Wirtschaft
Mercedes-Chef warnt: Gaslieferstopp würde weite Teile der Wirtschaft betreffen
29 Apr. 2022 22:22 Uhr
Eine Reihe von Wirtschafts-, Politik- oder Gewerkschaftsvertretern oder anderen Experten hatte bereits gewarnt – vor "ungeahnten Folgen", vor "irreparable Schäden", vor einem massiven Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, vor einer Rezession, der Stilllegung des Kerns der deutschen Industrieund, neben schwerwiegenden Folgen für die deutsche Wirtschaft, vor gesellschaftlichen Folgen samt sozialen Unruhen.
Am Freitag warnte auch Mercedes-Chef Ola Källenius vor weitreichenden Konsequenzen. "Sollte es zu einem Gaslieferstopp kommen, würde das weite Teile der Wirtschaft betreffen", so der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz bei der Online-Hauptversammlung. Das Unternehmen benötige Gas für die Fertigung und das Heizen von Werkshallen.
Die Bundesnetzagentur habe bisher nicht mitgeteilt, in welcher Weise der Autobauer von einer Rationierung betroffen wäre, sagte Källenius. Die Stuttgarter stehen demnach in Kontakt mit den Behörden und bereiten mögliche Schritte vor, um den eigenen Gasverbrauch zu mindern. Ein Ölembargo würde sich hingegen nicht unmittelbar auf die Fertigung auswirken, könnte aber Zulieferer und Logistikunternehmen treffen, erklärte Källenius.
Bisher ist nicht klar, welche Unternehmen im Notfall auf wie viel Gas verzichten müssten. Falls Gas knapp werden sollte, würde die Bundesnetzagentur es verteilen. Vorgesehen ist, dass private Haushalte, öffentliche Einrichtungen und systemrelevante Betriebe zuerst versorgt würden – wogegen einige Firmenvertreter bereits protestieren.
Für das Stuttgarter Unternehmen macht sich der Ukraine-Krieg bereits durch Engpässe bei bestimmten Bauteilen bemerkbar. Mercedes-Benz arbeitet laut Källenius mit Zulieferern aus der Ukraine zusammen, die unter anderem Kabelbäume liefern. In Russland wurden Produktion und Vertrieb unterbrochen, es werden aber noch Kunden mit bestehenden Leasing- und Finanzierungsverträgen betreut. Mercedes bezog noch im vergangenen Jahr Rohstoffe wie das Edelmetall Palladium aus Russland. Der Anteil Russlands und der Ukraine am Mercedes-Geschäft lag bisher zusammen bei rund zwei Prozent. "Wir halten die Sanktionen ein", sagte Finanzvorstand Harald Wilhelm mit Blick auf westliche Sanktionen.
Mercedes-Benz ist zudem wie andere Hersteller von Versorgungsengpässen bei Halbleitern betroffen. "Die Lage sollte sich dieses Jahr verbessern", so Källenius. "Die Produktion in unseren Werken läuft."
Mercedes-Benz hatte von Januar bis Ende März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich weniger Autos verkauft. Der Rückgang beim Absatz ist ausschließlich dem Mangel an Halbleitern zuzuschreiben, wie der Konzern mitgeteilt hatte.
Auch dank großzügiger Staatshilfen konnten am Freitag üppige Dividenden mit einer Gesamtsumme von über fünf Milliarden Euro verkündet werden, Aktionäre können sich über einen immensen Sprung auf fünf Euro je Aktie nach zuvor 1,35 Euro freuen. Neben dem Steuerzahlergeld ist unter anderem ein Anteil von 70 Cent aus dem Nutzfahrzeuggeschäft enthalten, da Daimler Truck für das vergangene Jahr keine separate Dividende auszahlen wird. Der seit kurzer Zeit selbständige Hersteller von Lastwagen und Bussen ist ebenfalls börsennotiert. Der Daimler-Konzern war im vergangenen Jahr aufgespalten worden – bei Mercedes-Benz ist nun das Auto- und Transportergeschäft gebündelt. Daimler Truck führt das frühere Daimler-Lkw-Geschäft. Außerdem zogen Polly Courtice und Marco Gobbetti neu in den Aufsichtsrat ein. Die Bürgerbewegung Finanzwende bemängelte die Aufstockung der Dividende, denn während der COVID-19-Pandemie profitierte auch Mercedes von staatlicher Stütze durch Kurzarbeitergeld.
