Innen-/Außenpolitik
EU-Asylsystem: Handeln, nicht paktieren
Pressemitteilung Europaabgeordnete Cornelia Ernst (DIE LINKE.)
Brüssel, 10. März 2020
EU-Asylsystem: Handeln, nicht paktieren
Cornelia Ernst, migrations- und innenpolitische Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament, fordert unmittelbare Soforthilfe und Entlastung für die betroffenen Regionen an der griechisch-türkischen Grenze. Sie kommentiert die aktuelle Situation auf den ägäischen Inseln und die Überlegungen der EU-Spitzen, einen neuen EU-Türkei-Deal einzufädeln:
„Jeder Deal mit einem Mann wie Erdoğan wird früher oder später scheitern, die Frage ist nur, wie viele Menschen dann den Preis dafür zahlen werden. Die Absicht der EU-Verantwortlichen, einen neuen Pakt mit der Türkei zu schließen, ist deshalb hochgradig unverantwortlich.
Statt geopolitischen Kuhhandel zu treiben, müssen die griechischen Inseln entlastet, die sogenannten Hotspots aufgelöst und die Menschen auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden. Es gibt rund 140 Städte und Kommunen allein in Deutschland, die sich dazu bereiterklärt haben, eine solche Schnelllösung mitzutragen, das sollte nicht weiter übergangen werden. Es braucht jetzt Soforthilfe, keine kosmetischen Lösungen, wie die Aufnahme von nur 1.000 Kindern.“
„Wir erwarten von den Verantwortlichen der EU, dass wir schnellstmöglich ein würdiges und funktionierendes EU-Asylsystem einrichten, der Vorschlag des Parlaments liegt schließlich seit langer Zeit auf dem Tisch. Rechtstaatlichkeit muss ohne Wenn und Aber gewährleistet sein und Bilder von gewaltbereiten griechischen Behörden oder marodierenden Nazi-Verbänden dürfen sich keinesfalls wiederholen.
Es braucht endlich sichere Flucht- und Einreisewege, beispielweise durch die Gewährung humanitärer Visa. Damit würde der Druck von der griechisch-türkischen Grenze unmittelbar genommen werden, man wäre unabhängig von jemandem wie Erdoğan und hätte die Asylverfahren in der eigenen Hand, sofern das nötige Personal dafür bereitgestellt würde. NGOs und Projekte in der Türkei könnten ohne Probleme weiterhin finanziert werden. Das wäre der sauberste und würdevollste Weg.“
„Die Bundesregierung muss endlich den Weg freimachen für humane und wirklich tragfähige Lösungen, Symbolpolitik hilft niemandem, schon gar nicht den Menschen in den Hotspots.
Den 700 Millionen Euro, die nun an Griechenland fließen sollen, werden wir nur dann zustimmen, wenn eine vollständige Umsiedlung der Betroffenen aus Griechenland gewährleistet wird.
Es gilt nun, keine Zeit zu verlieren, das Corona Virus wird auch vor den Lagern nicht Halt machen - wir müssen handeln, nicht paktieren, jetzt!“
Delegation DIE LINKE. im Europaparlament Plenarfokus März 2020
Vorschau auf die Plenarwoche des Europäischen Parlaments
9. - 12. März 2020, Brüssel
Pressekonferenz:
Dienstag, 10. März 2020, 11 Uhr 30
Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der Linksfraktion GUE/NGL
EP-Pressesaal Anna Politkovskaya
(Paul-Henri Spaak-Gebäude, 0A050)
Livestream
- MdEP Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der EP-Linksfraktion GUE/NGL:
‚Stellungnahme der EU-Kommission: Rechtsextremistischer Terrorismus und Gewalt in Europa‘
Debatte am Montagabend, 9. März, ab ca. 18:00 Uhr
„Der rassistische Mordanschlag in Hanau, der neun Opfer forderte, macht einmal mehr deutlich: Organisierte und vernetzte rechtsterroristische Gruppen planen in Deutschland und Europa den Umsturz. Die rechtsterroristische Gewalt fordert immer wieder Todesopfer. Deswegen hat die Linksfraktion im Europaparlament (GUE/NGL) eine Debatte dazu beantragt. Die gesamte EU ist gefordert, dieser Gefahr entschieden entgegenzutreten.“
