Wirtschaft
"Kapitalismus braucht keine Demokratie"
Thesen gegen die Ausplünderung der Gesellschaft
von Ingo Schulze, Schriftsteller
Wahnsinn als Selbstverständlichkeit: Seit Jahren ist es offensichtlich, dass die Demokratie ruiniert wird und der Sozialstaat zerfällt. Privatisierte Gewinne und sozialisierte Verluste sind zur Selbstverständlichkeit verkommen. 13 Gründe, sich selbst wieder ernst zu nehmen.
Seit etwa drei Jahren habe ich keinen Artikel mehr geschrieben, denn ich weiß nicht mehr, was ich noch schreiben soll. Es ist alles so offensichtlich: die Abschaffung der Demokratie, die zunehmende soziale und ökonomische Polarisation in Arm und Reich, der Ruin des Sozialstaates, die Privatisierung und damit Ökonomisierung aller Lebensbereiche (der Bildung, des Gesundheitswesens, des öffentlichen Verkehrssystems usw.), die Blindheit für den Rechtsextremismus, das Geschwafel der Medien, die pausenlos reden, um über die eigentlichen Probleme nicht sprechen zu müssen, die offene und verdeckte Zensur (mal als direkte Ablehnung, mal in Form von "Quote" oder "Format") und, und, und. . .
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Große Firmen: Nach der Lehre in einen befristeten Job
Quelle: WAZ, 19.08.2015 | 19:17 Uhr
Nach der Lehre in den befristeten Job: Vor allem in Großunternehmen ist das durchaus üblich
Berlin. Die meiste Arbeitnehmer werden in Großbetrieben nur noch befristet eingestellt. Das geht aus neuen Daten der Bundesregierung hervor.
Die meiste Arbeitnehmer werden in Großbetrieben nur noch befristet eingestellt. Während im vergangenen Jahr durchschnittlich 45 Prozent aller neu geschlossenen Arbeitsverträge in Deutschland befristet waren, lag die Quote bei großen Unternehmen mit mehr als tausend Beschäftigten mit 70 Prozent deutlich darüber.
Das geht aus neuen Daten der Bundesregierung hervor, die der WAZ vorliegen. Laut Regierungsangaben hat sich die Zahl der befristeten Arbeitsverträge in den vergangenen zwei Jahrzehnten massiv erhöht: Während 1997 erst etwa 630 000 Arbeitnehmer mit einem Zeitvertrag neu in ein Unternehmen eintraten, waren es im vergangenen Jahr 1,07 Millionen Beschäftigte – der Anteil an allen Neueinstellungen stieg im selben Zeitraum von 34 Prozent auf 45 Prozent. Insgesamt hatten 2014 in Deutschland 3,1 Millionen Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) einen zeitlich befristeten Job – etwa jeder elfte Beschäftigte.
Kleine Unternehmen befristen weniger
Vor allem große Firmen weiteten die Befristungen in den vergangenen Jahren deutlich aus. In Unternehmen mit 251 bis 1000 Beschäftigten waren im vergangen Jahren zwei Drittel der Neueinstellungen befristet. Die Gruppe der kleinen und mittleren Betriebe mit 51 bis 250 Beschäftigten vereinbarte 2014 dagegen nur mit rund der Hälfte der neu eingestellten Arbeitnehmer einen Zeitvertrag, kleine Firmen mit bis zu 10 Mitarbeitern befristeten sogar nur jede fünfte Neueinstellung.
Die Linken-Arbeitsexpertin Jutta Krellmann, die die entsprechende Anfrage an die Bundesregierung gestellt hatte, sprach von einer „Zweiklassen-Gesellschaft“ am Arbeitsmarkt: „Wenn große Betriebe mehr befristen als kleine, dann liegt das sicher nicht daran, dass diese mehr Probleme haben.“ Arbeitgeber befristeten solche Verträge nicht aus Not, sondern weil sie es könnten. Auch die regionale Verteilung deute darauf hin, dass es keinen Zusammenhang zwischen Zeitverträgen und Wirtschaftslage gebe.
Nach einer aktuellen Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes ist Hamburg unter den Ländern Spitzenreiter: Dort haben 12,1 Prozent aller Beschäftigten (ohne Azubis) einen Zeitvertrag. Im Bundesdurchschnitt liegt die Quote bei 9,2 Prozent, in NRW bei 9,0 Prozent.
Unternehmen können Mitarbeiter ohne Angabe von Gründen für bis zu zwei Jahre befristet anstellen; Befristungen mit Sachgrund sind länger möglich.
Christian Kerl
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http://www.derwesten.de/politik/grossunternehmen-befristen-die-meisten-neuen-jobs-id11005988.html#plx798655069
Deutschland ist immer noch ein besetztes Land
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Bundesregierung war vor einem Jahr sehr erstaunt, als aufflog, dass das Kanzlerinnen-Handy überwacht wird. War die Überraschung echt – es ist doch naheliegend, dass sich die Dienste für den Bundeskanzler interessieren…
Gert R. Polli: Die Überraschung war echt, und die Reaktion des politischen Umfeldes war von einer geradezu gefährlichen Naivität geprägt. Deutschland, die deutsche Politik und die deutsche Wirtschaft zählen zu den primären Aufklärungszielen amerikanischer Dienste – und dies nicht erst seit gestern. Das von der Kanzlerin daraufhin geforderte „No-Spy-Abkommen“ mit den USA wurde zu keinem Zeitpunkt von den Amerikanern ernstgenommen. Das eigentliche Problem besteht weiter: Die deutschen Behörden sind technisch nicht in der Lage, Regierung, Wirtschaft und Bevölkerung nachhaltig vor Spionage-Angriffen zu schützen. So fehlen bis heute fehlen gerichtsverwertbare Beweise für das Abhören des Kanzlertelefons, sodass die Bundesstaatsanwaltschaft das Verfahren gegen Unbekannt eingestellt hat.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Aufregung bezog sich damals ausdrücklich auf die Überwachung der Politiker. Nimmt die Bundesregierung die Überwachung der Bürger in Kauf?