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Deutlicher Einbruch der deutschen Industrieproduktion im März 2022
6 Mai 2022 16:46 Uhr
Die Produktion in der deutschen Industrie hat im März gegenüber dem Vormonat den stärksten Einbruch seit der Corona-Krise verzeichnet. Laut dem Chefvolkswirt der Commerzbank wird es mit der Industrieproduktion tendenziell weiter nach unten gehen. Steigen werden hingegen die Preise.
Nachdem beinahe alle Corona-Maßnahmen zurückgeschraubt wurden, belastet der Ukraine-Krieg die deutsche Wirtschaft. Vor allem die Produktion in der deutschen Industrie ist im März deutlich eingeknickt. Nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes brach die Gesamtproduktion gegenüber dem Vormonat um 3,9 Prozent ein.
Einen stärkeren Rückgang hat es zuletzt zu Beginn der Corona-Krise im April 2020 mit damals 18,1 Prozent gegeben, erläuterte die Wiesbadener Behörde am Freitag. Demnach war die Produktion im März 2022 im Vergleich zum Vorjahr 3,5 Prozent niedriger.
Lieferengpässe und Materialmangel verschärften sich infolge des Krieges. So machten etwa fehlende Kabelbäume aus der Ukraine der Autoindustrie im März massiv zu schaffen. "Infolge anhaltender Einschränkungen durch die Corona-Krise und des Krieges in der Ukraine haben viele Unternehmen wegen gestörter Lieferketten nach wie vor Probleme beim Abarbeiten ihrer Aufträge", hieß es seitens der Wiesbadener Behörde.
Nach zuletzt fünf Anstiegen in Folge habe die Industrieproduktion einen herben Dämpfer erfahren, vor allem bedingt durch den russischen Krieg in der Ukraine, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium.
Als exportorientiertes Land ist Deutschland überproportional von den Handelssanktionen gegenüber Russland betroffen. Zudem seien auch wichtige Waren im Produktionsprozess durch den Krieg in der Ukraine knapp geworden. In der Autoindustrie brach die Produktion im März demnach um 14,0 Prozent ein. Der ebenfalls wichtige Maschinenbau verbuchte ein Minus von 5,3 Prozent. Für die Industrie, die bereits im letzten Jahr durch Lieferengpässe bei wichtigen Vorleistungsgütern belastet wurde, stelle der Krieg mit den damit verbundenen hohen Rohstoffpreisen einen erneuten Dämpfer dar, so das Ministerium.
Nach Angaben des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung klagten im März gut 80 Prozent der befragten Industrieunternehmen über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet, dass es in den kommenden Monaten mit der Industrieproduktion tendenziell weiter nach unten gehen dürfte. "Zum einen lässt die Null-Corona-Politik Chinas den Nachschub für die deutsche Industrie stocken. Zum anderen verunsichert Putins Angriffskrieg hierzulande Verbraucher und Unternehmen."
Nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) blickt die Industrie auch in den nächsten Monaten auf große Herausforderungen. "Gerade Lieferkettenprobleme werden das Verarbeitende Gewerbe noch belasten", sagte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen.
Die Herstellung von Investitionsgütern verringerte sich im März um 6,6 Prozent. Die Energieerzeugung lag um 11,4 Prozent niedriger als im Vormonat, nachdem sie im Februar noch deutlich gestiegen war. Die Aktivitäten am Bau stiegen dagegen leicht um 1,1 Prozent.
Die Industrie-Produktion reiht sich ein in eine Serie schwacher Konjunkturdaten, die in dieser Woche veröffentlicht wurden. Auch der Export sowie der Auftragseingang waren im März gegenüber dem Vormonat gesunken. Nach Einschätzung von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, dürften die Frühjahrs- und Sommermonate für die deutsche Industrie schwierig bleiben.
Die Preiserwartungen der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen hingegen steigen stark an. Eine große Mehrheit der Unternehmen plant kurzfristige Preisanhebungen, vor allem im Großhandel mit 79,3 Punkten, gefolgt vom Einzelhandel mit 75,4 Punkten und der Industrie mit 73,1 Punkten. Weniger stark, aber auch deutlich steigen die Preiserwartungen im Bau mit 64,2 Punkten und die Dienstleister mit 51,5 Punkten.
"Die Inflation in Deutschland dürfte damit auch in den kommenden Monaten bei über sieben Prozent liegen", so Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.
