Weltweit

08. Dezember 2019   Aktuell - Weltweit

Bolivien: Kein Wort in der deutschen Presse oder von der Kanzlerin zu den Massakern der Interims-Regierung am bolivianischen Volk

Bei Protesten gegen den Putsch sind seither mindestens 33 Menschen von Armee und Polizei getötet worden. Menschenrechtskommission spricht von Massentötungen während Protesten nach Sturz von Evo Morales. Indiz für Differenzen in OAS
 

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Soldaten fahren auf Panzern mit Maschinengewehren durch Senkata in der Stadt El Alto, Bolivien
Soldaten fahren auf Panzern mit Maschinengewehren durch Senkata in der Stadt El Alto, Bolivien

Sacaba/El Alto, Bolivien. Nach massiven Militär- und Polizeieinsätzen in den bolivianischen Städten El Alto und Sacaba, bei denen fünfzehn Zivilisten erschossen wurden, fordert die Interamerikanische Menschenrechtsorganisation eine unabhängige Untersuchung. Der Berichterstatter der Kommission für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern, Francisco José Eguiguren, sprach sich dafür aus, eine interdisziplinäre und internationale Expertengruppe zur Untersuchung der Gewaltakte zu entsenden.

Eguiguren bezweifelt, dass es unter der derzeitigenDe-facto-Regierung eine unparteiische interne Untersuchung der Gewaltakte durch bolivianische Institutionen geben kann.

Der Bericht weist auf Differenzen innerhalb der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hin, der die Interamerikanische Menschenrechtsorganisation angehört. OAS-Generalsekretär Luis Almagro ist ein entschiedener Befürworter des Sturzes von Präsident Evo Morales. Ein umstrittener Bericht der OAS versucht, eine Verfälschung der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen von 20. Oktober nachzuweisen. Im Zuge der Proteste gegen den angeblichen Wahlbetrug war Präsident Morales aus dem Amt gedrängt und ins Exil gewungen worden.

Seither kommt es in Bolivien immer wieder zu Protesten von Gegnern der Putschregierung. Sacaba und El Alto sind Hochburgen der Morales-Anhänger. Am 15. November wurden in Sacaba neun Kokabauern getötet, die an einem Protestarsch teilnahmen. Die Polizisten und Soldaten versuchten offenbar unter Einsatz von Schusswaffen zu verhindern, dass der Demonstrationszug das nahegelegene Zentrum der Stadt Cochabamba erreicht. Arturo Murillo, der das Innenministerium kontrolliert, machte die Demonstranten selbst für den Tod der neun Menschen verantwortlich. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission, ein Gremium der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), hatte den "unverhältnismäßigen Einsatz" der Armee in Sacaba scharf verurteilt.

Am 19. November wurden bei einer Blockade von Treibstoff- und Flüssiggastanklastwagen in der Anlage Senkata in der Stadt El Alto erneut mehrere Personen während eines Militär- und Polizeieinsatzes getötet. Die westlich von La Paz gelegene Stadt El Alto zählt zu den Hochburgen indigener und bäuerlicher Bewegungen, die Morales unterstützen.

Die Tageszeitung La Razón zeigte Bilder, auf denen Streitkräfte des Militärs mit schweren Waffen auf Panzern durch die Stadt El Alto fahren. Sicherheitsexperten, die Bild- und Videomaterial ausgewertet haben, berichten, dass Soldaten mit russischen und chinesischen AK-47-Gewehren sowie 9-mm M-16 Maschinengewehren gesichtet wurden.

Das Verteidigungsministerium und die Staatsanwaltschaft streiten die Vorwürfe, Militär oder Polizei hätten scharf geschossen, einstimmig ab. Das Institut für forensische Untersuchungen (IDIF) in La Paz veröffentlichte am 20. November einen Bericht, dem zufolge vier der Toten in El Alto durch 22-mm- und 9-Millimeter-Projektile ums Leben kamen, und schloss den Tod durch Militärmunition aus.

Die Ständige Versammlung für Menschenrechte Boliviens meldet große Zweifel gegenüber dem Bericht des IDIF an und forderte von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, den Vereinten Nationen und der Kommission für Bürger- und Menschenrechte des Mercosur-Parlaments einen unabhängigen internationalen Rapport zu den Ergebnissen des IDIF.