- MdEP Martin Schirdewan, finanzpolitischer Sprecher der Delegation:
‚Bankenunion - Jahresbericht 2019‘
Debatte am Montagabend, ca. 19:00 Uhr
„Die Bankenunion hat das Problem der ‚too big to fail‘-Megabanken noch verschlimmert, weil die großen Banken noch größer werden und die kleinen Banken verschwinden. Mega- und Schattenbanken sind Garant für ein gefährliches Finanzsystem. Die Linksfraktion im Europaparlament (GUE/NGL) setzt sich für einen sicheren und gut regulierten Bankensektor ein.“
- MdEP Martina Michels, Sprecherin der Delegation:
‚Rechte der Frauen im digitalen Zeitalter‘ (Topical Debate)
Debatte am Mittwochnachmittag, 11. März 2020, ab 15:00 Uhr
„Studien zeigen, dass bereits jede zehnte Frau digitale Gewalt erleben musste. Doch genaue Zahlen, Fachleute oder Gesetze fehlen. Verbrechen, wie Bilder der (Noch-) Ehefrau oder ausspionierter Politikerinnen ins Netz zu stellen, um sie mit der Veröffentlichung zu erpressen, sind keine Seltenheit. Diese Art Gewalt - zusammengefasst unter dem Begriff Doxing - genau wie Hasskommentare oder Vergewaltigungsfantasien, treffen nicht nur Politikerinnen, Künstlerinnen, Bloggerinnen. Doch diese Straftaten werden nicht einmal als solche erfasst. Die Politik hat enormen Nachholbedarf, um Frauenrechte digital zu garantieren. Deshalb gehört digitale Selbstverteidigung in Bildungsprogramme. Und Cybersicherheit ist einiges mehr als der Schutz von Atomkraftwerken oder dergleichen. Das muss den Regierenden endlich klarwerden.“
- MdEP Özlem Alev Demirel, stellvertretende Vorsitzende der Delegation des Europaparlaments für die Beziehungen zur Türkei:
‚Stellungnahmen von Rat und Kommission - Situation der Migrationsbewegungen an der griechisch-türkischen Grenze und die gemeinsame Reaktion der EU‘
Debatte am Mittwochvormittag, 11. März 2020, ab ca. 11:00 Uhr
„Die aktuelle Situation an der Grenze ist katastrophal und Folge der verheerenden und gescheiterten EU-Politik, davon konnte ich mir in den zurückliegenden Tagen ein Bild machen als ich mit Michel Brandt (MdB) vor Ort an der türkisch-griechischen Grenze war. Die EU hatte - maßgeblich auf Initiative Deutschlands - mit der Erdoğan-Administration einen perfiden Deal in der Flüchtlingsfrage geschlossen. Nun nutzt Erdoğan diesen Deal und vor allem Menschen, um Druck auf die EU aufzubauen, weil er Unterstützung für seinen völkerrechtswidrigen Krieg gegen Syrien erpressen möchte. Griechenland wiederum ist durch das aufgezwungene Kürzungsdiktat der EU über Jahre hinweg ausgepresst worden, der Lebensstandard der Menschen ist massiv gesunken und die Griech*innen wissen, dass dafür die EU verantwortlich ist. Dennoch rechtfertigt dies weder die griechischen Tränengaseinsätze, noch die für die Geflüchteten lebensgefährlichen Versuche, ihre Boote aus den griechischen Gewässern abzudrängen oder Schlägertrupps auf sie zu hetzen! Es braucht eine europaweite Aufnahme dieser Menschen und massive finanzielle Hilfe für Griechenland als Erstaufnahmeland, sowie die Unterstützung betroffener Gemeinden. Zugeständnisse an Erdoğan und eine Weiterführung des schmutzigen Deals wären verheerend. Es darf keine militärische Intervention in Syrien erfolgen.“
- MdEP Özlem Alev Demirel, stellvertretende Vorsitzende der Delegation des Europaparlaments für die Beziehungen zur Türkei:
‚Die Inhaftierung von Osman Kavala‘
Debatte am Donnerstagvormittag, 12. März 2020, ab ca. 11:00 Uhr