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Handelsblatt Interview mit dem russischen Miinister für Handel und IndustrieDenis Manturow
Industrie- und Handelsminister Russlands Denis Manturow im Interview mit Handelsblatt, 18. Februar 2020
Quelle: Russische Botschaft
Herr Minister, die neue russische Regierung will das Wirtschaftswachstum deutlich steigern. Was will sie dafür tun?
Wir haben uns das Ziel gesetzt, ein Wirtschaftswachstum zu erreichen, das über den Zuwachsraten der Weltwirtschaft liegt. Russland soll unter die fünf größten Volkswirtschaften der Welt kommen. Wir wollen dazu einen Anstieg unseres Bruttoinlandsprodukts von mindestens drei Prozent jährlich schaffen.
Ist das nicht zu ambitioniert angesichts von gerade einmal einem Prozent Wachstum im vorigen Jahr?
Ja, das ist sehr ambitioniert. Aber wir wollen das vor allem durch die Realisierung der von Präsident Putin verkündeten nationalen Projekte schaffen: Wir stecken dabei 25,7 Billionen Rubel (umgerechnet 370 Milliarden Euro) in Infrastruktur-, Sozial- und Industrie-Megaprojekte, die dann das Wirtschaftswachstum treiben. Und wir werden kleine und mittelständische Unternehmen verstärkt fördern, die auch hauptsächliche Treiber von Wirtschaftswachstum sind. Allerdings haben wir als Erbe der Sowjetunion viele große Staatsunternehmen geerbt, die bisher das Rückgrat unserer Volkswirtschaft bilden …
… aber der Staatsanteil in der russischen Wirtschaft ist doch zuletzt immer weiter gestiegen.
Ja, aber eher ungewollt, nicht als Selbstzweck. Im Bankensektor ist der Staatsanteil gewachsen, weil wir große, vor dem Bankrott stehende Institute wie die Bank Otkrytie retten mussten. Wenn die Zentralbank da nicht eingegriffen hätte, wäre es zur Bankenkrise gekommen. Die Otkrytie Bank wird nicht dauerhaft im Staatsbesitz bleiben. Und bei der staatlichen Holding Roctec mit ihren über 1000 Firmen bündeln wir Unternehmen, sanieren sie und bieten sie Privatinvestoren zum Kauf an.
Aber im Energiesektor hat es doch einen starken Anstieg des Staatsanteils gegeben, etwa durch die Übernahme des privaten Ölkonzerns Yukos durch den staatlichen Ölriesen Rosneft und der Ölfirma Sibneft durch Gazprom.
Auch hier werden wir den Staatsanteil deutlich senken. Große Anteile von Rosneft und Gazprom sind schon an der Börse, und hohe Dividenden erfreuen russische sowie ausländische Aktionäre. Und sicher ist, dass der Staatsanteil der Energiekonzerne weiter sinken wird. Bei faktisch allen Staatskonzernen, es ist nur eine Frage der Zeit.
Dafür spielt aber auch das Investitionsklima eine Rolle, um das es in Russland nicht zum Besten steht.
Für das Investitionsklima spielen innere und äußere Faktoren eine Rolle. Hauptaufgabe der neuen Regierung wird dabei sein, die Nachfrage im Land zu stimulieren …
… die wegen des Rückgangs des Realeinkommens der Bevölkerung der letzten Jahre gefallen ist.
Ja, aber da jetzt die Realeinkommen wieder steigen, wird die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen wieder steigen. Und um die zu befriedigen, wird verstärkt investiert werden. Wir wollen künftig die staatlichen Investitionen um jährlich fünf Prozent steigern.
Wie wollen Sie das erreichen?
Wir setzen stark auf die Digitalisierung. Und auf diesem Feld ist Russland in einigen Bereichen weiter als andere Länder.
In welchen denn?
Wir haben ein System der digitalen Markierung von Waren eingeführt. Dadurch kann der Warenfluss in Russland und der Eurasischen Wirtschaftsunion verfolgt werden. Und wir können Produktfälschungen aufdecken. Das ist ein wichtiges Element zur Säuberung der Wirtschaft, der Zurückdrängung der Schattenwirtschaft und zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit legaler Produzenten. Nicht viele Länder können so große Errungenschaften der Digitalisierung der Wirtschaft vorweisen.
Was heißt das konkret?
Russland setzt künftig maximal auf eigene digitale Produkte, eigene IT- und Software-Lösungen. Wir machen uns, auch aus Gründen der nationalen Sicherheit, unabhängig von ausländischen IT-Produkten. Künftig werden ausländische Anbieter uns nicht mehr beeinflussen können, indem sie uns bestimmte Produkte liefern oder eben nicht. Das gilt auch für den Bereich der Energie.