Nach einer Mission der Interamerikanischen Menschenrechtskommission in Bolivien stufte Berichterstatter Eguiguren die Vorfälle in El Alto und Sacaba nun als "Massaker" ein. "Es ist eine sehr alarmierende Situation mit einer Polarisierung, Hassreden, Gewalt und bewaffneten Gruppen", sagte er in einem Interview mit CNN. "Die Kommission wird vorschlagen, eine interdisziplinäre und internationale Expertengruppe einzurichten, die die Ereignisse nach dem Rücktritt von Präsident Evo Morales, die mindestens zwei Massaker in El Alto und Cochabamba zur Folge hatten, gründlich zu untersuchen", fügte er an.

Die Demonstranten in El Alto forderten unter anderem die Aufhebung des Dekrets Nr. 4078, das seit dem 14. November in Kraft war und die Streitkräfte von der strafrechtlichen Verantwortung bei der Unterdrückung von Protesten befreit. "Es ist sehr beunruhigend, dass eines dieser Massaker am Tag nach diesem sehr fragwürdigen Dekret der Übergangsregierung stattgefunden hat", so Eguiguren. Das Dekret wurde am 28. November nach den Vorfällen in El Alto von De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez wieder aufgehoben.

Bei Protesten gegen den Putsch sind seither mindestens 33 Menschen von Armee und Polizei getötet worden.

07. Dezember 2019   Aktuell - Weltweit

Joaquim „Quim“ Torra - eine Staatsanwaltschaft, die von der Staatsregierung abhängig sei, kann die Staatsanwaltschaft nicht mehr als unparteilich gelten ...

Quelle: Prof. Dr. Axel Schönberger                    

7. Dez. 2019 — 

Letztes Wort des sehr ehrenwerten Präsidenten der Generalitat de Catalunya Quim Torra im Prozeß wegen Ungehorsams gegen ihn am 18. November 2019

 

«Guten Tag!

Ich wende mich an Sie, Eure Exzellenz, als Präsidenten der Kammer dieses Gerichts.

Meine Damen und Herren!

Erstens denke ich, daß es mir obliegt, einen Umstand zu klären — was Sie mir zuvor nicht gestatteten —, nämlich weshalb ich der Staatsanwaltschaft nicht antwortete, als mir die Gelegenheit dazu eingeräumt ward. Ich konnte ausführen, warum ich nicht auf VOX [eine neufaschistische Partei in Spanien; Anmerkung des Übersetzers] geantwortet hatte. Und ich werde es Ihnen erklären, ich denke, das Gericht muß es erfahren, und wohl auch die Bürger. Seit Pedro Sánchez, amtierender Präsident der spanischen Regierung, erklärte, daß die Staatsanwaltschaft von der Staatsregierung abhängig sei, kann die Staatsanwaltschaft nicht mehr als unparteilich gelten. Die Staatsanwaltschaft ist nicht mehr ein Organ, das über die Rechtmäßigkeit wacht, sondern über die Interessen der Landesregierung. Und ich …»

“Herr …” [unterbricht ihn der Präsident des Gerichts.]

«Ich nehme an, daß Sie mir jetzt gestatten werden, mich in Freiheit zu äußern!»

“Ich erinnere Sie an die gleiche Ausführung [fährt der Präsident der Kammer fort], die ich Ihnen eingangs vortrug. Sie haben das Recht, Ihr letztes Wort und Ihre letzten Überlegungen an das Gericht, die Parteien und die Öffentlichkeit zu richten. Aber was ich als Präsident dieses Gerichts und als für die öffentliche Ordnung in ihrer Entwicklung Verantwortlicher nicht hinnehmen kann, ist mangelnde Achtung und Respekt für eine der Parteien. Dies gilt auch für die Staatsanwaltschaft, was auch immer die Person, die es gesagt hat, gesagt haben mag.”