„Osman Kavala ist ein Bürgerrechtler und Menschenrechtsaktivist, der sich unermüdlich dafür eingesetzt hat, Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenzubringen, um einen Dialog zu führen und eine bessere Zukunft für die türkische Bevölkerung aufzubauen. Das türkische Gericht hat neun der 16 Angeklagten wegen ihrer angeblichen Rolle bei den Gezi-Park-Protesten im Jahr 2013 freigesprochen. Das Gericht entschied auch für die sofortige Freilassung von Osman Kavala, der als einziger der Angeklagten in den vergangenen 840 Tagen im Gefängnis saß. Die kurz nach dem Freispruch abermalige Verhaftung ist eine erneute Farce der Erdoğan-Regierung. Die Vorwürfe sind unbegründet, und seine erneute Verhaftung noch vor seiner Freilassung, stellt einen schweren Verstoß gegen die Menschenrechte dar. Die EP-Linksfraktion GUE/NGL wird die Frage der Menschenrechte in der Türkei weiterhin laut und deutlich im Europäischen Parlament zur Sprache bringen.“
- MdEP Özlem Alev Demirel, außenpolitische Sprecherin der Delegation:
‚Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik - Neue CSDP Operation im Mittelmeer, Umsetzung des Waffenembargos (Libyen)‘
Debatte am Dienstagabend, 11. März 2020, ab ca. 20:00 Uhr
„Fakt ist, dass unter anderem Deutschland, Frankreich und Italien direkt oder indirekt Waffen an Länder wie die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten oder Katar liefern, die in Libyen einen Stellvertreterkrieg führen. Zusätzlich unterstützen zwei EU-Mitgliedstaaten - Frankreich und Italien - unterschiedliche Seiten im libyschen Bürgerkrieg. Es ist aberwitzig, dass nun eine EU-Militärmission diese Waffenexporte beziehungsweise das schon seit 2011 geltende Waffenembargo, kontrollieren soll. Zudem soll diese Marinemission explizit keine Menschen aus Seenot retten, wie es noch mit der EUNAVFOR Med Sophia der Fall war. Durch diese Militärmission droht letztendlich eine weitere Eskalation. Statt Militär braucht es den sofortigen Stopp aller Waffenexporte in die Region, eine nachhaltige politische Lösung und ganz konkret den Abzug aller ausländischen Akteure aus Libyen. Außerdem fordern wir nach wie vor eine staatlich-organisierte, zivile Seenotrettung im Mittelmeer.“
- MdEP Cornelia Ernst, energiepolitische Sprecherin der Delegation:
‚Stellungnahme der Kommission: Europäische Industriestrategie‘
Debatte am Mittwochnachmittag, 11. März 2020, ab ca. 16:00 Uhr
"Die Europäische Industriestrategie muss natürlich mit einem sozialen Green New Deal verbunden werden. Wir brauchen Vorfahrt für Erneuerbare und öffentlichen Nahverkehr, den Güterverkehr auf der Schiene, und für Gebäudedämmung. Eine europäische Industriestrategie muss gezielt diese Sektoren fördern. Das schafft Jobs, spart CO2 und ist progressiv."
- MdEP Cornelia Ernst, migrations- und innenpolitische Sprecherin der Delegation:
‚Stellungnahmen von Rat und Kommission - Situation der Migration an der griechisch-türkischen Grenze und die gemeinsame Reaktion der EU‘
Debatte am Mittwochvormittag, 11. März 2020, ab ca. 11:00 Uhr
„Mit jemandem wie Erdoğan schließt man keine Abkommen und auf so jemanden verlässt man sich auch nicht - schon gar nicht, wenn es um Menschenleben geht. So sehr ich verabscheue, wie hier individuelle Schicksale für politische Zwecke missbraucht werden, so sehr liegt die Hauptschuld für dieses humanitäre Desaster aber auch in den Hauptstädten der EU-Mitgliedstaaten, nicht in Ankara. Ich fordere von den EU-Staats- und Regierungschefs- bzw. Chefinnen, unverzüglich zurück an den Verhandlungstisch mit dem Parlament zu kehren und endlich ein EU-Asylsystem einzurichten, das einen solchen Namen auch verdient, indem es geltendes Recht nämlich schützt, und nicht bis zur Unkenntlichkeit aushöhlt.“
Am kommenden Donnerstag (12. März 2020) wird Cornelia Ernst mit einer GUE/NGL fact finding mission an die griechisch-türkische Grenze fahren um sich ein genaueres Bild der Lage vor Ort zu machen.