Inwiefern?
Die Firma Siemens etwa, die seit über 160 Jahren in Russland vertreten ist, wird sich entscheiden müssen, ob sie das geistige Eigentum zum Bau großer, moderner Turbinen an ihre russische Tochter übergibt.
Siemens lehnt dies strikt ab und streitet sich mit dem russischen Joint-Venture-Partner Power Machines und dessen Eigentümer Alexej Mordaschow um die Übergabe aller technischen Details zur Produktion hochmoderner Großturbinen an die gemeinsame russische Tochter. Ist das für Sie nur ein technisches Problem?
Absolut. Ganz ehrlich: Es hängt allein an Siemens, ob es unsere Anforderungen, die des russischen Staates und nicht Mordaschows, erfüllt in Sachen des Sicherheitsniveaus und Großturbinen in Russland herstellt. Wenn Siemens oder andere ausländische Firmen keine 70 und 160 Megawatt großen Turbinen in Russland produzieren wollen, dann werden sie auch keine Aufträge zur Lieferung von Großturbinen an russische Kraftwerke mehr bekommen. Wir haben schon mit der Entwicklung eigener Turbinen dieser Klasse begonnen. Dafür haben wir entschieden, Power Machines eine staatlich Kofinanzierung zur Entwicklung von Großturbinen zu gewähren. Ich wäre glücklich, wenn ausländische Firmen diese Turbinen in Russland fertigen und wir diese Steuergelder sparen könnten.
Es ist also kein Druck Mordaschows auf Siemens, die Turbinenfertigung quasi zu übernehmen?
Auf keinen Fall. Mordaschow macht da absolut keinen Druck. Ich verlange als Vertreter des Staats, dass diese Großturbinen auf russischem Territorium gefertigt werden. Da ist es egal, ob von einem Joint Venture mit Power Machines oder durch Siemens allein. Ich kann mir nicht erlauben, einen zweiten Fall zuzulassen, bei dem Turbinenlieferungen auf die Halbinsel Krim infrage gestellt werden.
Welche neuen deutsch-russischen Wirtschaftsprojekte erwarten Sie?
Da sind viele Vorhaben in der Pipeline. Deutschland ist größter industrieller Auslandsinvestor in Russland.
Und das, obwohl sich seit 2014 die Zahl deutscher, in Russland tätiger Unternehmen von 6200 auf unter 4300 reduziert hat?
Das hat sich auf das Niveau der kumulierten Investitionen nicht ausgewirkt. Deutsche Firmen haben 20 Milliarden Dollar in Russland investiert und investieren weiter. Viele bereits in Russland tätige deutsche Firmen wollen ihre Produktion ausweiten oder neue Fabriken bauen. Wir wissen von allein dadurch geplanten weiteren 530 Millionen Euro Investitionen in nächster Zeit. Gerade hat Henkel eine zweite Produktionslinie für Kosmetika und Shampoos bei Moskau eröffnet, eine dritte ist in Planung. Dr. Theiss Naturwaren hat den Grundstein für ein Werk zur Zahnpasta- und Creme-Produktion in Russland gelegt.
Global steht immer stärker das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf der Tagesordnung. Wie steht es damit in Russland, einem Land mit energieintensiver Schwerindustrie?
Russlands Stahlindustrie, um nur ein Beispiel zu nennen, ist heute international wettbewerbsfähig, weil 60 Milliarden Euro seit dem Jahr 2000 in die Modernisierung der Metallurgie gesteckt wurden. Dadurch kommen modernste Technologien zum Einsatz, wurden die Emissionen und die Produktionskosten verringert und wurde die Produktivität gesteigert. Russische Stahlkonzerne sind heute deutlich wettbewerbsfähiger als einige europäische Wettbewerber.
Also ist der globale Trend zu Dekarbonisierung keine Gefahr für Russland und seine Industrie?
Ja und nein. Auch wir setzen auf Elektromobilität. So soll in Moskau ab 2024 kein Bus mehr mit Verbrennungsmotor fahren. Das ist für alle Regionen natürlich teuer, aber zumindest in der Hauptstadt wird das so kommen. Wir setzen auf Elektroantriebe und Gas als Treibstoff für Fahrzeuge. Gas ist umweltfreundlicher, und aus Gas Treibstoff für Fahrzeuge zu machen verstärkt auch die Binnennachfrage nach Erdgas in Russland selbst. Wir haben bereits Anreize für den Kauf von Autos mit Gas als Treibstoff geschaffen.