«Der Staatsanwalt sagte in seinem Vortrag, ich hätte mich ‟nach oben gebracht”. Er gebrauchte einige Adjektive, die ich meiner Meinung nach nicht benutzt habe. Ich sage nur, daß ich der Staatsanwaltschaft nicht antwortete, weil ich glaube, daß sie kein Garant für die Rechtmäßigkeit, sondern ein Garant für die Interessen der Regierung ist. Das ist alles. Das war alles, was ich dazu sagen wollte. Und wenn Sie es mir jetzt gestatten, werde ich weiter ausführen, was in meinen Augen die letzten Worten meiner Verteidigung sind, bezüglich derer ich davon ausgehe, daß ich auch das Recht habe, von Ihnen nicht unterbrochen zu werden.

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15. November 2019   Aktuell - Weltweit

Die Wiederwahl Morales war eine Schlappe, die das Großkapital nicht hinnehmen konnte

... trotz massiver  Hetzkampagnen  wählte die Mehrheit der Bürger Boliviens Evo Morales wiederum zu ihrem Staatsoberhaupt!

 

Ergo griff man zu groberen Mitteln. Unter Androhung brutalster Gewalt gegen die Familie des Präsidenten sowie gegen Vertreter der Regierung und letztlich gegen die Bevölkerung gelang es der Polizei und dem Oberkommandierenden der Armee, Morales zum Rücktritt zu erpressen.


In Lateinamerika ist der Staatstreich gegen den demokratisch gewählten Präsidenten von Bolivien auf scharfe Kritik gestoßen. Neben zahlreichen Linkspolitikern und Vertretern sozialer Bewegungen äußerten sich auch mehrere Präsidenten und Regierungen entsprechend.

Wir verurteilen entschieden den Staatsstreich gegen unseren Bruder, Präsident Evo Morales", schrieb Venezuelas Präsident Nicolás Maduro auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Zugleich warnte er, das Leben von Morales sei in Gefahr, und rief "die sozialen Bewegungen und Regierungen der Welt" dazu auf, "sich zur Verteidigung des indigenen Anführers und der bolivianischen Demokratie zu mobilisieren".

Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel erklärte, "die Rechte bedroht mit einem gewaltsamen und feigen Staatsstreich die Demokratie in Bolivien“.

Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva, bezeichnete es als "Unglück, dass Lateinamerika eine wirtschaftliche Elite hat, die nicht mit der Demokratie und der sozialen Inklusion der Ärmsten leben kann“. Es sei eine "Niederträchtigkeit", den Wahlsieg von Morales nicht anzuerkennen.

Argentiniens neu gewählter Präsident Alberto Ángel Fernández bezeichnete die Vorgänge in Bolivien als "inakzeptabel" und nahm klar Stellung gegen den "laufenden Staatsstreich".

Im Kalten Krieg organisierte der CIA immer wieder Umstürze im Ausland, etwa den Militärputsch im Iran 1953, weil Ministerpräsident Mossadegh die Erdölindustrie verstaatlichen wollte.

1954 half ein CIA-Kommando, die Revolution in Guatemala zu beenden und eine Militärdiktatur einzusetzen - nicht zuletzt auf Betreiben des Bananenkonzerns United Fruit Company.

Der US-Geheimdienst plante auch Mordanschläge auf Kubas Staatschef Fidel Castro und half 1973 beim Putsch rechter Militärs gegen Chiles Präsidenten Salvador Allende.

Gibt es für solche Operationen eine Rechtfertigung?


Die Beziehungen zwischen Lateinamerika und den Vereinigten Staaten sind seit dem 18. Jahrhundert geprägt durch den Gegensatz zwischen dem Unabhängigkeitsstreben der lateinamerikanischen    Staaten und der Einflussnahme der USA mit terroristischen Mitteln auf deren Politik und Wirtschaft.

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23. November 2019   Aktuell - Weltweit

Katalonien und Selbstbestimmiung - Amnesty International fordert Freilassung von Jordi Cuixart und Jordi Sànchez


Prof. Dr. Axel Schönberger
Deutschland

19. Nov. 2019 —

Am 19. November 2019 hat Amnesty International nach ausführlicher Analyse des in erster und einziger Instanz ergangenen Urteils gegen Jordi Cuixart und Jordi Sànchez deren sofortige Freilassung gefordert:

Amnesty International vertritt die Meinung, daß die langjährigen Haftstrafen wegen «Aufruhr» eine exzessive und unverhältnismäßige Einschränkung ihres Grundrechts auf Meinungsäußerung und friedliche Versammlung darstellen.