- MdEP Cornelia Ernst, energiepolitische Sprecherin der Delegation:
‚Entschließungsantrag: Überarbeitung der Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur‘
Abstimmung am Mittwochmittag, 11. März 2020, ab 12:00 Uhr
„Die fünfte Liste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse (PCI) sollte keine Gasprojekte mehr enthalten dürfen, da sie mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang stehen muss. Schlimm genug, dass die vierte (aktuelle) Liste schon über 55 Gasprojekte enthält, die niemand braucht, weder das Klima noch die Menschen. Die Europäische Kommission muss die Leitlinien zur Projektauswahl also entsprechend überarbeiten.“
- MdEP Helmut Scholz, handelspolitischer Sprecher der Delegation:
Aussprache: Erklärung der Kommission am Dienstagnachmittag, 10. März 2020, ab ca. 17:00 Uhr
„Natürlich braucht die Europäische Union eine neue Strategie für Afrika. Aber diese Strategie darf nicht allein auf den geopolitischen und wirtschaftlichen Prioritäten Europas wie Migration, Sicherheit, Handel und Investitionen basieren, sondern muss auch die Entwicklungsziele und Interessen der afrikanischen Bevölkerung widerspiegeln. Wir brauchen eine Strategie, die sich auf Menschenrechte, soziale und eigenwirtschaftliche Entwicklung sowie ökologische Nachhaltigkeit stützt. Wir brauchen fairen, ethischen und inklusiven Handel mit Afrika, politische und wirtschaftliche Kooperation sowie legale und sichere Migrationswege. Transnationale und europäische Unternehmen sind gefordert, endlich auch in Afrika Arbeits- und Menschenrechte zu respektieren. Und erste EU-Rechtsetzungen in diese Richtung wie die Konflikt-Mineralien-Richtlinie sind auszubauen und auf alle Bereichen der globalen Lieferketten auszuweiten.“
- MdEP Helmut Scholz, Mitglied der parlamentarischen Versammlung EuroNest:
‚Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik: Fünf Jahre Umsetzung der Minsker Vereinbarungen – ein Weg vom Krieg zum Frieden‘
Aussprache, am Dienstagabend, 10. März 2020, ab ca. 20:00 Uhr
„Auch fünf Jahre nach dem Minsker Abkommen ist noch immer keine Ruhe im Donbass eingetreten. Die im ersten Punkt vereinbarte Waffenruhe hielt schon in den ersten Tagen nicht. Von der Einhaltung weiterer Punkte - wie dem Abzug schwerer Waffen und der Errichtung einer entmilitarisierten Pufferzone entlang der mehr als 400 km langen Frontlinie - ganz zu schweigen. Noch immer sind sich Russland und die Ukraine uneinig darüber, in welcher Reihenfolge weitere, wesentliche Punkte umgesetzt werden sollen. Die zu beantwortende Frage bleibt, wie mit Mitteln der Diplomatie und vor allem politischem Willen der Regierungen und Parlamente beider Länder ein Weg beschritten werden kann, der die Interessen der Menschen vor Ort ernst nimmt und endlich den Konflikt in der Region beendet.“
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Daniel Josten
Lokalassistent von Martin Schirdewan, MdEP (DIE LINKE)
Ko-Vorsitzender der Fraktion GUE/NGL
Europabüro Martin Schirdewan, MdEP
Thüringens Christdemokraten: Kompromisslos ins Chaos
Stern: Die CDU-Fraktion in Thüringen – ein Haufen erbärmlicher Ichlinge
Kolumne : Idlib ist ein Nest von Terroristen
Quelle: Berliner Zeitung, von Götz Aly
Der Frieden in Syrien muss gemeinsam mit Russland, der syrischen Regierung und der Verwaltungselite gesucht werden. Leicht wird das nicht. Vor allem wenn man die Hauptverantwortung weiterhin bei Wladimir Putin sucht.
Der Krieg in Syrien begann 2011. Zuvor, 2003, hatten US-amerikanische und britische Truppen das irakische Staatswesen dauerhaft zerstört. Auf diese Weise weitete der Westen den Einfluss des Iran im Irak aus und züchtete die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) heran.
Dieser gelang es im Handumdrehen, den demoralisierten irakischen Soldaten ihre frisch aus den USA gelieferten Waffen abzunehmen. Noch bevor es in Syrien richtig kriegerisch wurde, bombte eine westliche Allianz, angeführt von französischen, britischen und US-amerikanischen Luftstreitkräften, die Regierung und Verwaltungselite Libyens weg, um das Land ebenfalls ins Chaos zu stoßen.