Herr Minister, vielen Dank für das Interview.
Österreichs Ex-Außenministerin Kneissl: Russland ist wichtiger Teil der Weltwirtschaft
Beitrag: Netzfund
Behauptungen hochrangiger westlicher Beamter, dass die russische Wirtschaft zusammenbricht, sind völlig unzutreffend. Dies betonte die ehemalige österreichische Außenministerin Karin Kneissl in einem Interview mit RT, in dem sie über die globale Krise sprach.
Die österreichische Außenministerin Karin Kneissl erklärte in einem RT-Interview, dass die russische Wirtschaft ein wichtiger Teil der Weltwirtschaft sei, insbesondere, aber nicht ausschließlich wegen deren Rolle bei der Versorgung mit Rohstoffen. Dazu gehören nicht nur Öl und Gas, sondern auch Uran, wichtige Metalle und andere Materialien, die für die Weltwirtschaft entscheidend sind.
Die Behauptung, die russische Wirtschaft leide unter den Sanktionen, sei falsch, so Kneissl. Eine solche Behauptung sei eine "völlige Fehleinschätzung". Sie fügte hinzu:
"Eines ist sicher, wir befinden uns global mitten in einer Wirtschaftssituation, in der wir eine gegenseitige Abhängigkeit sehen."
"Öl ist ein weltweit gehandeltes Gut, und wenn es nicht nach Westen fließt, kann es leicht nach Süden, Norden oder Osten fließen. Und das ist bereits der Fall.
Die Tatsache, dass der russische Rubel nun zunehmend von Rohstoffen gestützt wird, stellt "eine interessante Entwicklung in dieser Währungswelt dar, weil er dadurch an Stärke gewonnen hat, dass Öl, Gas und andere wichtige Rohstoffe, die man nicht so einfach ersetzen kann, sein Rückgrat bilden".
Mit Blick auf die aktuelle Weltwirtschaftskrise hob Kneissl hervor:
"Spätestens seit 2021 haben wir eine Energiekrise und eine galoppierende Inflation. Jetzt wird viel auf den Krieg geschoben, auf Russland ... Das stimmt nicht ... Leider bekommt man das jedoch von den europäischen Zentralbanken zu hören. Die ganze Zusammensetzung der Krise war schon lange vorher da."
Russland-EU: 30 Jahre der Beziehungen“ für die Zeitung „Rossijskaja Gaseta“ am 18. Dezember 2019
32 Jahre wirtschaftlich gute Beziehungen ohne Probleme und doch ist die EU nicht fähig Russlands Sorge um seine Sicherheit sowie die Sicherheit seiner Bürger anzuerkennen und einen Kompromiss mit seinem Staatschef Putin einzugehen. Stattdessen begibt sich die EU auf einen Kreuzzug gegen Russland und fordert einen Regimechange. Diese Unverfrorenheit ist nicht zu fassen. (Kommentar Roswitha Engelke)
Vor 30 Jahren, am 18. Dezember 1989, wurde in Brüssel ein Abkommen über Handel, kommerzielle und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und den Europäischen Gemeinschaften unterzeichnet. Dieses Datum wurde zum Ausgangspunkt beim Aufbau der offiziellen Beziehungen Russlands als Nachfolgestaat der Sowjetunion zur Europäischen Union.
Es ist symbolisch, dass das Abkommen etwas mehr als ein Monat nach dem Berliner Mauerfall in Berlin abgeschlossen wurde – Ereignis, das in die Geschichte als Wendepunkt beim Ende des Kalten Kriegs, Periode der Trennung des Kontinents in sich bekämpfende ideologische Blöcke, einging. Die Gründer der Russland-EU-Partnerschaft verstanden, dass es ohne Schaffung eines breiten Kooperationsfeldes in Europa unmöglich ist, jahrhundertelange Trennungslinien auf unserem Kontinent zu löschen. Von beiden Seiten gab es die Stimmung, sie gegenseitig vorteilhaft, langfristig, stabil gegenüber wirtschaftlichen und politischen Schwankungen zu machen.