«Amnesty International condemns the decision of Spanish authorities to try and convict the members of civil society Jordi Sànchez, President of the Catalan National Assembly, and Jordi Cuixart, President of the Òmnium Cultural, for the crime of sedition because it constitutes an excessive and disproportionate restriction on their rights to freedom of expression and peaceful assembly.

As private citizens and as presidents of civil society organizations, Spanish authorities have an obligation to guarantee their right to express dissenting opinions regarding the decision of the Constitutional Court that prohibited carrying out the referendum and to organize peaceful assemblies to support the referendum and Catalonian independence, provided they do not use violence or incite violence or discrimination.»

«Conclusions and Recommendations:

Amnesty International believes that the crime of sedition and the Supreme Court’s interpretation of it infringes on the principle of legality and further allows the criminalization of actions related to the exercise of the rights to freedom of expression and peaceful assembly. In the cases of Jordi Sànchez and Jordi Cuixart, Amnesty International believes that their conviction for the crime of sedition constitutes an excessive and disproportionate restriction of their rights to freedom of expression and peaceful assembly. Likewise, Amnesty International is concerned about the conviction for the crime of sedition handed down to the former members of the Govern and Parlament because it is based on a broad interpretation of this offence. Further, the organization is concerned about the possible chilling effect that the application and interpretation of the crime of sedition may have on the exercise of the rights to freedom of expression and peaceful assembly. For these reasons, Amnesty International recommends the Spanish authorities to:

• Substantially review the legal definition of the crime of sedition to guarantee that it does not unduly criminalize acts of peaceful civil disobedience or impose disproportionate punishments for actions related to the exercise of the rights to freedom of expression and peaceful assembly.

• Ensure that Jordi Sànchez and Jordi Cuixart are immediately released and guarantee a process that allows for their conviction on the crime of sedition to be quashed since this is an excessive and disproportionate punishment for actions that resulted from the exercise of the rights to freedom of expression and peaceful assembly.

• Ensure that, in the course of eventual legal remedies available to those convicted for the crime of sedition, there is due consideration given to the violation of the principle of legality resulting from a conviction for a crime whose definition and interpretation contravenes international human rights law. In particular, Amnesty International calls on the representatives of the Ministerio Fiscal of the Constitutional Court to, in the exercise of the functions granted to them by law in the ‘amparo’ process, adopt a position that defends and upholds the principle of legality in accordance with international human rights standards.»

(Amnesty International Public Statement, Tuesday 19 November 2019, EUR 41/1393/2019: «SPAIN: ANALYSIS OF THE SUPREME COURT’S RULING IN THE CASE OF CATALAN LEADERS», S. 3-4; 5-6).

Damit schließt sich Amnesty International der von dem zuständigen Gremium der Vereinten Nationen bereits vor Monaten an Spanien ergangenen Aufforderung, die beiden politischen Gefangenen unverzüglich freizulassen, an.

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06. November 2019   Aktuell - Weltweit

Ausraster auf Youtube: Bolsonaro und der ungelöste Mord an der sozialistischen PolitikerinMarielle Franco

Quelle: Spiegel.online

Bolsonaro und der ungelöste Mordfall an der Sozialistin Marielle Franco

Nach einem Ausraster auf YouTube fragen sich viele Brasilianer, ob Präsident Bolsonaro seinem Amt emotional gewachsen ist. Der Auslöser für seine Wut: Er wird mit dem Mord an einer Politikerin in Zusammenhang gebracht.

Sonntag, 03.11.2019   18:20 Uhr
 

Eine Frage überschattet die Präsidentschaft des rechtsextremen Jair Bolsonaro, seit dieser am 1. Januar sein Amt antrat: Gibt es eine Verbindung zwischen der Familie des Präsidenten und den mutmaßlichen Mördern der linken, schwarzen und lesbischen Stadträtin Marielle Franco, die im März vergangenen Jahres von Auftragskillern in Rio de Janeiro mit einer Gewehrsalve hingerichtet wurde?