Gert R. Polli: Im Zuge der Affäre rund den Datendiebstahl durch Edward Snowden kam es in Deutschland weder zu einer breiten politischen noch zu einer öffentlich geführten Diskussion zum Thema Überwachung.
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Schäuble und Merkel sind sich einig: Man kann einen "Haufen Kommunisten" nicht unterstützen. Fraglich bei der Aussage ist, wen sie damit meinen, die Mehrheit des griechischen Volkes oder die griechische Regierung
Kommentar Roswitha Engelke: Die Euro-Länder hatten sich bereit erklärt, dass vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland mit einem neuen "Milliarden-Hilfsprogramm" zu unterstützen. Sie knüpften dies aber an unmenschliche und wirtschaftlich nicht akzeptabele Reformen:
a) Kürzung der Renten, noch knappere Löhne, noch weniger Krankenversicherung, noch weniger Geld für Bildung,
b) Verkauf von Staats- bzw. Volkseigentum (Privatisierung)
c) mehr Geld in die Rüstung
Mit seinen Forderungen verletzt das EU Parlament eiskalt die Souveränität Griechenlands und ruft zur Plünderung des Landes auf. Es ist widerlich mit anzusehen, wie eine Gruppe von Großkapitalisten, ähnlich einem Haufen raffgieriger Ferengis, seit langem ungeduldig im Startloch scharrt, um endlich die absolute Kontrolle über bewusst in die Pleite getriebene EU-Staaten zu bekommen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten berichten
Der EU-Deal mit Griechenland ist eine teuflische Falle – und es ist erstaunlich, dass noch niemand bisher gemerkt hat, was da gespielt wird: Die Euro-Retter haben den Griechen ein Ultimatum gestellt: Bis Mittwoch müssen die ersten Gesetze beschlossen sein, danach bis 20 Juli der Rest. Dann erst sei der Weg frei für Verhandlungen mit dem ESM. Sollte das griechische Parlament am Mittwoch die ersten Gesetze verabschieden, dann könnte der Deutsche Bundestag der Aufnahme von Verhandlungen zustimmen. Doch das weiß man nicht. Im Grundgesetz steht, dass die Bundestagsabgeordneten in der Ausübung frei seien. Wir wollen hier nicht über das mangelnde Rückgrat der von den Parteien entsandten und abhängigen Abgeordneten sprechen.
Wir wollen bei der Theorie bleiben: Es wäre theoretisch denkbar – und das wäre dann verfassungskonform –, dass man das Ergebnis einer Bundestagsabstimmung nicht vorhersehen kann. Es wäre auch denkbar, zumindest theoretisch, dass eine Regierung ein bestimmtes Ergebnis nicht einmal erzwingen kann. Parteitaktische Erwägungen müssen hier unbeachtet bleiben: Denn es geht nicht darum, dass Merkel und Sigmar Gabriel sagen, wie haben schon genug Leute, die uns gehorchen. Es könnte ja sogar ein Ereignis eintreten, dass es für die Abgeordneten unmöglich macht, neuen ESM-Verhandlungen zuzustimmen: In den vergangenen Tagen sind die Summen für den Finanzbedarf Griechenlands so gut wie stündlich gestiegen. Wir halten heute bei offiziell 86 Milliarden Euro. Es könnte also sein, dass der Deutsche Bundestag am Freitag die Aufnahme von Verhandlungen ablehnt.
In diesem Fall würde folgendes passieren: Das griechische Parlament würde am Mittwoch Steuererhöhungen und Rentenkürzungen beschließen – und würde am Freitag erfahren, dass es keine ESM-Verhandlungen gibt. Deutschland kann – im Unterschied zu den kleineren Ländern, in denen die Parlamente auch zustimmen müssen – den ESM-Prozess per Veto stoppen. Die Bundesregierung müsste das sogar – zumindest dann bei der Unterzeichnung. Deshalb hat Angela Merkel ja auch ganz raffiniert formuliert, sie werde den Bundestag „bitten“, abzustimmen.
Dann stehen die Griechen nämlich über Nacht mit gänzlich leeren Händen da: Sie haben ihre Zusage erfüllt, bekommen aber keinen Kredit.
Na prima, wenn wir jetzt einen Betrieb im Werte von 26.000.000 Euro erben müssen wir keine Erbschaftssteuer zahlen, das ist doch mal sozial
Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE – 8. Juli 2015
GroKo ist Schutzmacht der Reichen
Auf einen Schlag superreich, wer wünschte sich das nicht. Für die Sprösslinge von verstorbenen Unternehmern macht die Bundesregierung dies jetzt wahr: Wer einen Betrieb im Wert von höchstens 26 Millionen Euro erbt, braucht überhaupt keine Erbschaftsteuer zu bezahlen. Teile des Erbschaftsteuergesetzes hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Die Große Koalition hat jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen skandalösen Kniefall vor den Superreichen darstellt.
Siehe hierzu auch mein heutiges Interview im Deutschlandfunk.
Im vergangenen Dezember urteilte das Verfassungsgericht einstimmig: Die unverhältnismäßigen Vorteile für Betriebserben müssen bis zum 30. Juni 2016 beseitigt werden. Die Richter verlangen, dass ab einer bestimmten Unternehmensgröße die Erben nachweisen müssen, ob sie eine Verschonung von der Erbschaftsteuer wirklich benötigen.