Die darauffolgenden Jahre waren durch eine penible Arbeit an der Schaffung einer mehrstufigen Architektur des Zusammenwirkens zwischen Russland und der EU gekennzeichnet. Es wurde eine solide normativ-rechtliche Basis gebildet, deren Grundlage bis heute das 1994 unterzeichnete Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit bleibt. Während des Russland-EU-Gipfels in Sankt Petersburg im Mai 2003 wurde ein weiterer Vorwärtsschritt bei der Überwindung der Gespaltenheit Europas unternommen – eine Vereinbarung über den Aufbau einer strategischen Partnerschaft auf Grundlage der Schaffung von vier gemeinsamen Räumen – Wirtschaft, äußere Sicherheit, Freiheit, Sicherheit und Justiz, Wissenschaft und Bildung, einschließlich der kulturellen Aspekte. Wir arbeiteten zusammen an langfristigen Projekten, die bei einem logischen Abschluss spürbare Dividenden allen Einwohnern unseres gemeinsamen Kontinents hätten bringen, das Niveau ihrer Sicherheit, Wohlstandes und Komforts bedeutend erhöhen können. Es handelte sich unter anderem um die Erleichterung der Bedingungen – bis zur Visumsfreiheit – der gegenseitigen Reisen der Staatsbürger Russlands und der EU-Länder, Aufnahme enger Kooperation der Rechtsschutzorgane beim Kampf gegen Bedrohungen des Terrorismus und organisierter Kriminalität, koordinierte Regelung der regionalen Krisen und Konflikte, Bildung einer Energieunion. Dennoch wurde nicht geschafft, die Nachhaltigkeit der erklärten Partnerschaft bei den Beziehungen zwischen Russland und der EU zu gewährleisten.
Leider wurde die gesamteuropäische Perspektive von vielen im Westen ausschließlich unter dem Blickwinkel des „Sieges im Kalten Krieg“ wahrgenommen. Die Prinzipien der gleichberechtigten Zusammenarbeit wurden durch eine Illusion abgelöst, als ob die euroatlantische Sicherheit nur um die Nato aufgebaut werden soll, und der Begriff Europa sich ausschließlich mit der EU assoziieren soll. Alles andere sind gewisse „konzentrische Kreise“ um diese „Zentren der Legitimität“.
In konkreten Angelegenheiten in unseren Beziehungen zu Brüssel wurden wir immer öfter Augenzeugen der „Absolutisierung“ der übernationalen Normen der EU und Versuche ihrer rückwirkenden Anwendung gegenüber allen anderen Ländern. Uns wurde vorgeschlagen, „fertige“, innerhalb der EU „gefertigte“ Beschlüsse anzunehmen, die weder ihre Besprechung mit uns, noch die Berücksichtigung der russischen Interessen vorsahen. Einfacher gesagt – sich in Fahrwasser zu stellen und einen „richtigen“ Kurs zu gehen sowie die Deutung der „allgemeinen Werte“ bedingungslos anzunehmen, die sich oft trotz der europäischen zivilisatorischen Tradition, die auf Christentum ruht, bildeten.
Unsere Partner in Brüssel verschwiegen schamhaft, dass das sich entwickelnde Konzept der vier gemeinsamen Russland-EU-Räume auf das gegenseitige Verständnis der Gefahr und Kontraproduktivität der Versuche, unsere gemeinsamen Nachbarn vor die Wahl – EU oder Russland – zu stellen, stützte. Bereits vor 2014 wurde zu einem Alarmsignal bei den Beziehungen zwischen Russland und der EU der Start der Initiative „Östliche Partnerschaft“, die im Grunde – wie sich das anschließend bestätigte – auf die Entfernung Russlands von unseren nächsten Nachbarn, mit denen wir jahrhundertealte Verbindungen haben, gerichtet ist. Trübe Folgen dieser egoistischen Politik sind bis heute zu spüren.
Kurzum erwies sich die EU in der Praxis nicht bereit zur Gleichberechtigung bei den Beziehungen zu unserem Land. Im Brüsseler Lexikon wurde der Begriff „Europa“ endgültig zum Synonym der „Europäischen Union“. Es wird so dargestellt, als ob „wahres“ Europa die Mitglieder der EU ist, und alle restlichen Länder des Kontinents „den hohen Titel der Europäer“ noch verdienen müssen. Damit wird versucht, wieder den Kontinent künstlich zu teilen, die Geografie und Geschichte werden verzerrt. Nehmen wir alleine die von EU-Strukturen eilig gefertigten Resolutionen, die Nazis, die europäische Völker vernichteten, und die sowjetischen Kämpfer, die diese Völker vor ihrer physischen Ausrottung retteten, gleichsetzen.
