Soziales
Deutschland: Die Zeit der Idioten
Quelle: RTDeutsch, von Dagmar Henn
Es ist viel vom "Zusammenhalt der Gesellschaft" die Rede, seitdem die Bundesregierung an der Zerstörung der Lebensgrundlagen arbeitet. Aber auch die Grundlagen für Zusammenhalt sind bereits erodiert, und lassen sich nicht mit Sprüchen und Inszenierungen wieder herstellen.
"Wir gesucht" nannte die ARD jüngst eine ganze Themenwoche zum "gesellschaftlichen Zusammenhalt". Man gönnte sich dazu eine Umfrage, die ergab, dass 64 Prozent den Zusammenhalt für schlecht hielten, Ost stärker als West, jung stärker als alt.
Natürlich sind die Ergebnisse einer solchen Umfrage nicht wirklich aufschlussreich, weil keine Definition mitgeliefert wurde, sich also jeder vorstellen konnte, was ihm unter "Zusammenhalt" gerade so in den Sinn kam. Und es ist vielleicht gut, dass nicht ausgesprochen wurde, was Beschäftigte der ARD sonst so in den letzten Jahren als "Zusammenhalt" gefordert hatten, kritiklose NATO-Treue beispielsweise oder Impfwilligkeit.
Ein wenig Realität dringt in diese Umfrage ein, wenn 76 Prozent der Teilnehmer den Gegensatz zwischen Arm und Reich als wichtigsten Konflikt benennen. Oder zwei Drittel fürchten, wegen der Inflation und der Energiepreise ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können und 61 Prozent der Befragten deswegen Unruhen oder Gewalt auf deutschen Straßen erwarten. Aber man hätte das "Rechnungen nicht mehr bezahlen können" auch auf andere Art formulieren können, direkter, verständlicher – dass das Geld nicht mehr zum Leben reicht. 57 Prozent fürchten außerdem, dass Deutschland in den Ukraine-Krieg hineingezogen werden könnte. Der Widerspruch, in dem diese Furcht zu dem steht, was in der Sendeanstalt sonst gepredigt wird, ist den Bearbeitern nicht aufgefallen.
Weiterlesen: Deutschland: Die Zeit der Idioten
Gregor Gysi spricht auf einer "Genug ist genug"-Kundgebung
Gregor Gysi: "Die soziale Spaltung in Deutschland wächst, die Zahl der Millionäre ist ebenso gestiegen wie die Zahl der Armen. Ich bin es leid, dass in Deutschland alles von der Mitte bezahlt wird, während den Großverdienern, den Vermögenden und den großen Banken und Konzernen immer Wege gezeigt werden, wie sie ihrer Steuerpflicht entgehen können. Das muss aufhören!" [Video ansehen]
Die nächste Kundgebung findet am 23.11.2022 in Schwerin statt. Mit dabei sind
Gregor Gysi, Ina Latendorf und Sören Pellmann
Zum Bürgergeld und der angekündigten Blockade durch die Union
Am 10. Nov. 2022 hat der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung für ein Bürgergeld-Gesetz verabschiedet. Darin sind einige wichtige Änderungen enthalten, siehe Nr. 2 dieses Newsletters.
Am 14. Nov. 2022 wird der Bundesrat sich mit dem Bürgergeldgesetz befassen, die CSU und CDU drohen dort mit einer Blockade. Sollte das Bürgergeldgesetz durch die Union im Bundesrat blockiert werden, muss das Gesetz in den Vermittlungsausschuss. Ziel der Union ist über eine parteipolitisch motivierte Blockade im Bundesrat, das Bürgergeldgesetz im Vermittlungsausschuss zu verändern.
Mit dem Bürgergeldgesetz gekoppelt ist die Regelleistungserhöhung von 449 € auf 502 €. Wird das Bürgergeldgesetz von der Union weiter blockiert, wird es zum 1. Januar 2023 keine dergestalt höheren Regelleistungen für Millionen von SGB II/SGB XII-Leistungsbeziehenden geben. Diese Menschen werden von der CDU/CSU im Bundestag in Geiselhaft genommen. Die gezielte Unterdeckung der Existenz von Millionen von SGB II/SGB XII-Leistungsbeziehenden mitten in der größten Krise der Bundesrepublik ist dann das Ergebnis der Blockade der Union.
Dazu ist anzumerken: Kommt es Anfang Januar 2023 durch die machtpolitischen Spielchen der CDU und CSU nicht zu der anvisierten Erhöhung der Regelleistungen, sind die Regelleistungen spätestens dann offen verfassungswidrig zu niedrig.
Für diesen Fall würde Tacheles in Kooperation mit weiteren sozialpolitischen Akteur*innen eine breit angelegte juristische Kampagne zum Einklagen höherer Regelleistungen starten. Auf dem Deutschen Sozialgerichtstages im November wurde von den Sozialrichtern signalisiert, dass sie geneigt sind, im Falle einer fortgesetzten Unterdeckung durch die Regelleistungen in Zukunft Klagen auf höhere Regelleistungen stattzugeben.
Sollte eine solche Kampagne notwendig sein, ist es durchaus vorstellbar, dass dann die Gerichte angesichts der Preisentwicklung höheren Regelleistungen als 502 € für alleinstehende Menschen zustimmen.
Weiter ist anzumerken: Im geplanten Bürgergeldgesetz sind viele sinnvolle Regelungen enthalten, aber es ist immer noch Armut per Gesetz, solange die Regelleistungen nicht deutlich angehoben werden. Der Paritätische hat jetzt erarbeitet, dass zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums ein Regelsatz von 725 € notwendig ist (siehe Punkt 4). Ebenso muss die Haushaltsenergie aus den Regelleistungen rausgenommen werden und alle Sanktionen sind aufzugeben. Solange diese Kernpunkte nicht erfüllt sind, bleibt das sog. „Bürgergeld“ weiterhin ein Bürgerhartzgeld.
Bemerkung dazu: Bei vielen kleineren Änderungen wird deutlich, dass z.T. jahrelanges Fordern, Skandalisieren und Nerven von Tacheles bei allen sich bietenden Gelegenheiten durchaus Gehör findet.
Zusammenfassung der derzeitigen geplanten Änderungen im Bürgergeldgesetz
Frank Jäger von Tacheles hat sich hingesetzt, die wesentlichen geplanten Änderungen des SGB II und SGB XII aus dem Gesetzesentwurf vom 4. Nov. gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.10.2022 zusammenzustellen und transparent zu machen. Diese interessante Stellungnahme gibt es hier: https://t1p.de/gy39b
Bemerkung dazu: Bei vielen kleineren Änderungen wird deutlich, dass z.T. jahrelanges Fordern, Skandalisieren und Nerven von Tacheles bei allen sich bietenden Gelegenheiten durchaus Gehör findet.
BSG: Begleitung durch Vertrauensperson bei Untersuchung durch medizinischen Sachverständigen grundsätzlich zulässig
Das BSG hat am 27. Okt. darüber entschieden, ob es zulässig ist Vertrauensperson bzw. einen Beistand bei Untersuchung durch medizinischen Sachverständigen mitzubringen.
Das hat das BSG jetzt endlich bejaht (BSG 27.10.2022- B 9 SB 1/20 R).
Eine richtige und erfreuliche Position; mehr dazu: https://t1p.de/56oc6