen direkt dazu übergingen, sie als ‚old news’ zu missachten.“

Opfer erzählten Turse geduldig von Gräueltaten

Wer weiß, was am 19. Oktober 1966 in dem Dorf Xuan Ngoc geschah? Oder am 21.Oktober 1967 in Trieu Ai? Wie steht es mit Tanh Son, wie mit der Insel Ky Hoa?

Selbst in Vietnam trifft Turse Menschen, die sich nicht erinnern, ob ein Massaker von Marine-Infanteristen oder GIs verübt wurde, ob genau hier oder dort oder im Dörfchen nebenan. Ihr Vergessen ist überlebenswichtig, um nicht in Trauer zu verkommen.

Turse beschreibt, wie sachlich Menschen von den lachenden jungen Amerikanern erzählen, die sie quälten, schändeten, anschossen, scheinbar tot liegen ließen. Von Hass schreibt er nichts, nichts von Rachegelüsten. Die Opfer waren hilfsbereite, geduldige Gastgeber des Amerikaners, der sie über die Gräuel der Amerikaner befragte.

„Lieber einen zu viel als einen zu wenig“

In den USA sind die Killer vergessen: Sergeant Roy Bumgarner, der es in fast sieben Jahren im Land auf einen persönlichen „body count“ von mehr als 1500 „gooks“ brachte. Auch Hauptmann John Donaldson, der mit Hubschraubern auf die Jagd ging, ist nur Eingeweihten als Killer ersten Ranges ein Begriff.

Und schließlich General Julian Ewell, der nach der Tet-Offensive im Februar 1968 prahlte, er werde die 9. Infanteriedivision „4000 dieser kleinen Bastarde pro Monat“ umlegen lassen. Ewells „Operation Speedy Express“ kam auf ein sensationelles Verlust-Verhältnis von 134 getöteten „VC“ zu einem gefallenen Amerikaner.

Dass die viel zu wenigen erbeuteten Feindwaffen getötete Zivilisten nahelegten, nahm dem Rekord nichts von seinem Ruhm. Die Division wurde für ihren Einsatz durch die Ehre belohnt, als erste aus Vietnam abgezogen zu werden.

Ewell erhielt einen Ehrenplatz bei den Pariser Friedensgesprächen. Die tägliche Leichenziffer („body count“) war bis zum Ende die einzige, trügerische Erfolgswährung der Amerikaner. Vorgesetzte an der Front stellten klar, dass ihre Karriere und das Wohlergehen ihrer Truppe von einer möglichst hohen Totenquote abhingen. „Lieber einen zu viel als einen zu wenig.“

„Betrachte dich als eines der stillen Opfer“

Um 1970 verteilten die „Vietnam Veterans Against the War“ ein Flugblatt, das Warnzetteln des Militärs, die vor Luftangriffen auf vietnamesische Dörfer regneten, nachempfunden war.

Darin heißt es: „Wir haben dein Haus niedergebrannt / ... deinen Hund erschossen / ... dich angeschossen / ... deine Frau und Tochter vergewaltigt / ... dich deiner Regierung zur Folter ausgeliefert / ... wir haben all das dir und deiner ganzen Stadt angetan. – Wenn es dich nicht stört, dass amerikanische Soldaten solche Dinge jeden Tag den Vietnamesen antun, nur weil sie ,gooks‘ sind – dann betrachte dich als eines der stillen Opfer.“

Es gibt kaum einen Zweifel, dass der Sprecher der Gruppe – John Kerry – den Text damals gut hieß. Was immer das noch bedeutet.

 

 

 

 

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