Ein solches Herangehen ist völlig fehl am Platze und nützt nicht dem europäischen Integrationsprojekt, widerspricht seinem ursprünglichen vereinigenden und friedensstiftenden Geiste. Geografisch, historisch, wirtschaftlich, kulturell war, ist und wird Russland ein unabdingbarer Teil Europas sein. Mit einmaliger Identität, auf die wir zu Recht stolz sind, sind wir ein Teil des europäischen zivilisatorischen Raums. Im Laufe von Jahrhunderten leistete Russland seinen Beitrag zu seiner Erweiterung – bis zum Pazifischen Ozean. Unsere Identität bildete sich unter anderem unter Einfluss der fortschrittlichen europäischen Ideen. Genau so wäre die europäische Kultur ohne die gegenseitige Bereicherung mit Russland nicht vorzustellen gewesen.
Trotz der Kontroversen bleiben Russland und die EU wichtige handelswirtschaftliche Partner. Und große Nachbarn, die imstande sind, selbstständig die gemeinsame Verantwortung für den Frieden, Prosperität und Sicherheit dieses Teils Eurasiens zu tragen. Hätte es keine parteiische Position der EU im Kontext der ukrainischen Ereignisse gegeben, hätte der Handelsumsatz zwischen Russland und der EU heute wohl 0,5 Billion Dollar erreichen und ein Faktor des globalen Ausmaßes sein können – vergleichbar mit dem Handelsumfang der EU zu den USA und China.
Es gibt immer mehr Signale, dass unsere EU-Partner allmählich einsehen, dass die aktuelle Situation nicht normal ist. nach einer gewissen Stagnation wird unser Zusammenwirken mit den meisten Mitgliedsländern der Union intensiver. Es fanden die ersten Kontakte mit der neuen EU-Führung statt, die ihre Arbeit Anfang Dezember aufgenommen hat.
Der Beginn eines neuen institutionellen Zyklus in der EU bietet, objektiv gesehen, die Möglichkeit für einen „Neustart“ in unseren Beziehungen. Mindestens ist das ein wichtiger Anlass, darüber nachzudenken, wer wir füreinander in dieser Welt sind, die sich so intensiv verändert. Wir wollen gerne hoffen, dass die Entscheidungsträger in der Europäischen Union strategisch denken und im Geiste großer europäischer Politiker wir beispielsweise Charles de Gaulle oder Helmut Kohl handeln werden, die Europa als unser gemeinsames Zuhause betrachteten. Künstliche Beschränkungen für Kooperation wegen der geopolitischen Interessen dieser oder jener Kräfte lösen Probleme nicht – sie schaffen nur neue und schwächen die Position Europas im Wirtschaftsbereich. Ich bin überzeugt, dass man die Eigenständigkeit und Konkurrenzfähigkeit der europäischen Kulturen und Wirtschaften unter dem Globalisierungsdruck nur durch Bündelung der Vorteile aller Länder und Integrationsvereinigungen unseres gemeinsamen Eurasiens aufrechterhalten kann.
Die Beziehungen zwischen Russland und der EU entwickeln sich nicht im Vakuum. Multipolare Welt ist Realität geworden. Im Asien-Pazifik-Raum sind neue finanzielle, wirtschaftliche, technologische und militärische Machtzentren entstanden. Wir üben unsere Außenpolitik und unser Zusammenwirken mit unseren Partnern unter Berücksichtigung dieses äußerst wichtigen Faktors aus. Die neue Realität ist nicht nur mit neuen grenzüberschreitenden Herausforderungen verbunden, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten für die eigene Entwicklung dort, wo wir früher nicht einmal hinschauten. Jedenfalls werden unsere Möglichkeiten dank der Bündelung unserer Kräfte zigmal größer. Angesichts der andauernden internationalen Turbulenzen ist es wichtig, die Oberhand des Völkerrechts zu untermauern. Man sollte nicht versuchen, es durch die im Westen erfundene „Ordnung auf Basis von Regeln“ zu ersetzen, die seinen Interessen dient. Nur dann könnten wir die Effizienz der multilateralen Bemühungen sichern.