 
 

In der vergangenen Woche löste eine Reportage des mächtigen Fernsehsenders TV Globo zu dieser Frage einen Wutanfall des Präsidenten aus. In einem YouTube-Video von seinem Hotelzimmer in Saudi-Arabien aus, wo er gerade auf Staatsbesuch war, tobte, drohte, schrie und weinte Bolsonaro über 20 Minuten lang, sodass selbst die besonnene "Financial Times" fragte, ob Brasiliens Staatsoberhaupt womöglich geisteskrank sei.

Morast aus korrupten Polizisten, Ermittlern und staatlichen Behörden

Bolsonaro beschimpfte die Presse und seine politischen Gegner und drohte, Globo die demnächst anstehende Verlängerung der Sendelizenz zu verweigern. Er bestritt alle Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Mord an Franco.

Die Ereignisse am Mittwoch und Donnerstag scheinen seine Version zu untermauern: Die Globo-Reportage beruht auf widersprüchlichen Informationen, die mittlerweile auch von der Staatsanwaltschaft dementiert wurden.

 

Tatsächlich beruht die Globo-Reportage auf widersprüchlichen Informationen, die die Journalisten allerdings auch kenntlich gemacht hatten. Die Staatsanwaltschaft unterstützte auf einer hastig einberufenen Pressekonferenz Bolsonaros Darstellung der Vorgänge.

Doch dann geriet auch deren Glaubwürdigkeit ins Zwielicht: Das Enthüllungsportal "The Intercept" veröffentlichte Fotos, die eine der Staatsanwältinnen, die die Ermittlungen führen, als glühende Bolsonaro-Unterstützerin ausweisen. Ihrer Absetzung wegen Befangenheit kam sie zuvor, indem sie ihren Rücktritt erklärte.

Am Samstag sorgte dann der Präsident selbst dafür, dass die Verdächtigungen neu aufflammten: Er bekannte, dass er sich ein für die Ermittlungen essentielles Beweisstück angeeignet hatte, bevor es von der Staatsanwaltschaft untersucht werden konnte - angeblich wollte er so möglichen "Manipulationen" zuvorkommen.

Der Nebel um die Ermittlungen im Mordfall Franco, die in einem Morast aus korrupten Polizisten, Ermittlern und staatlichen Behörden feststecken, ist damit noch dichter geworden. Und der Verdacht wächst, dass der Präsident und seine Familie etwas zu verbergen haben.

 

Um die Tragweite des Mordes zu verstehen, der weltweit zu Protesten führte, muss man einen Blick in die Vergangenheit werfen. Die ermordete Stadträtin Marielle Franco war eine lautstarke Kritikerin von Polizeigewalt und außergerichtlichen Tötungen, sie hatte sich auch gegen die Entscheidung des damaligen Präsidenten Michel Temer ausgesprochen, im Kampf gegen die Kriminalität die Armee nach Rio zu entsenden - am 14. März wurde sie nach einem Auftritt erschossen. Zwei ehemalige Polizisten wurden festgenommen, sie hatten Verbindungen zum organisierten Verbrechen.

Milizen gelten als Hauptverantwortliche für den Mord

Bolsonaro wohnte bis zu seiner Wahl und bis zu seinem Umzug in die Hauptstadt Brasília weniger als hundert Meter entfernt von dem Hauptverdächtigen im Mordfall Franco, Ronnie Lessa. Er besitzt in derselben bewachten Wohnanlage in Rio zwei Häuser. Es gibt Selfies, die ihn mit den Verdächtigen zeigen.

Alle Verdächtigen gehören den sogenannten Milizen an. Diese bewaffneten Gruppen bestehen vor allem aus ehemaligen und aktiven Polizisten, Militär und Feuerwehrleuten. In vielen Elendsvierteln von Rio haben sie die dort herrschenden Drogenhändler vertrieben und die Macht übernommen. Sie kassieren Schutzgelder, dealen illegal mit Waffen und sollen auch ins Drogengeschäft eingestiegen sein. In Lessas Haus entdeckte die Polizei vor einigen Monaten ein illegales Waffenlager. Franco hatte genau diese Gruppen bekämpft.

 

 

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