Während des nun neunjährigen Krieges in Syrien unterstützte der Westen die Aufständischen, zu denen Dschihadisten, al-Kaida-nahe Gruppen und bald Einheiten des IS gehörten. Die zunächst womöglich demokratisch gesinnten Kräfte arbeiteten mit den islamistischen Freikorps, Heckenschützen und Bombenlegern zusammen, weil diese militärisch effizient waren. Die westlichen Verbündeten Saudi-Arabien und Türkei unterstützten den IS jahrelang direkt, dem es dann gelang, große Teile Syriens mit Angst und Schrecken zu überziehen.
Doppeldeutige Moral deutscher Medien und Politiker
An all dem trägt die Regierung Russlands keinerlei Schuld. Und dennoch tun deutsche Medien und Politiker gegenwärtig so, als wäre der russische Präsident Wladimir Putin der Hauptverantwortliche für die Situation in Idlib: Die Süddeutsche Zeitung fordert „harte Sanktionen gegen Russland“, die Frankfurter Allgemeine Zeitung erfindet einen von Putin gestützten „Vernichtungsfeldzug Assads“ in Idlib.
Zur Erinnerung: Über die Zerstörungen bei der Befreiung der Metropole Mossul wurde in diesen Zeitungen nie systematisch berichtet, weil diese sehr blutige Aktion unter US-Führung und Aufklärungshilfe der Bundeswehr stattfand. Schätzungsweise starben dabei zwischen 6000 und 11000 Zivilisten. Von solchen Zahlen ist man in Idlib noch weit entfernt. Ich sage das nicht rechtfertigend, sondern als Hinweis auf eine gespaltene Moral.
Türkei unterstützt Terroristen mit Waffen
Mossul musste vom IS freigekämpft werden. Ebenso notwendig bleibt es, Idlib von den dort versammelten Dschihadisten, IS-Männern und internationalen Terroristen (Uiguren, Tschetschenen, wild gewordenen Europäern usw.) zu befreien. Denn genau dort tötete ein US-Kommando 2019 den IS-Anführer al-Bagdadi. Der Nachfolger al-Kuraischi war sofort gefunden. Idlib ist ein Terroristennest!
Und das Nato-Mitglied Türkei unterstützt diese Terroristen seit Langem mit Waffen, nun auch mit Panzern, Raketen und 5000 eigenen Soldaten. Die Türkei hat dort jedoch nichts verloren. Denn sie verletzt die territoriale Integrität eines Staates. Das scheint unsere Regierung aber nicht zu interessieren.
Weg zum Frieden führt über Russland
Übrigens wurde der IS in Syrien nicht nur von einer westlich geführten Allianz und von – mittlerweile von den USA an die türkische Soldateska verratenen – Kurden niedergekämpft, sondern auch – und mit russischer Hilfe – von syrischen Regierungstruppen. Hat sich die Bundesregierung dafür jemals in Moskau und Damaskus bedankt? Der Frieden in Syrien muss gemeinsam mit Russland, der syrischen Regierung und Verwaltungselite gesucht werden. Leicht wird das nicht. Aber es ist nach neun Jahren eines fürchterlichen, vom Westen mit angeheizten Krieges der aussichtsreichste Weg.
Die schwarze Kasse des Bundesnachrichtendienstes - wenn "Freunde" "Freunde" ausspähen
Quelle: german-foreign-policy
Ausspähen unter Freunden (II)
BND und CIA nutzten die Schweizer Crypto AG zum Abhören fremder Regierungen. Verbündete wurden auch später noch ausgeforscht
BERLIN/WASHINGTON/BERN (Eigener Bericht) - Der BND hat die Ausforschung verbündeter Regierungen auch nach seinem Ausstieg aus der Schweizer Crypto AG fortgeführt. Wie eine Reihe aktueller Berichte zeigen, hatte der Dienst mit Hilfe der Crypto AG über mehrere Jahrzehnte Regierungen, Geheimdienste und Streitkräfte aus gut 130 Staaten in aller Welt abgehört. Möglich war dies, weil BND und CIA die Crypto AG Hintertüren in ihre Verschlüsselungstechnologie einbauen ließen, was ihnen den Zugriff auf geheime Kommunikation erlaubte. Zudem konnte der deutsche Geheimdienst, weil er im Teilbesitz der Crypto AG war, mit dem Verkauf infizierter Technologie heimlich Millionensummen verdienen und sie ganz ohne parlamentarische Kontrolle ausgeben. Involviert war auch die Siemens AG, die einst als "eine Art technischer Hilfsdienst in Grenz- und Grauzonen des Agentenhandwerks" bezeichnet worden ist. Nach seinem Ausstieg aus der Crypto AG im Jahr 1993 nutzte der BND vor allem Online-Spionage - dies unter anderem gegen die US-Streitkräfte und gegen den französischen Außenminister.