Wir betrachten die Europäische Union als eines der Zentren der multipolaren Welt. Wir sind an der Entwicklung der Beziehungen mit ihr im Sinne der von Präsident Wladimir Putin formulierten Konzeption der Großen Eurasischen Partnerschaft vom Atlantik zum Pazifik unter Beteiligung der Staaten der Eurasischen Wirtschaftsunion, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, des ASEAN und aller anderen Länder des Kontinents interessiert. Die wirtschaftliche Basis der Beteiligung der EU-Länder an dieser Partnerschaft könnte das Zusammenwirken zwischen der EU und der EAWU bilden. Die Bündelung der Potenziale der zwei großen regionalen Märkte, die Harmonisierung ihrer Handels- und Investitionsregimes wird zur Festigung der Positionen aller Teilnehmer des Welthandels beitragen. Zudem wird das (und dieser Moment ist ebenfalls sehr wichtig) ermöglichen, künftig Situationen zu vermeiden, wenn unsere „gemeinsamen Nachbarn“ wieder vor die primitive Wahl gestellt werden: entweder mit der EU oder mit Russland.
Ich darf abermals erinnern: Die Prinzipien der Partnerschaft wurden bereits in unseren gemeinsamen Dokumenten formuliert. In dem beim Russland-EU-Gipfel am 10. Mai 2005 in Moskau gebilligten „Fahrplan“ bezüglich des gemeinsamen Außensicherheitsraums heißt unter anderem, dass die regionalen Kooperations- und Integrationsprozesse, an denen sich Russland und die EU beteiligen und die sich auf souveräne Entscheidungen der Staaten stützen, eine wichtige Rolle bei der Festigung der Sicherheit und Stabilität spielen. Diese Prozesse sollten „gemeinsam und durch erfolgsorientiertes Zusammenwirken und den Dialog zwischen Russland und der Europäischen Union gefördert werden, indem sie einen effizienten Beitrag zur Bildung eines großen Europas ohne Trennungslinien und mit gemeinsamen Werten leisten würden“. Auch heute kann man das nicht noch besser formulieren. Es wäre gut, wenn diese Worte in Taten umgesetzt würden.
Ein effizientes Sicherheitssystem in Europa kann man nur gemeinsam bilden – das ist ein Axiom. Vor 20 Jahren, am 19. November 1999, wurde bei einem OSZE-Gipfel in Istanbul die Charta der europäischen Sicherheit verabschiedet. Auf Initiative der EU wurde darin die Plattform der kooperativen Sicherheit festgeschrieben, wobei es um das Zusammenwirken nicht nur der Staaten, sondern auch aller Organisationen im euroatlantischen Raum geht. Wir befürworteten diesen Vorschlag. Aber leider gab man in Brüssel, wo nicht nur die EU-Institute, sondern auch das Nato-Hauptquartier liegt, diese Idee später auf. In der Sitzung des OSZE-Außenministerrats am 5. und 6. Dezember 2019 in Bratislava blockierten die westlichen Länder Russlands Aufruf, die erwähnte Initiative zu unterstützen, die einen gleichberechtigten gesamteuropäischen Dialog unter Beteiligung der EU, der GUS, der Nato und der OVKS vorsieht. Es sieht danach aus, dass die EU und die Nato vor 20 Jahren, als sie diese Idee zum Ausdruck brachten, von ihrer Dominanz überzeugt waren. Jetzt aber haben sie offenbar Angst vor der Konkurrenz seitens der Strukturen haben, die sich im GUS-Raum erfolgreich entwickeln, und weichen dem direkten und gleichberechtigten Dialog mit ihnen aus.
Wir rufen die Europäische Union auf, sich an den grundlegenden Prinzipien zu richten, die in den Dokumenten über die Grundlagen der Russland-EU-Beziehungen formuliert sind – und nicht an irgendwelchen neuen „Konstruktionen“, die eine gewisse „zwangsläufige Koexistenz“ vorsehen. Wir werden mit gemeinsamen Gefahren und Herausforderungen konfrontiert: mit dem Terrorismus, Drogenhandel, der organisierten Kriminalität, der illegalen Migration usw. Wenn man das Zusammenwirken mit unserem Land beschränkt und konfrontationsorientiert gegenüber Russland handelt, wird man die Perspektiven der Europäischen Union in der heutigen Welt nicht unbedingt besser machen.
Wir sind offen für beiderseitig nützliches, gleichberechtigtes und pragmatisches Zusammenwirken mit der EU offen – in Übereinstimmung mit den Interessen unserer Verbündeten und aller anderen Partner in Eurasien. Nur so kann man ein lebensfähiges, langfristiges Modell der gegenseitigen Beziehungen etablieren, das den Interessen der Länder und Völker auf dem ganzen eurasischen Kontinent entsprechen wird.
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