Zur Abnahme nach Bonn
Hinweise auf die Steuerung der Schweizer Crypto AG nicht nur durch den US-Geheimdienst CIA, sondern auch durch den deutschen BND lagen öffentlich seit 1994 vor. Die Ursache: Der Crypto-Verkaufsingenieur Hans Bühler, der im März 1992 in Teheran festgenommen und anschließend neun Monate lang wegen Spionageverdachts verhört worden war, hatte nach seiner Heimkehr - zuvor offenbar im Unklaren über die Zuarbeit seiner Firma für die Geheimdienste - begonnen, dem tatsächlichen Hintergrund seiner Inhaftierung nachzuspüren. Bühler wurde entlassen; es folgten Gerichtsverfahren sowie erste Recherchen von Journalisten. Manche von Bühlers Crypto-Kollegen wurden mit Aussagen zitiert, die die Geheimdienstverbindungen des Schweizer Unternehmens klar erahnen ließen. So wurde bekannt, dass die Crypto AG ihre Geräte zuweilen zur bundesdeutschen Zentralstelle für Chiffrierwesen (ZfCH) nach Bonn schicken musste, wo sie geprüft und offiziell abgenommen wurden - für eine Privatfirma aus der Schweiz eine bemerkenswerte Praxis.[1] Die ZfCH, eine geheime Dienststelle des BND, ist später im heutigen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik aufgegangen; sie kümmerte sich um Verschlüsselungstechnologien. Hinzu kamen Vorfälle wie die Entlassung eines Crypto-Mitarbeiters, weil er laut Unterlagen der Berner Bundespolizei "vom westdeutschen Verteidigungsministerium als Sicherheitsrisiko taxiert" worden war. Die penible Sicherheitsüberprüfung des Personals von Schweizer Unternehmen gehört nicht zum klassischen Aufgabenspektrum des Bundesverteidigungsministeriums.
"Geheime Siemens-Tochterfirma"
Im Rückblick erklären die damaligen Vorfälle, weshalb der BND nach Jahrzehnten nutzbringender Spionagekooperation im Jahr 1993 bei Crypto ausstieg: Durch das Bekanntwerden der geheimdienstlichen Steuerung des Unternehmens drohte ein schwerer Imageschaden; auch ließ die öffentliche Berichterstattung es als fraglich erscheinen, dass auf Dauer noch genug Regierungen sich auf Crypto-Technologien verlassen und geheimdienstlichen Ertrag liefern würden. Zudem zogen die Enthüllungen zunehmend auch die Münchner Siemens AG in Mitleidenschaft. So wurde bekannt, dass einige Crypto-Geschäftsführer vor ihrer Tätigkeit in der Schweiz für den deutschen Konzern gearbeitet hatten.[2] Ein für die Münchner Treuhandgesellschaft KPMG aktives Mitglied des Crypto-Verwaltungsrats teilte mit, er habe in dem Gremium "das Mandat für die Siemens AG wahrgenommen". Ein Ex-Siemens-Manager stufte die Crypto AG einmal sogar offen als "geheime Siemens-Tochterfirma" ein.[3] Siemens geriet zunehmend in den Geruch der BND-Nähe.
Der Hauslieferant des BND
Das wog schwer, weil der Münchner Konzern in der Tat eng mit dem BND kooperierte. Wie es im Jahr 2008 in einem Medienbericht hieß, sei die Firma "lange eng mit dem Bundesnachrichtendienst verflochten gewesen" [4]: "Siemens agierte ... als eine Art technischer Hilfsdienst in Grenz- und Grauzonen des Agentenhandwerks. Siemens war der Hauslieferant des BND für Spionagetechnik." Der Konzern habe unter anderem "Abhörtechnik für Geheimdienste in aller Welt" geliefert, so etwa nach Russland und nach Ägypten. In Festnetz- oder Mobilfunkanlagen, die er ins Ausland verkauft habe, habe er jederzeit Zugang - "zur Fehleranalyse", wie es hieß. Dies lege "den Verdacht nahe", der BND habe sich durch die Kooperation mit Siemens "Zugang" zu den "Einwahlschlüsseln verschaffen" wollen. Abgesehen davon hätten, hieß es weiter, "Ingenieure des Konzerns beim Bau von Telefonanlagen Räume zu sehen bekommen, die auch einem US-Spionagesatellit verschlossen" seien - "zum Beispiel in Iran".
Mehr als 130 Staaten
Die aktuellen Berichte über die Steuerung der Crypto AG durch BND und CIA legen nun erstmals das volle Ausmaß der Operation offen. Demnach befand sich das Unternehmen seit 1970 im Besitz der beiden Geheimdienste und belieferte zu seinen besten Zeiten Regierungen, Streitkräfte und Nachrichtendienste in über 130 Staaten. Deren Kommunikation konnten BND und CIA vollständig entschlüsseln und mitlesen; zumindest einzelne Erkenntnisse wurden an verbündete Länder weitergeleitet, etwa an Großbritannien, das damit im Falkland-Krieg weitgehenden Einblick in die interne Kommunikation der argentinischen Militärs hatte. Abgehört wurden dank Crypto nicht nur Militärdiktaturen etwa in Argentinien und Chile, über deren Massenverbrechen Washington und Bonn deshalb intimste Kenntnisse hatten, sondern auch Regierungen in Nah- und Mittelost (Saudi-Arabien, Iran, Irak, Syrien, Libanon und andere), in Nordafrika (Ägypten, Libyen, Algerien), in Afrika südlich der Sahara (unter anderem Nigeria und Südafrika) sowie in Europa - Jugoslawien, aber auch EU- und NATO-Verbündete wie Italien, Spanien, Portugal, Irland und die Türkei. Dabei zahlten die Käufer hohe Summen für Technologie, mit der sie anschließend abgehört wurden. "Die jährliche Gewinnausschüttung", heißt es, wurde, was die deutsche Seite betrifft, "dem BND-Haushalt zugeschlagen" - jenseits parlamentarischer Kontrolle.[5]
Verbündete abgehört
Selbstverständlich hat der BND auch nach seinem Rückzug aus der Crypto AG nicht aufgehört, Regierungen fremder Staaten abzuhören - engste Verbündete inklusive. So wurde zum Beispiel im Jahr 2015 bekannt, dass der BND nicht nur in Wien ansässige internationale Organisationen per Online-Abschöpfung ausspionierte, sondern auch Österreichs Inlandsgeheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.[6] Ebenfalls 2015 ergaben Recherchen, dass der deutsche Geheimdienst rund 2.800 sogenannte Selektoren nutzte, um "bei Diplomaten, Militärs und Regierungsmitarbeitern befreundeter Länder" - wie es hieß, rund 700 Personen - "Telefonate abzuhören und E-Mails mitzulesen". Betroffen waren demnach die Innenministerien Polens, Dänemarks, Österreichs und Kroatiens sowie diplomatische Vertretungen Schwedens, Frankreichs, Großbritanniens, Portugals, Spaniens, Italiens, Griechenlands, Österreichs, der Schweiz und des Vatikan. Abgehört wurden darüber hinaus das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam und Care International.[7]
Frankreichs Außenminister ausgeforscht
Nicht zuletzt hörte der BND US-amerikanische und französische Regierungsstellen ab. So nahm er die US-Ministerien für Inneres und Finanzen, das Lagezentrum des US-Außenministeriums, diplomatische Vertretungen der Vereinigten Staaten bei der EU, bei den Vereinten Nationen und in Deutschland, aber auch die US-Botschaft im Sudan sowie die US-Streitkräfte in Afghanistan ins Visier. Vom BND überwacht wurden nicht zuletzt Frankreichs Botschaft in Niger - sowie der französische Außenminister Laurent Fabius.[8]
[1] Wilhelm Dietl: Trojanische Ohren. focus.de 28.03.1994.
[2] "Wer ist der befugte Vierte?" spiegel.de 02.09.1996.
[3] Wayne Madsen: Greatest Intel Coup Of The Century? The NSA's Crypto AG. In: Covert Action Quarterly 63 (1999).
[4] Siemens eng mit BND verflochten - Ex-Manager packen aus. spiegel.de 12.04.2008.
[5] Elmar Theveßen, Peter F. Müller, Ulrich Stoll: #Cryptoleaks: Wie BND und CIA alle täuschten. zdf.de 11.02.2020.
[6] S. dazu Die neue deutsche Arroganz (II).
[7], [8] S. dazu Ausspähen unter Freunden.